Nichtbehandlung (I)

Von Bonald Decker

 

Nachfolgend möchte ich Ihnen einen gestrigen Fall vorstellen und Ihre Meinungen dazu einholen…

kurz zur Vorgeschichte:

Der 18-jährige Lion stürzte in der Nacht von Samstag auf Sonntag letzte Woche auf dem Nachhauseweg mit seinem Fahrrad. Daraufhin suchte er mit seinen Eltern in den frühen Morgenstunden die chirurgische Notaufnahme einer Universität auf.

Hier erfolgte in erster Linie eine Untersuchung zum Ausschluss eines möglichen Schädel-Hirn-Traumas (u.a. Kopf-CT etc.)

Da keine allgemeinmedizinischen Besonderheiten vorlagen wurde der junge Mann wieder nachhause entlassen.

Da er am nächsten Morgen weiterhin beträchtliche Schmerzen im Mund-Kiefer-Gesichtsbereich hatte suchte er daraufhin auf eigene Initiative den kieferchirurgischen Notdienst der Universität auf.

Das dort angefertigte Orthopantomogramm sehen Sie hier:

Nichtbehandlung.001

Eine weitere Behandlung in irgendeiner Form erfolgte nicht.

Lion wurde gebeten sich Ende der nächsten Woche (also knapp 7 Tage nach dem Unfall) bei seinem Hauszahnarzt vorzustellen, um die betroffenen Zähne mit Kompositfüllungen restaurieren zu lassen.

Zur akuten Schmerztherapie wurde ihm die Einnahme eines nichtsteroidalen Antiphlogistikums empfohlen.

Aufgrund der weiter vorhandenen Schmerzsituation stellte sich Lion schliesslich am Mittwoch bei seinem Zahnarzt vor. Dort wurde diese Einzelzahnaufnahme angefertigt.

Nichtbehandlung.002

Eine weitere Behandlung erfolgte nicht. Dem Patienten wurde empfohlen sich zur „bestmöglichen“ Behandlung bei uns vorzustellen.

Unsere Befunde vom Mittwoch (4 Tage post traumatisch) im Überblick:

Vipr 12 und 21 +++,  11 ++, 13,22,23 und UK Front ohne Besonderheiten

Perk 12-11 +, 13,22,23 und UK Front ohne Besonderheiten

12-11: LG I

Hier extra- und intraorale Impressionen der Situation:

Nichtbehandlung.003Nichtbehandlung.004Nichtbehandlung.005

Meine Fragen an Sie…

was geht Ihnen nach dem Lesen der Krankengeschichte spontan durch den Kopf?

Würden Sie die Kollegen kontaktieren um die Hintergründe der Nichtbehandlung zu besprechen ?…

 

 

 

So sieht´s der Gutachter

von Donald Becker

PM_26-1Die Aussage des Gutachters im Bezug auf die Notwendigkeit eines DVT´s im Rahmen einer endodontischen Behandlung war ebenso prägnant wie eindeutig.

Der jugendliche Patient war von der Hauszahnärztin an uns überwiesen worden.
Sie sah die Behandlung in unseren Händen als die im vorliegenden Fall sinnvolle an.

Die PKV des Patienten lehnte eine Erstattung des durchgeführten DVT´s ab.
Der Gutachter, von der PKV des Patienten beauftragt, nachdem der Patient Widerspruch eingelegt hatte, schrieb:

… eine rechtfertigende Indikation für eine DVT als Diagnostik für eine Wurzelkanalbehandlung an Zahn 26 ist nicht erkennbar. Alle relevanten Befunde, die für diese Behandlung notwendig sind, können anhand des Zahnfilmes und des OPT´s gewonnen werden.

Er führt weiter aus:

Die Nähe zur Kieferhöhle sowie Anzahl und der Verlauf der Wurzelkanäle kann problemlos mit Hilfe dieser konventioneller Diagnostik abgeschätzt werden.

Was die Nähe der Kieferhöhle in diesem Zusammenhang an Erwähnung verdient, erschließt sich mir nicht, aber sieht sich jemand der fachkundigen Mitleser in der Lage, problemlos die Anzahl und den Verlauf der Wurzelkanäle  wiederzugeben ?

Das Gutachten schweigt sich nämlich in diesem Punkt aus, Es fehlt- obwohl ja problemlos möglich – ein kurzer Röntgenbefund (z. B. mit Vertucci – Nomenklatur als Kurznotation), der Klarheit schaffen würde diesbezüglich.

