von Ronald Wecker
Manchmal entwickelt sich ein Behandlungsfall anders, als ursprünglich angenommen.
So ist der nachfolgende Fall trefflich beschrieben.
Im Okober 2015 erreichte mich am Sonntag Nachmittag der Anruf einer Überweiserin. Ihr 11-jähriger Sohn war ca. 2 Stunden zuvor mit dem Skatebord gestürzt und hatte sich eine Kronen-Wurzelfraktur an Zahn 11 zugezogen. Allerdings verliefen die Frakturlinien stark vertikal, sodass nach Entfernung aller Fragmente nur die labilen zwei Drittel der distalen Ecke übrig blieben. Der Zahn war deutlich nach labial disloziert.

Die Kollegin hatte die freiliegende Pulpa mit CaOH2 abgedeckt und eine Zementfüllung etabliert. In diesem Zustand stellte sich der Junge am nächsten Tag in unserer Praxis vor.
Die Zähne 22,21 und 12 sowie die gesamte UK-Frontzähne reagierten positiv auf Kältereiz. Der Klopfschall aller nicht frakturierten Zähne war normal.
Angesichts der starken Zerstörung des 11 habe ich der Mutter empfohlen sich zunächst kieferorthopädischen Rat (Lückenschluss nach Entfernung des 11) einzuholen. Zusätzlich empfahl ich ihr, sich mit Andreas Filippi in Basel zu beraten, ob eine Prämolarentransplantation in Frage kommt ( in Berlin kenne ich keinen Kollegen, dem ich das zutrauen würde).
Die KFO war der Meinung, die Schliessung der Lücke realisieren zu können. Dann stünde allerdings noch die Umformung der Zähne 12 und 13, sowie evtl. auch des 14 im Raum, um ein akzeptables kosmetisches Ergebnis erzielen zu können.
Aufgrund des noch zu geringen Entwicklungsstandes der in Frage kommenden UK Prämolaren kam die Prämolarentransplantation Ende 2015 bzw. Anfang 2016 noch nicht in Frage, sodass die Zeit ins Land ging. Im November 2016 dann ein erneutes OPG. Der 11 sah apikal so schlecht nicht aus, die Mutter hatte sich jedoch mittlerweile gegen das Unternehmen „Prämolarentransplantation“ entschieden.

Nach klinischer Inspektion – Zahn 11 trug ein stuhlgefertigtes PV, welches mit definitivem Zement befestigt war – und nach einem erneuten Einzelbild, habe ich der Mutter vorgeschlagen, zu versuchen den Zahn soweit aufzubauen, dass eine endodontische Behandlung möglich wäre.
Das vorhandene, mit definitivem Zement befestigte, PV habe ich durch Präparation entfernt. Dabei fiel mir bereits die Zementfüllung entgegen und es entleerte sich spontan Pus aus dem Kanal.
Nachteilig war es zu diesem Zeitpunkt, dass ich die Defektränder noch nicht freigelegt hatte. Also den Kanal in relativer Trockenlegung mit NaOCl gespült und siehe da: Überraschung.
Das weite Foramen war apikal mit Knochen „gefüllt“. Und das bei normalem Klopfschall. Nach Trocknung und verwackeltem klinischem Bild dann CaOH2 und Abdeckung mit Cavit. Dann mittels Elektrotom (schön, dass wir in der Praxis noch eines haben) die Defektränder freigelegt. Durch entsprechende Anästhesie reichte die Hämostase aus, um den Defekt adhäsiv aufzubauen. Zuvor hatte ich allerdings noch die mesiale Resorptionslakune mittels Elektrotom vom Gewebe befreit.

Der Aufbau erfolgte mittels Optibond FL und Tetric Evo Flow. Im subgingivalen Bereich habe ich auf eine konvexe Kontur geachtet. Die Präparation des Kronenrandes erfolgte nach dem Prinzip der „Margin Elevation“ beinahe äquigingival mittels schallbetriebener Instrumente. Zum Abschluss der Behandlung wurde ein laborgefertigtes Schalen-PV mittels Signum und Struktur unterschichtet und anschliessend rezementiert.
Vor der endodontischen Behandlung erfolgte bei der Mutter des Jungen nach Abheilung der Gingiva eine Abformung des präparierten Zahnes und im Labor die Anfertigung eines in Form und Zahnachse optimierten Langzeit-PV’s aus Komposit.
Die zweite Sitzung war deutlich vorhersagbarer als die erste. Nach absoluter Trockenlegung (Klammer auf 14, Lochung bis 22, keine Klammer an 11), erfolgte nach erneuter Desinfektion die Obturation mittels MTA. Darüber eine Schicht Guttapercha nebst Sealer und der dentinadhäsive Verschluss des Zahnes. Abschliessend wurde das neue PV befestigt.
Kosmetisch stört noch der zu 21 etwas unterschiedliche Gingivaverlauf und die verbesserungsbedürftige Mundhygiene.
Bleibt zu hoffen, dass die Resorption arretiert werden konnte und der Zahn wenigstens das implantationsfähige Alter erreicht.
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