von Alexander Knobel
Die Zeit rennt.
Vor 1 1/2 Jahren wurde ich von Wurzelspitze gebeten, etwas über meine Erfahrungen aus dem europäischen Ausland zu berichten. Jetzt sind bereits zwei Jahre in der Ferne vergangen und es ist an der Zeit, erneut Bilanz zu ziehen.
Kurz gesagt: das Auf und Ab meines Körpergewichts spiegelt die Höhen und Tiefen der letzten zwei Jahre (+/- 10kg) extrem gut wieder. Während man sich in Deutschland über das kostspielige QM, die neue GOZ oder immer mehr Bürokratie ärgern darf, sorgt in Spanien eine brutale Finanzkrise für leere Wartezimmer. Angestellte Zahnärzte werden schonungslos entlassen und sind froh, wenn sie als “Helferin” einen Job finden. Alternativ kann bei einer der Zahnarztketten wie z.B. Vitaldent, Unidental… für laue 5-8€/h angeheuert werden. Diese Ketten verhalten sich wie Heuschrecken und verbreiten sich übers komplette Land. Ist ein Gebiet abgegrast wird eingepackt und weitergezogen. Einzig der Aufwand und die Qualität des „product placements“ sind erstklassig und extrem hochwertig. Wirklich bemerkenswert, was da an gelungener Reklame in den Medien rausgehauen wird. Ansonsten ist die dort betriebene Zahnmedizin weder modern noch in vielen Fällen hygienisch. Dafür auf den ersten Blick billig. Auch sprießen immer mehr Versicherungen mit eigenen Praxen auf den Markt. Nicht sehr erfreulich für meine Kollegen, die der Reihe nach ihre Zusammenarbeit mit den Versicherungen aufgekündigt bekommen.
Andere Länder, andere Probleme.
In diesem Fall sind jedoch aus meiner Sicht die Lösungen identisch: Nur mit hochwertiger Zahnmedizin und großem Engagement kann diesem Strudel entkommen werden. Ansonsten sollte man sich den ganzen Aufwand und die vielen Arbeit einfach nicht geben. Im Media Markt ist man wenigsten gegen die drohende Arbeitslosigkeit versichert und kann sich auch mal bei einer Grippe schön umsorgen lassen. Niemand stört einen am WE, die Urlaube sind gesichert und es gibt geregelte Arbeitszeiten…
Meine Strategie ist relativ simpel.
Ich will besser als der Großteil der Zahnmediziner in Madrid sein.
Mich abheben von der breiten Masse Zahnarztpraxis. High-End-Dentistry und moderne Zahnmedizin zu einem angemessenen und fairen Preis.
Den deutschen Qualitätskriterien im Bereich der Hygiene und des Behandlungsmanagements unterwerfe ich mich freiwillig. Nach dem Motto: „form follows function“. Nur so kann ich mich abheben. Und nur so macht auch mir Zahnmedizin wieder Spaß. Kaum vorstellbar wie ich früher im Schnitt 18(+) Patienten pro Tag anständig versorgen konnte.
Täglich findet hier mein CEREC AC, der Laser, meine Lupenbrille und besonders mein wiederbelebter und geliebter Kofferdam Anwendung. Nicht immer schneller und mehr Patienten durchschleusen. Klasse statt Masse. Den Patienten wieder in den Mittelpunkt stellen. Sicherlich: ich wurde hier auch dazu gezwungen, da ich mich nicht auf Kassenpatienten mit der Motivation auf Zuzahlung ausruhen kann. Keiner kommt mal vorbei, nur um zu schauen wie der Deutsche so ist. Mein Patientenstamm wächst langsam, aber er wächst und 80% der Neupatienten kommen einzig durch ausgesprochene Empfehlungen. Meine Rechnung scheint aufzugehen, auch wenn ich hier locker eine 70-80 Stunden Woche habe und wenig vom milden Klima mitbekomme. Nach nur 2 Jahren bin ich hier in Madrid bekannter als ich es hätte jemals in meiner alten Wirkungsstätte hätte werden können. Referent für das CEREC System und Betatester für neue Soft- und Hardware für verschieden namenhafte Hersteller. Nur durch eine Standard- Zahnmedizin, die sich mit Zahnextraktionen und Zementfüllungen über Wasser hält, hätte ich hier keine Chance. Dieser Markt ist gesättigt. Spanien ist aktuell nicht wirklich ein guter Ort für Zahnmediziner. Speziell da zusätzlich zur Immobilien- und Bankenkrise südamerikanische Zahnärzte den Markt überfluten. Die Mentalität und Lebensweise ist eine komplett andere und darf auf keine Fall mit der deutschen Lebensweise verglichen werden. Es ist schwierig zu erklären, aber bereits zu Beginn meines Abenteuers hatte mir eine netter Kollege es versucht so zu erklären: Leben kann man in Spanien besser, aber zum Arbeiten (was die Professionalität und Qualität angeht), wäre man doch lieber in Deutschland geblieben.