Oder geht es es Ihnen wie mir ?
Wenn ich als Gutachter an Hand des vorliegenden Zahnfilmes Anzahl und Verlauf der Wurzelkanäle abschätzen sollte, dann müsste ich zu Protokoll geben, dass dies nicht möglich ist.

Es wäre schön – meinen Dank im Voraus – wenn – kurz vor der anstehenden WURZELSPITZE – Sommerpause nicht nur die üblichen sehr aktiven Kommentatoren sondern möglichst viele Leser hier sich einmal die Zeit nehmen würden, um kurz in der Sache via Kommentar– Funktion Stellung zu nehmen.

 

Die Fragestellungen wären:

Anzahl des Wurzelkanals/der Wurzelkanäle in der mesiobukkalen Wurzel
Verlauf des Wurzelkanals/der Wurzelkanäle in der mesiobukkalen Wurzel (Vertucci- Klassifikation)
Abwesenheit/Vorliegen einer apikalen Läsion an der mesiobukkalen Wurzel

Anzahl des Wurzelkanals/der Wurzelkanäle in der palatinalen Wurzel
Verlauf des Wurzelkanals/der Wurzelkanäle in der palatinalen Wurzel (Vertucci- Klassifikation)
Abwesenheit/Vorliegen einer apikalen Läsion an der palatinalen Wurzel

Anzahl des Wurzelkanals/der Wurzelkanäle in der distobukkalen Wurzel
Verlauf des Wurzelkanals/der Wurzelkanäle in der distobukkalen Wurzel (Vertucci- Klassifikation)
Abwesenheit/Vorliegen einer apikalen Läsion an der distobukkalen Wurzel

Vorhandensein weiterer relevanter Befunde, die sich im Zahnfilm ausmachen lassen  ?

Einfach den rot markierten Text mit „copy and paste“ in den Kommentarteil kopieren, alles löschen, was nicht beantwortet werden kann und beim verbliebenen Rest die Antwort hinten dran schreiben.

Oder jedoch – kurz und knapp, dass man zu den oben genannten rot markierten Fragestellungen anhand des vorliegenden Zahnfilmes keine sicheren Aussagen machen kann.

 

 

 

 

„Erste Hilfe“ – Hilfe

von Haya Hadidi

ErsteHilfe-1-2Kürzlich gab es hier einen Beitrag zum Thema Erste Hilfe in der Zahnarztpraxis. Da ich beruflich mit dem Thema ebenfalls befasst bin, möchte ich auf Erklärvideos hinweisen, die ebenfalls auf kurze und prägnante, aber anschauliche Art und Weise sich dem Thema widmen.
Zunächst die Simpleshow-Clips des DRK, die Pressemitteilung dazu hier: http://www.drk.de/news/meldung/7633-erste-hilfe-jetzt-auch-im-web-20.html

Und hier der aus vier Einzel-Clips bestehende Online-Auffrischungskurs: http://www.drk.de/angebote/erste-hilfe-und-rettung/erste-hilfe-online/erklaervideo.html

Schließlich noch ein sehenswerter Clip zum Thema AED: https://www.youtube.com/watch?v=pKPiB1CSaWo

Eine Bezugsliste für AEDs, von der Berufsgenossenschaft veröffentlicht: http://www.dguv.de/medien/fb-erstehilfe/de/pdf/bezugsquellen_aed.pdf

Zur Infektionsgefahr für Ersthelfer: http://www.dguv.de/medien/fb-erstehilfe/de/pdf/infektion_eh.pdf

Außerdem noch ein Hinweis auf die Besonderheit der Erste-Hilfe-Ausbildung bei Personen mit medizinischer Qualifikation, inklusive Hinweis auf die Kostenübernahme der Fortbildung durch die BG: https://www.bgw-online.de/DE/Leistungen-Beitrag/Praevention/Erste-Hilfe/Erste-Hilfe_node.html

Und schließlich noch einen ganz aktuellen Hinweis auf geänderte Regelungen der Ersten-Hilfe-Ausbildung ab 01.04.2015: http://www.drk.de/pressemeldungen/meldung/8394-ab-1-april-neue-regeln-fuer-die-erste-hilfe-ausbildung.html

Und mal wieder die eGK

von Olaf Löffler

Im Jahr der eGK hat sich unser Kartenlesegerät verschluckt.
Nach dem Einlesen einer gültigen Karte hat sich unser Kartenlesegerät selbst gesperrt. Nun schicken wir es an die Firma 1A Handelsgesellschaft.

Die Kosten tragen wir. Immerhin wird der Reparaturaustausch „nur“ mit € 150,00 berechnet.
Was passiert, wenn man sich der eGK verweigert?

