von Haya Hadidi
Inspiriert von der Lektüre einer aktuellen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gießen (Az. 21 K 5554/10 (nicht rechtskräftig)) möchte ich die Aufmerksamkeit der werten Leserschaft auf einen Aspekt des ärztlichen Berufsalltags lenken, über den vermutlich meistens eher selten reflektiert wird.
In besagtem Urteil ging es darum, dass ein Arzt mehrfach durch Beschwerden von Patientinnen bei der Berufskammer aufgefallen war, die besagten, dass er sich ihnen gegenüber sexuell übergriffig verhalten habe. Das VG verhängte schließlich auf Antrag der Landesärztekammer einen Verweis und eine Geldbuße in Höhe von 5.000 EUR.
Woran knüpft dieser Verweis? Es handelt sich ja hierbei um Verstöße gegen das besondere Berufsrecht des Arztes und damit nicht etwa um allgemeine Regelungen, die alles und jeden betreffen, wie z.B. das Strafrecht des Strafgesetzbuchs (StGB), das bürgerliche Recht, kodifiziert im bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), die Straßenverkehrsordnung (StVO) usw.. Es geht eben um spezielle Regeln, die ausschließlich eine bestimmte Berufsgruppe betreffen.
Spezielle Berufsregeln gibt es natürlich ebenfalls zahlreiche, aber solche, die gewisse strenge Umgangsregeln vorsehen, gibt es in dieser ausgeprägten Form in nahezu keinen anderen Berufen. Meistens beziehen sich Berufsregeln nämlich auf bestimmte formale Anforderungen (Nachweise), die erfüllt werden müssen, wie etwa bestimmte Wartefristen, Ausbildungsregeln, Weiterbildungsvorschriften usw..
Im vorliegenden Urteil hatte die Patientin übrigens den Strafantrag zurückgezogen, da ihr der reuige Arzt Schadensersatz und Schmerzensgeld gezahlt hatte – sonst hätte es für ihn durchaus auch einen Nachhall im allgemeinen Strafrecht geben können.
Der Verweis des Gerichts knüpfte vorliegend an einen Verstoß gegen § 22 hessisches Heilberufsgesetz (HessHeilBerG) in Verbindung mit Kap. C Nr. 1 Spiegelstrich 1 und 3 Berufsordnung (BerO).
Dieser besagt folgendes:
„Die Kammerangehörigen sind verpflichtet, ihren Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihnen im Zusammenhang mit dem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen.“
Die Berufsordnung besagt zum Umgang mit Patienten:
„Nr. 1 Umgang mit Patienten
Eine korrekte ärztliche Berufsausübung verlangt, dass der Arzt beim Umgang mit Patienten
− ihre Würde und ihr Selbstbestimmungsrecht respektiert,
− ihre Privatsphäre achtet,
− sexuelle Kontakte weder aufnimmt, noch duldet,
− über die beabsichtigte Diagnostik und Therapie, gegebenenfalls über ihre Alternativen und über seine Beurteilung des Gesundheitszustandes in für den Patienten verständlicher und angemessener Weise informiert und insbesondere auch das Recht, empfohlene Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen abzulehnen, respektiert,
− Rücksicht auf die Situation des Patienten nimmt,
− auch bei Meinungsverschiedenheiten sachlich und korrekt bleibt,
− den Mitteilungen des Patienten gebührende Aufmerksamkeit entgegenbringt und einer Patientenkritik sachlich begegnet.“
Während man manches aus diesem Katalog als stets selbstverständlich gegeben „abtun“ mag (insbesondere möglicherweise den Hinweis auf die Durchführung bzw. Duldung sexueller Kontakte, um den es in diesem Fall ging), so stellen sicherlich andere Punkte durchaus Herausforderungen im stressigen Berufsalltag dar, besonders auch bei Zahnärzten, die täglich meistens eine große Zahl von Patienten behandeln (müssen).
Grundsätzlich kann aber jeder Verstoß gegen Berufsrecht durch das berufsgerichtliche Verfahren geahndet werden. Zu den Sanktionsmöglichkeiten gehört (z.B. nach § 50 hessHeilBerG):
„1. Warnung,
2. Verweis,
3. zeitweilige Entziehung des Wahlrechts,
4. Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro (hunderttausend Deutsche Mark),
5. Feststellung, dass eine Berufsangehörige oder ein Berufsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 unwürdig ist, den Beruf auszuüben.“
Daneben kann natürlich noch „ganz normal“ auf dem Strafrechts- und Zivilrechtsweg vorgegangen werden. Naturgemäß gelangen meistens nur erhebliche Fälle vor das Berufsgericht, dennoch ist es nach wie vor beachtenswert, mit welchem durchaus als streng zu beurteilenden Moralkodex der Beruf des Arztes belegt ist. Gerechtfertigt wird dies mit dem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient, aber auch mit dem Vertrauen, das die Öffentlichkeit dem Berufsstand zuschreibt.
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