Trauma-„Zweitversorgung“

von Ronald Wecker

Fünf Tage nach einem umfangreichen Frontzahntrauma stellte sich dieser Patient mit einer suboptimalen Erstversorgung bei uns vor.

Die Zähne 12,11 und 21 wiesen unkomplizierte Kronenfrakturen auf. Zahn 11 war nach Avulsion und  50-minütiger Trockenlagerung zunächst in einem Dento-Safe gelagert worden und nach Inspektion von Alveole undWeichgeweben reponiert worden. Die Dentinwunden der Zähne 12-21 blieben unversorgt. Zahn 11 wurde in eine glasfaserverstärkte rigide Kompositschienung  einbezogen. Eine systemische Antibiose wurde auf 2 Einzelgaben beschränkt. Instruktionen zu Mundhygiene waren nicht gegeben worden. Es war empfohlen worden die endodontische Therapie von Zahn 11 in frühestens 3 Wochen durchzuführen.

Die Zähne 41 und 42 reagierten verzögert/negativ auf Kältereiz. Die elektrische Sensisbilität war jedoch vorhanden. Die Zähne 23-21 und 12-13 reagierten positiv auf Kältereiz. Die elektrische Sensibilitätsprüfung war verzögert bei Zahn 21 und Zahn 12. Der Klopfschall, getestet nach Entfernung der parodontalhygienisch insuffizienten Schienung, war normal und nicht ankylotisch. Die Zähne 21,11 und 12 zeigten Lockerungsgrad 1.

Die angefertigten Einzelbilder gaben keine Hinweise auf eine Horizontalfraktur der Wurzeln der beteiligten Zähne. Das angefertigte DVT liess an Zahn 11 einen Verlust der labialen knöchernen Lamelle und eine nicht ganz optimale Reposition erkennen. Da es beim „Durchscrollen“ durch die Sagittalschnitte Hinweise auf kleine Frakturen der labialen Alveolenwand der Zähne 21 und 12 gab, wird die semirigide Schiene für 4 Wochen belassen werden.

Der hier schon oft erwähnte Dental-Trauma-Guide wäre eine gute Hilfe für eine zeitgemäße Erstversorgung gewesen.

Nach lokaler Anästhesie wurde zunächst die vorhandene Kompositschienung entfernt. Nach Reinigung der Zahnoberflächen wurde anschliessend das mitgebrachte Zahnfragment an Zahn 12  adhäsiv wiederbefestigt. Es folgte die Versorgung der Dentinwunden an den Zähnen 11 und 21 mittels Komposit. Nach Applikation eines Titan-Trauma-Splints von 13 nach 22 wurde an Zahn 11 die notwendige endodontische Therapie eingeleitet und  der Zahn nach Applikation von CaOH2 adhäsiv verschlossen.

Die etwas gingivanahe Lage der Schienung an den Zähnen 12 und 11 ist dem Verlauf der Frakturlinie geschuldet.

Die erste Kontrolle erfolgte 14 Tage nach Trauma. Zahn 12 war nicht mehr sensibel auf elektrischen Reiz, zeigte eine apikale palpatorische Druckdolenz und eine apikale Aufhellung im angefertigten Röntgenbild. Eine endodontische Therapie wird zeitnah eingeleitet.

Die Prognose für Zahn 11 ist aufgrund der langen trockenen Lagerung stark eingeschränkt. Es wird engmaschig kontrolliert, ob es zu Wurzelresorptionen kommt.

Die Zähne 31-42 und 21 reagierten wieder reproduzierbar positiv auf Kälte- und elektrischen Reiz.

Die größte Herausforderung war rückblickend das für die erforderliche Diagnostik und Therapie notwendige Zeitfenster kurzfristig zu realisieren.

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