Hier noch ein neuer Beitrag der Freien Ärzteschaft zur eGK.:

17.09.2014, Pressemitteilung: Gutachten: Macht die elektronische Gesundheitskarte Ärzte strafbar?
Ein neues Gutachten stellt fest: Bei der Ausgabe der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) wurde der Datenschutz verletzt, denn die Identität der Versicherten wurde nicht geprüft. Jeder kann ein falsches Foto einsenden, auch die Unterschrift wird nicht überprüft. Und das hat Konsequenzen hinsichtlich der ärztlichen Schweigepflicht: „Ärzte, die mit dieser unsicheren eGK künftig wie geplant Sozial- oder Medizindaten übers Internet weiterleiten, könnten sich strafbar machen“, kommentierte heute Dr. Silke Lüder, Vizevorsitzende der Freien Ärzteschaft, in Hamburg das Ergebnis dieses Gutachtens. „Das ist eine schallende Ohrfeige für die Betreiberorganisation gematik, die gesetzlichen Krankenkassen, das Bundesgesundheitsministerium und alle ärztlichen Körperschaften, die das eGK-Projekt weiter durchziehen wollen.“

Der Datenschutz ist eng mit der Schweigepflicht verknüpft, die im Strafgesetzbuch geregelt ist. In ihrem Gutachten „Versichertenstammdatendienst (VSD) in der Arztpraxis und Strafbarkeitsrisiken für Ärzte nach § 203 StGB“ schreiben Dr. André Zilch, Managing Partner der LSc LifeScience Consult GmbH sowie Sachverständiger bei CertEuropA, und Rechtsanwältin Dr. Franziska Meyer-Hesselbarth: „Um als Arzt nicht Gefahr zu laufen, selbst gegen die Regelungen des §203 StGB zu verstoßen, kann der Arzt nur durch die Nichtbeteiligung am VSD wegen der immanenten rechtlichen Mängel seine eigene Strafbarkeit – sei es als Täter oder Teilnehmer – sicher vermeiden.“ Im Klartext: Nicht mitmachen – nur das schützt vor Strafe.

Lüder, selbst Allgemeinärztin in Hamburg, betont: „Wir wissen nicht, ob Patient, Karte und Daten wirklich zusammengehören, und würden eventuell Unbefugten einen Zugriff auf die Daten anderer erlauben.“ Die elektronische Gesundheitskarte biete also keine sichere digitale Identität, diese sei aber zwingend notwendig.

Aufgrund des fehlenden Identitätsnachweises sei die gesamte Telematik-Infrastruktur als „datenschutzrechtlich unsicher zum Zugriff auf Sozialdaten“ einzustufen, urteilen die Experten in ihrem Gutachten. Das Bundesgesundheitsministerium sieht die Ärzte in der Pflicht, die Identität der Patienten zu überprüfen. Lüder betont: „Ärzte können und dürfen das aber nicht. Zudem sind wir keine Hilfssheriffs der Kassen.“ Das Gutachten untermauert diese Position: „Ärzte haben rechtlich keinerlei Grundlage, sich von Versicherten Ausweispapiere zeigen zu lassen.“ Auch der Bundesgerichtshof stellte bereits in einem Urteil klar, dass Ärzte weder Amtsträger noch Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen sind (Beschluss vom 29. März 2012 – GSSt 2/11).
Über die Freie Ärzteschaft e.V.
Die Freie Ärzteschaft e. V. (FÄ) ist ein Verband, der den Arztberuf als freien Beruf vertritt. Er wurde 2004 gegründet und zählt heute mehr als 2.000 Mitglieder: vorwiegend niedergelassene Haus- und Fachärzte sowie verschiedene Ärztenetze. Vorsitzender des Bundesverbandes ist Wieland Dietrich, Dermatologe in Essen. Ziel der FÄ ist eine unabhängige Medizin, bei der Patient und Arzt im Mittelpunkt stehen und die ärztliche Schweigepflicht gewahrt bleibt.

Pressekontakt: Daniela Schmidt, Tel.: 0176 49963803, E-Mail: presse@freie-aerzteschaft.de

V .i. S. d. P.: Wieland Dietrich, Freie Ärzteschaft e.V., Vorsitzender, Gervinusstraße 10, 45144 Essen,
Tel.: 0201 4690939, E-Mail: mail@freie-aerzteschaft.de, http://www.freie-aerzteschaft.de

Gerichtsurteil Behandlungsfehler

von Haya Hadidi

Hallo allerseits,
anbei möchte ich Sie auf ein aktuelles Urteil zum Thema Behandlungsfehler eines Zahnarztes hinweisen (Erscheinungsdatum 08.07.2014).

