von Alexander Knobel
Fortsetzung: Ein deutscher Zahnarzt in Madrid (Teil 4)
Bereits Ende April bin ich gebeten worden erneut ein kleines Update meiner Erfahrungen im Ausland und speziell über meine neue Heimat Madrid zu schreiben und selten ist es mir so schwer gefallen wie im Moment.
Seit Wochen versuche ich nun etwas vernünftiges aufs digitale Papier zu bringen und es quält mich. Es quält mich weil ich einfach ausgebrannt bin, kaum Zeit finde und überhaupt nicht weiß, an welcher Stelle ich anfangen soll zu berichten.
Ich denke, dass ich inzwischen behaupten kann, dass mein Strategie aufgegangen ist und das Projekt “Deutsche Zahnarztpraxis im Herzen Spaniens” definitiv aufgegangen ist.
Moderne Zahnheilkunde und nicht 08/15 Abfertigung. Nichts anderes, wie es wohl auch von den Lesern des Wurzelspitzen-Blog gelebt wird.
Zahnmedizinische Standards (QM von der Praxishygiene bis zum Eingliedern von Keramikinlays), High-End Dentistry (Mikroskop, DVT, CAD/CAM, T-Scan…), Fortbildungen, Freundlichkeit und permanente Präsenz in der Praxis haben zum Ziel geführt.
Aber sollte man nun auf die Idee kommen in einem fremden Land Fuß zu fassen, sollte man niemals außer Acht lassen, dass 100% nicht reichen. 100% bringen alle Anderen. Um sich also aus der Masse als Neuankömmling hervorzuheben muss es deutlich mehr sein.
Ich verbringe ca. 70h+ pro Woche in der Praxis und dann kommt noch das Wochenende mit Plänen, Auswertungen, Medical Reports … Papierkram dazu. Viel Freizeit bleibt da nicht!
Erfolg habe ich … aber der Preis ist doch sehr hoch. Besonders für meine Familie die mich leider viel zu selten zu Gesicht bekommt. Das war in Deutschland definitiv anders!
Der ewige Kampf, das “andere System”, andere Wertvorstellungen und Arbeitsweisen zu verstehen ist nicht immer einfach und extrem kräftezerrend. Ein komplett anders funktionierendes Gesundheitssystem, die Krise, ein brutaler Konkurrenzkampf, Praxisketten (Lowbudget und von Versicherungen), die wie Heuschrecken aus dem Boden schießen und die Preise ins bodenlose drücken, ….
Jeder dieser Punkte wäre im Einzelnen bereits mehr als abendfüllend und sicherlich auch für die meisten Leser uninteressante Kost. Aber damit muss man sich nun einmal auseinandersetzen, wenn man den Gedanken einer beruflichen Auswanderung in sich trägt.
Alle Versuche eine zahnärztliche Assistenz einzustellen sind bisher kläglich gescheitert.
Die universitäre Ausbildung junger Zahnmediziner ist extrem theorielastig und das selbstständige Arbeiten aufgrund fehlender bzw. minimalster praktischer Ausbildung fällt den Meisten direkt nach dem Studium dann auch extrem schwer.
Viele flüchten sich daher auch erst einmal in die postgraduierte Ausbildung (sofern sie es sich leisten können) und machen einen Master, welcher im Anschluss der Ausbildung für viel Geld direkt von den Universitäten angeboten wird. Dadurch ist der Markt von Spezialisten überflutet, die ihr Handwerk anschließend auch verstehen, allerdings auch nur einen Mikrokosmos der Zahnmedizin abdecken. Hier sieht man dann sehr schön, inwiefern sich eine reine Spezialisierung der Zahnmediziner auswirkt. Keiner hat mehr eine Ahnung vom Ganzen und der Patient wird herumgereicht.
Auf keine Fall jetzt aber falsch verstehen. Es gibt ganz tolle und extrem talentierte Zahnmediziner in Spanien, die ihr Handwerk meisterlich verstehen. Auch den Sinn einer Spezialisierung möchte ich nicht in Frage stellen.
Nur sollte die Aufgabe einer Universität wohl eher in der allgemeinen Ausbildung und dem praktischen Heranführen an den täglichen Bedarf eines jungen Zahnmediziners liegen.
Die schlechtesten Arbeiten, die ich bisher gesehen hatte waren übrigens deutscher Herkunft. Da wurden z.B. schlecht gemachte GIZ Füllungen als “Spezial Inlays” verkauft und teuer berechnet.
Nicht alles was glänzt ist nun einmal ist Gold.
Arbeiten im Ausland hat absolut nichts mit dem Erlebten im letzten Urlaub zu tun. Auch nicht, wenn die Kollegen dort einen relaxten Eindruck beim Bier an der Bar hinterlassen hatten.
Eines ist sicher: Kein Mensch hat hier auf mich gewartet bzw. nach mir geschrien. Es ging vor mir und wird auch ohne mich gehen.
Mein Fazit:
Mein Konzept ist aufgegangen. Und in naher Zukunft stehen auch noch einige gravierende Veränderungen an, welche mir endlich das erhoffte Maß an mehr Lebensqualität bringen sollen.
Nur hartes und zielorientiertes Arbeiten, ein hohes Maß an Opferbereitschaft und etwas Glück kann zum Erfolg führen. Der Standort macht dann nur noch eine kleineren Prozentsatz des Erfolges aus.
Garantien gibt es aber auch dann keine.