Zumindest Eines habe ich aber bereits in Deutschland gelernt: Die Standortfrage wird maximal überbewertet und „wer aufhört, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein.“ [Philip Rosenthal] Auch ich bin gespannt, was mir die nächsten Jahre bringen werden und ich bin gespannt was es in weiteren 2 Jahren zu berichten gibt.
Interessanter bericht und eine ehrliche Schilderung der Schwierigkeiten bei der Auswanderung auch im europäischen Ausland.
Hallo Herr Knobel,
bin zufällig bei WordPress über Ihren Bericht gestolpert und wundere mich, warum Sie diesen mit einem KATALANISCHEN Baustellenschild illustrieren?! Hoffentlich sind Sie beim täglichen Bohren nicht so unachtsam, denn an solchen Kleinigkeiten kann sich ein Madrileño auf dem Behandlungsstuhl schon mal ganz gewaltig verschlucken… Womöglich hustet er Ihnen dann ein “Hable christiano, hijo de…!” entgegen! ;-)
Qué vagi millor, doctor!
Saludos de SergiO
Das Foto stammt von mir, Herr Roig, in Ermangelung einer passenden Alternative aus der Hauptstadt, aber vor allem aus Unwissenheit der Existenz einer solchen. Herr Knobel hat damit nichts zu tun.
Herzliche Grüsse
H.W. Herrmann
Danke…. hatte mich dennoch sehr über die nette Bebilderung gefreut.
Werde im Lauf des Tages ein Bild heraussuchen und zumachen, dann kann dieser kleine Fehler korrigiert werden.
Grüße aus Madrid,
Alexander Knobel
…zumailen …. verflixte Rechtschreibkorrektur 😁
Hallo Alex,
habe mit Interesse Deinen Bericht gelesen und freue mich vor allem, dass er wesentlich positiver klingt als Dein erster Bericht. Ich drücke Dir die Daumen, dass es weiter bergauf geht.
Viele Grüße aus dem Allgäu !
Sascha Stiefenhofer
Danke.
Müssen wohl die Stimmungsaufheller sein, die man hier jeden Morgen in den Kaffee bekommt.
Vielleicht ist es aber auch einfach nur die positive Resonanz von Patienten, die glücklich sind, dass man hier ist und dies auch mitteilen.
Grüße an deine kleine Großfamilie direkt aus Madird,
Alex
Danke!
Ich denke einfach, dass man wissen sollte, warum man den Schritt ins Ausland wagt.
Wenns in Deutschland beruflich nicht so läuft, wird’s nirgendwo auf der Welt besser.
Viele Kollegen, die hören, dass man im Ausland praktiziert, sind der Meinung, dass einem hier das Geld nachgetragen wird.
Umgekehrt verstehen meine spanischen Kollegen nicht, wie ich nur daran denken konnte das gelobte Deutschland als Zahnarzt zu verlassen….
Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.
Sofern man nicht zur spanischen Generation der vergoldeten Großgrundbesitzer gehört muss man für sein Geld hart arbeiten. Gefühlt um einiges härter als in meiner ehemaligen Heimat. Aber wie gesagt, dafür scheint hier 200 Tage die Sonne und noch wichtiger, meine Familie ist hier. Und nur deswegen bin ich hier Zuhause.