Das Urteil finden Sie in der Langfassung hier zum Nachlesen: http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm/j2014/26_U_14_13_Urteil_20140606.html

Für den Praktiker ist es sicher nicht immer leicht selbst einzuschätzen, ob die vorgenommene Behandlung einer gerichtlichen Überprüfung nach dem „lege-artis“-Maßstab standhalten würde. Umso aufschlussreicher sicherlich die Beschäftigung mit aktuell gerichtlich entschiedenen Fällen zu dieser Thematik.
Im vorliegenden Fall ist der Behandler unterlegen und muss nun seiner ehemaligen Patientin Schmerzensgeld und Schadensersatz zahlen und darf auch keine Nachbesserung versuchen.

Was war passiert?
Die 37jährige Patientin hatte sich aufgrund von Zahn- und Kopfschmerzen zum Zahnarzt begeben. Dieser verordnete zunächst eine Protrusionsschiene, um die Fehlstellung des Kiefers zu korrigieren. Sodann begann er außerdem die Behandlung der Zähne im Oberkiefer, indem er Amalgamfüllungen entfernte und die Zähne für den Einsatz eines langzeitprovisorischen Zahnersatzes vorbereitete. Dieses Provisorium gliederte er nach etwa 3,5 Monaten nach Beginn der Schienenbehandlung ein. In der Folge verstärkten sich die schmerzhaften Beschwerden der Patientin wieder, nachdem sie nach Beginn der Schienenbehandlung und vor Eingliederung zunächst nachgelassen hatten. Die Patientin begab sich daher in stationäre Behandlung, bei der eine Knochenentzündung im Oberkiefer festgestellt wurde. Nach Entfernen der Provisorien verringerten sich die Beschwerden, ließen jedoch nicht ganz nach.

Wo liegt der grobe Behandlungsfehler?
Der Zahnarzt hätte die prothetische provisorische Versorgung noch nicht vornehmen dürfen, da die begonnene Schienentherapie die Position des Unterkiefers noch nicht ausreichend gesichert hatte. Das Gericht macht sich hier die Ausführung des zahnmedizinischen Sachverständigen zu eigen, da„ die Verschiebung der Kieferposition auch aufgrund der muskulären Beteiligung ein dynamischer Prozess ist, bei dem auch entsprechend den Leitlinien eine gesicherte und so verbleibende Endposition erst erreicht ist, wenn der Patient ein halbes Jahr beschwerdefrei mit dieser durch die Schienentherapie erreichten Position gelebt hat.“
Die Patientin hatte aber nie die Beschwerdefreiheit erreicht.
Das Gericht sieht „das Vorgehen des Beklagten bei juristischer Bewertung als groben Behandlungsfehler [an], also um einen eindeutigen Verstoß gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse, der aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (vgl. etwa BGH NJW 2001, S.2795 [2796]). Dabei hat der Senat insbesondere berücksichtigt, dass die zu fordernde Zeit der Beschwerdefreiheit so deutlich unterschritten worden ist, dass sich das Scheitern der Bemühungen aus Sicht des Senates geradezu aufdrängte. Auch die medizinische Sachverständige Dr. Q hat das Vorgehen in Ihrem schriftlichen Gutachten als medizinisch unverständlich und Verstoß gegen bewährte medizinische Erkenntnisse bezeichnet und bei der mündlichen Anhörung bildlich als Verstoß gegen das „Dickgedruckte“ angesehen.“
Der Zahnarzt haftet daher für die bei der Patientin eingetretenen Schäden einschließlich ihrer Folgewirkungen, weil er den Gegenbeweis mangelnder Kausalität nicht führen konnte.

Eine fehlerhafte Aufklärung und ihre kostspieligen Folgen

von Haya Hadidi

Ich möchte die geneigte Leserschaft auf das folgende aktuelle Urteil hinweisen. Das OLG Hamm hat entschieden, dass ein Zahnarzt wegen fehlerhafter Aufklärung seiner Patientin 6.000 EUR Schmerzensgeld zahlen muss (Az. 26 U 54/13).

  1. Der Sachverhalt

2007 empfahl der Zahnarzt der 1942 geborenen Klägerin eine prothetische Neuversorgung und gliederte sodann neue Brücken und Veneers im Unter- und im Oberkiefer ein. Die Behandlung wurde 2009 durch die Klägerin beendet, welche daraufhin Schadensersatz verlangte. Sie verwies auf Beschwerden bei der Nahrungsaufnahme und klagte über überempfindliche Zähne. Außerdem meinte sie, die neue Versorgung weise ungenügende Zahnkontakte zwischen Ober- und Unterkiefer auf, es hätten Einzelkronen und keine verblockten Brücken geplant werden müssen. Sie sei über die mögliche Versorgung mit Einzelkronen nicht aufgeklärt worden.

Das LG Bochum hatte der Klägerin ein Schmerzensgeld i.H.v. 6.000 Euro zugesprochen.

Das OLG Hamm hat nach Anhörung eines zahnmedizinischen Sachverständigen die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt.

2. Die Entscheidungsgründe

Das Gericht stellt keinen Behandlungsfehler fest, weil nicht auszuschließen sei, dass die mit der Versorgung des Beklagten geschaffene Bisssituation zunächst fachgerecht gewesen sei und sich erst nachträglich verändert habe. Der Zahnarzt muss aber ein Schmerzensgeld zahlen, weil seine Behandlung mangels wirksamer Einwilligung der Klägerin rechtswidrig gewesen sei. Er hätte die Klägerin über die für den Oberkiefer bestehende alternative Behandlungsmöglichkeit einer Versorgung mit Einzelkronen aufklären müssen. Diese sei medizinisch gleichermaßen indiziert und üblich gewesen und habe gegenüber der ausgeführte Verblockung wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen aufgewiesen, so dass die Patientin auch eine echte Wahlmöglichkeit gehabt habe. Einzelkronen hätten Vorteile gegenüber einer Verblockung, weil sie ästhetisch ansprechender und besser zu reinigen seien. Dass er seiner Aufklärungspflicht genügt habe, habe der Zahnarzt aber nicht beweisen können.

Auf dieser Grundlage sei jedem praktisch tätigen Zahnarzt eine kritische Prüfung der Aufklärungsabläufe und insbesondere auch der –dokumentation empfohlen, um im Zweifel eine die Rechtswidrigkeit der Behandlung ausschließende Aufklärung über Behandlungsalternativen nachweisen zu können.

Wem gehört das Patientenfoto ?

von Haya Hadidi

Hallo allerseits,

aus der Zahnmed-Emailliste von Michael Logies erreichte mich eine Frage zum Urheberrecht, die ich im Folgenden gerne juristisch abstrakt beantworten möchte. Selbstverständlich gibt die Antwort nur meine persönliche Meinung wieder – letztinstanzliche Urteile zu diesem Thema habe ich bei meiner Recherche nicht gefunden.

Der Fall
Ein angestellter Zahnarzt hat im Rahmen seiner Tätigkeit Fotos von Patientenzähnen gefertigt, die in die Patientenakte aufgenommen wurden. Diese Patienten hat er ausschließlich für den Praxisinhaber während der Zeit seiner Anstellung in der Praxis behandelt. Das Arbeitsverhältnis wurde beendet.

Die Fragestellung
1. Darf der Zahnarzt die Fotos mitnehmen?
2. Kann er die Löschung der Fotos aus der Patientenakte verlangen?

Abwandlungsfrage: Ändert sich etwas, wenn die Fotos zu Lernzwecken und für Fallbesprechungen angefertigt werden, ausschließlich aus Eigeninitiative des angestellten Zahnarztes, d.h. nicht im Auftrag des Praxisinhabers zur Dokumentation von Behandlungen?

Lösung des Ausgangsfalls
Ja, der angestellte Zahnarzt darf die Fotos  mitnehmen bzw. behalten. Er ist Urheber der Fotos, § 7 in Verbindung mit § 72 UrhG. Als solcher hat er grundsätzlich alle Rechte an den Fotos, die ihm als Urheber zustehen, s. §§ 11 ff. UrhG. Aufgrund der Tatsache, dass er die Fotos im Rahmen seiner angestellten Tätigkeit erstellt hat, steht dem Praxisinhaber als Arbeitgeber jedoch das Nutzungsrecht als Teil der Patientenakte zu, auch ohne schriftliche Vereinbarung, dies folgt aus § 43 UrhG (so die h.M., vgl. LG Köln Urteil v. 20.12.2006, Az. 28 O 468/06 = MMR 2007, 465 f. – Bewerbungsfotos im Internet, m. w. Nachw.). Veröffentlichen in Zeitschriften oder anderweitig z.B. für Falldarstellungen im Internet verwenden darf er sie ohne Genehmigung des Urhebers aber nicht, gemäß der sogenannten Zweckübertragungslehre. Diese fußt auf dem Rechtsgedanken des § 31 Absatz 5 UrhG, wonach sich Art und Umfang eines übertragenen Nutzungsrechts nach dem Vertragszweck richten. Da die Fotos der Dokumentation der Krankengeschichte der Patienten dienen, die der fotografierende Zahnarzt im Rahmen seines Arbeitsvertrags mit dem Praxisinhaber behandelt hat, steht das entsprechende Nutzungsrecht dem Praxisinhaber auch zu. Nutzungen außerhalb der Patientenakte sind davon aber nicht umfasst und müssten im Arbeitsvertrag gesondert übertragen werden. Nein, eine Löschung darf er nicht verlangen. Aufgrund des Nutzungsrechts darf der angestellte Zahnarzt die Löschung der Dateien aus den Patientenakten nicht verlangen.

Lösung der Abwandlungsfrage
Ja, der angestellte Zahnarzt darf die Löschung aus der Akte verlangen, soweit es keinen nachvollziehbaren Bezug zum betrieblichen und vertraglichen Zweck gibt. Wenn also die Fotos z.B. zufällig und ohne medizinischen Hintergrund der Akte zwar beigefügt wurden, ohne dass man diese Tätigkeit als Pflicht aus dem Arbeitsvertrag einstufen könnte, erlangt der Praxisinhaber auch kein Nutzungsrecht. Dies wiederum bedeutet, dass der Urheber auch die Löschung der Fotos verlangen kann. Eine Aufnahme in die Patientenakte ist jedoch grundsätzlich ein Indiz für den Bezug zum Arbeitsverhältnis, so dass man nur auf der sicheren Seite ist, wenn diese nicht erfolgt ist, die Speicherung z.B. separat und ohne Bezug zum Patienten erfolgte.

Anmerkung
Die Rechte des Patienten sind nicht betroffen, soweit eine Individualisierung durch die Fotos ausgeschlossen ist. Dies ist bei Zahnfotos üblicherweise der Fall, so dass das Recht am eigenen Bild des Patienten hier nicht betroffen ist.

Folgen fehlerhaften Arztverhaltens im Umgang mit Patienten – eine kurze Betrachtung

von Haya Hadidi
Inspiriert von der Lektüre einer aktuellen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gießen (Az. 21 K 5554/10 (nicht rechtskräftig)) möchte ich die Aufmerksamkeit der werten Leserschaft auf einen Aspekt des ärztlichen Berufsalltags lenken, über den vermutlich meistens eher selten reflektiert wird.

In besagtem Urteil ging es darum, dass ein Arzt mehrfach durch Beschwerden von Patientinnen bei der Berufskammer aufgefallen war, die besagten, dass er sich ihnen gegenüber sexuell übergriffig verhalten habe. Das VG verhängte schließlich auf Antrag der Landesärztekammer einen Verweis und eine Geldbuße in Höhe von 5.000 EUR.

Woran knüpft dieser Verweis? Es handelt sich ja hierbei um Verstöße gegen das besondere Berufsrecht des Arztes und damit nicht etwa um allgemeine Regelungen, die alles und jeden betreffen, wie z.B. das Strafrecht des Strafgesetzbuchs (StGB), das bürgerliche Recht, kodifiziert im bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), die Straßenverkehrsordnung (StVO) usw.. Es geht eben um spezielle Regeln, die ausschließlich eine bestimmte Berufsgruppe betreffen.

Spezielle Berufsregeln gibt es natürlich ebenfalls zahlreiche, aber solche, die gewisse strenge Umgangsregeln vorsehen, gibt es in dieser ausgeprägten Form in nahezu keinen anderen Berufen. Meistens beziehen sich Berufsregeln nämlich auf bestimmte formale Anforderungen (Nachweise), die erfüllt werden müssen, wie etwa bestimmte Wartefristen, Ausbildungsregeln, Weiterbildungsvorschriften usw..

Im vorliegenden Urteil hatte die Patientin übrigens den Strafantrag zurückgezogen, da ihr der reuige Arzt Schadensersatz und Schmerzensgeld gezahlt hatte – sonst hätte es für ihn durchaus auch einen Nachhall im allgemeinen Strafrecht geben können.

Der Verweis des Gerichts knüpfte vorliegend an einen Verstoß gegen § 22 hessisches Heilberufsgesetz (HessHeilBerG) in Verbindung mit Kap. C Nr. 1 Spiegelstrich 1 und 3 Berufsordnung (BerO).

Dieser besagt folgendes:

„Die Kammerangehörigen sind verpflichtet, ihren Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihnen im Zusammenhang mit dem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen.“

Die Berufsordnung besagt zum Umgang mit Patienten:

„Nr. 1 Umgang mit Patienten

Eine korrekte ärztliche Berufsausübung verlangt, dass der Arzt beim Umgang mit Patienten

− ihre Würde und ihr Selbstbestimmungsrecht respektiert,

− ihre Privatsphäre achtet,

− sexuelle Kontakte weder aufnimmt, noch duldet,

− über die beabsichtigte Diagnostik und Therapie, gegebenenfalls über ihre Alternativen und über seine Beurteilung des Gesundheitszustandes in für den Patienten verständlicher und angemessener Weise informiert und insbesondere auch das Recht, empfohlene Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen abzulehnen, respektiert,

− Rücksicht auf die Situation des Patienten nimmt,

− auch bei Meinungsverschiedenheiten sachlich und korrekt bleibt,

− den Mitteilungen des Patienten gebührende Aufmerksamkeit entgegenbringt und einer Patientenkritik sachlich begegnet.“

Während man manches aus diesem Katalog als stets selbstverständlich gegeben „abtun“ mag (insbesondere möglicherweise den Hinweis auf die Durchführung bzw. Duldung sexueller Kontakte, um den es in diesem Fall ging), so stellen sicherlich andere Punkte durchaus Herausforderungen im stressigen Berufsalltag dar, besonders auch bei Zahnärzten, die täglich meistens eine große Zahl von Patienten behandeln (müssen).

Grundsätzlich kann aber jeder Verstoß gegen Berufsrecht durch das berufsgerichtliche Verfahren geahndet werden. Zu den Sanktionsmöglichkeiten gehört (z.B. nach § 50 hessHeilBerG):

„1. Warnung,

2. Verweis,

3. zeitweilige Entziehung des Wahlrechts,

4. Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro (hunderttausend Deutsche Mark),

5. Feststellung, dass eine Berufsangehörige oder ein Berufsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 unwürdig ist, den Beruf auszuüben.“

Daneben kann natürlich noch „ganz normal“ auf dem Strafrechts- und Zivilrechtsweg vorgegangen werden. Naturgemäß gelangen meistens nur erhebliche Fälle vor das Berufsgericht, dennoch ist es nach wie vor beachtenswert, mit welchem durchaus als streng zu beurteilenden Moralkodex der Beruf des Arztes belegt ist. Gerechtfertigt wird dies mit dem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient, aber auch mit dem Vertrauen, das die Öffentlichkeit dem Berufsstand zuschreibt.

Recall Zähne 47 46 mit apikalen Aufhellungen

von Donald Becker

Vor einigen Wochen wurde hier bei WURZELSPITZE dieser Fall mit apikalen Aufhellungen an Zahn 47 und 46 in klinischen Bildern und Zahnfilmen sowie im DVT vorgestellt. Hier nun das erste Recall Röntgenbild 6 Monate post WF im Vergleich zum Ausgangszustand.

Was zeigt das DVT (2) – Die Auflösung

von Hans – Willi Herrmann

Der Fall von letzter Woche zeigte apikale Aufhellungen an den Zähnen 46 und 47 als Zufallsbefund bei für die Patientin vollkommen unauffälliger klinischer Situation (keine Beschwerden, geschweige den Schmerzen an den Zähnen 46, 47, die vorhandene Fistel blieb der Patientin verborgen). Hier noch einmal  Ausgangsröntgenbild und intraorales Foto des Fistelgangs.

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Die Behandlungsbedürftigkeit stand für mich ausser Frage, Wurzelkanalbehandlung der Zähne 46 und 47.

Diese Therapieentscheidung zu treffen hätte es für mich keines DVT´s bedurft, da stimme ich GS in seiner Einschätzung zu.

Kollege K fragte nach Perkussionsbefunden, Sensibilitätstests und PA – Befund. Perkussion war negativ, der Sensibilitätstest mittels Kältespray beim  Untersuchungstermin am 02.04.2012  an Zahn 47 negativ, bei 46 aber noch positiv nach 1 Sekunde. Beim nächsten Termin am 02.07.2012 reagierte der Zahn 47 weiterhin negativ, der Zahn 46 schwach positiv nach 2 Sekunden, wobei  im Hinblick auf die stattgefundene Überkronung diese Ergebnisse immer mit einer gewissen kritischen Skepsis betrachtet werden sollten. Distal 47 zeigte sich eine 6 mm Tasche, ansonsten waren beide Zähne parodontal unauffällig mit Taschen kleiner 3 Millimeter.

OS stellte die Frage in den Raum, ob vielleicht der Zahn 46 nicht betroffen sein sollte. Dem war aber nicht so. Eine durchgeführte Probetrepanation ohne Anästhesie zeigte: Beide Zähne waren devital und es entleerte sich Sekret aus den instrumentierten Kanälen.

Was zeigt nun das DVT ?

Die Ausdehnung des Knochendefektes hat an zwei Stellen das Dach des Nervkanals des N. alveolaris inferior nicht nur erreicht, sondern dieses vollständig abgetragen. Es besteht die Gefahr, dass durch den Einsatz von Spülflüssigkeiten, medikamentösen Einlagen und Wurzelfüllmaterialien, sofern diese über den periapikalen Raum in den Alvoelarkanal gelangen, der N. alv. inf. reversibel oder gegebenfalls sogar dauerhaft geschädigt werden könnte. Das dieses Ereignis kein hypothetisches sein muss, belegen zwei anekdotische Berichte der letzten Zeit von Kollegen, bei denen es in einem Fall sogar zu einer dauerhaften Parästhesie des N. alv. inf. gekommen ist.

Eine eindringliche Aufklärung der Risiken diesbezüglich im Hinblick auf die anstehende Behandlung ist Pflicht. Schließlich ist die im Raum stehende Beeinträchtigung an Lebensqualität eine erhebliche und der Eingriff ist im Hinblick auf eine gegenwärtig nicht vorhandene Symptomatik als elektiv einzustufen.  Und mit der Therapie Option „Belassen“ bzw. „Extraktion“ stehen zwei adäquate Alternativen zur Auswahl.

Setzt aber nicht eine Wurzelbehandlung grundsätzlich eine entsprechende Risiko- Aufklärung voraus ?

Das ist richtig, allerdings ist es für den Patienten nicht immer einfach, aus der Fülle der Informationen, die er in kurzer Zeit verarbeiten muss, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Denken wir nur an die Liste an Risiken, die im Rahmen der Wurzelkanalbehandlung sich auftun können. Instrumentenfraktur, Fraktur und Abplatzungen der Kronenverblendungen, Perforation, Wurzelfraktur, Schmerzen, Parästhesie durch Leitungsanästhesie, klinischer Misserfolg. Die Liste ist längst nicht vollständig. Das DVT kann in diesem Fall die vorhandene Knochendefektsituation und die sich daraus ergebenden möglichen Konsequenzen eindringlich verdeutlichen. Mit dem vorhandenen Zahnfilm  wäre dies nicht möglich gewesen, den vorhandene Befund in seiner Ausdehnung zu visualisieren, entsprechende Erläuterungen beschränken sich demnach auf vage Vermutungen. Meine Erfahrung ist in solchen Fällen, dass dem Patienten oft die Ernsthaftigkeit der Situation verborgen bleibt.

Nachfolgend zwei Screenshots und ein Video Snapshot des DVT´s zur Verdeutlichung des beschriebenen Sachverhaltes.

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Auch die Behandlung per se wurde natürlich zwangsläufig durch die im DVT visualisierte anatomische Situation geprägt. So wurde durch verschiedenste Vorsichtsmaßnahmen noch mehr als unter normalen Umständen darauf geachtet, dass es nicht zu einer Penetration von

Spülflüssigkeiten/Medikamenten/Wurzelfüllmaterial in den periapikalen Raum hinein kommen würde. Zum damaligen Zeitpunkt noch nicht in der Praxis vorhanden würde heute darüber hinaus das Endovac- System im Rahmen der Wurzelkanaldesinfektion zu Einsatz kommen, verringert es doch das Risiko unbeabsichtigter Überpressung von Spülflüssigkeiten, in diesem Falle ein besonders willkommener Vorteil. Zur Reduktion von Überpressungen durch warme Wurzelfülltechniken wurden die Guttaperchaspitzen sämtlich mit Lösungsmitteln im Sinne der „Chloropercha“- Technik an die apikale Situation angepasst. Das Ausmaß an Überpressung von WF – Material sollte so in diesem Falle trotz geringerem apikalen Gegenlagers sehr gering gehalten werden. Ob dies gelungen ist, mag ein jeder für sich selbst beurteilen. Parästhesien des Nervus aleveolaris inferior traten zu keiner Zeit der Behandlung und bis heute nicht auf.

Hier noch die WF – Kontrollaufnahme unmittelbar post WF.

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