von Jörg Schröder
Wer jemals das zweifelhafte Vergnügen hatte einen extrem obliterierten Frontzahn endodontisch behandeln zu müssen, weiss die Vorteile der geführten/navigierten Aufbereitung zu schätzen.

Vorbei der erhöhte Pulsschlag und die Sorge, ob die eingeschlagene Achsenrichtung wohl die richtige sein wird. Keine Zwischenstopps um die Lage des Instrumentes hinsichtlich der Zahnachse zu kontrollieren. Kein Rätselraten, wo denn jetzt ein kleiner Pulpahohlraum sein könnte.

Voraussetzung für die Erstellung der Bohrschablone ist neben einem präoperativem DVT, welches den gesamten Zahnbogen abbilden kann, eine Präzisionsabformung oder ein intraoraler Scan der Zahnmorphologie und der Zugang zu einer Planungssoftware, mit der die Modelldaten und die DVT-Daten gematcht (überlagert) werden können.

Ein Intraoral-Scanner ist dabei nicht zwingend notwendig. Nach Aussage von Jürgen Mehrhof, Berlin, dem ich an dieser Stelle ganz herzlich für seine tolle Unterstützung bei Planung und Erstellung der Bohrschablone danken möchte, ist es sogar so, dass extraorale Scans mittels Streiflicht-Scanner genauere Ergebnisse bringen, als intraorale Scans. Das vereinfacht die Herstellung der Schiene ganz erheblich, da der Aufwand für eine genaue Abformung der Aussenkontur der Zähne auch in einer auf Endodontie limitierten Praxis keine allzu große Hürde darstellt.
Um eine möglichst lagestabile Positionierung der Bohrschablone zu gewährleisten und das Überlagern der Modell- mit den DVT-Daten zu erleichtern, ist es ratsam, alle Zähne des jeweiligen Kiefers abzuformen/abzubilden.
In der jeweiligen Planungssoftware – ich habe auf Jürgens coDiagnostiX-Software zurückgreifen dürfen – sind sowohl die STL-Daten des Bohrers als auch der Führungshülse hinterlegt und können entsprechend der Notwendigkeiten ausgerichtet werden. Die Schablone wurde anschliessend im 3D-Druckverfahren hergestellt und zeigte bei der Einprobe eine hervorragende Passung.


Nach der Einprobe der Schablone wird die Position der Trepanationsöffnung am Zahn markiert, indem die Bohrerspitze in Kariesdetektor getaucht wird und nach Einführen in die Führungshülse eine, wenn auch mitunter schwache, Farbmarkierung auf der Zahnoberfläche hinterlässt. Diesen Tipp verdanke ich Thomas Connert vom Zahnunfallzentrum in Basel, der die “Guided Endo” massgeblich mitentwickelt hat.

Anschliessend wird die Zugangskavität bis ins Dentin hinein ausgedehnt, da der Bohrer nicht für das Durchdringen von Zahnschmelz und Restaurationsmaterialien geeignet ist.
In nachfolgendem Fall kam es allerdings trotz perfekter Vorbereitung anders als geplant.
Nachdem ich das präoperative Einzelbild und das daraufhin angefertigte DVT beurteilt hatte, war ich mir sehr sicher, dass es keinen Sinn macht, einen regulären Aufbereitungsversuch zu unternehmen. Die Lage der alio loco angelegten Zugangskavität war mir zudem ein mahnendes Zeichen.
Mein Weg zur Entscheidung:
- Klinische Inspektion und Befunderhebung, Beurteilung des nach der vor 3 Jahren erfolgten Behandlung des 21 vorhandenen Einzelbildes (starke Obliteration), Beurteilung des aktuellen Einzelbildes,
- Einschätzung des regulären Vorgehens als stark risikobehaftet mit Gefahr von Perforation und/oder starken Hartsubstanzverlust bei abgebrochenem Aufbereitungsversuch.
- Sorge der Patientin, nach der alio loco durchgeführten erfolglosen Wurzelspitzenresektion an Zahn 21 und dem erheblichen therapeutischem Aufwand der Revisionsbehandlung bei Misslingen der Aufbereitung an Zahn 11 eine ähnliche Situation zu erzeugen.
- Wunsch der Patientin nach der vorhersagbarsten Therapieoption.
- Beurteilung des aktuellen DVT.
Daher wurde bereits das präoperativ angefertigte DVT im Volumen so gewählt, dass es für “Guided Endodontics” geeignet wäre. (8×4 cm). Dann erfolgte die Abformung des Oberkiefers mit gestopptem Löffel und einem additionsvernetztem Silikon.

Nach der Entfernung des semipermanenten temporären Verschlusses (weichbleibendes lichthärtendes Füllungsmaterial) konnte das ganz offensichtlich CHKM enthaltendes Wattepellet entfernt werden.
Nachdem die Pulpakammer in pinselnder Weise mit Munce-Burs bearbeitet worden war, konnte ein winziges Areal visualisiert werden, dass die für obliterierte Kanalhohlräume typische helle Zeichnung aufwies.

Zwar gelang das Eindringen des Microopeners nur für einen knappen Millimeter, jedoch war der Entschluss nun schnell gefasst, zunächst das Standard-Vorgehen für obliterierte Kanäle anzuwenden. Zwar wäre die schablonengessützte Variante schneller gewesen, allerdings auch aufgrund der nach distal und palatinal verlaufenden Wurzelkrümmung mit unnötigem Hartsubstanzverlust verbunden gewesen. Immerhin hat der von der Firma Steco angebotene Endo-Seal-Bohrer einen Durchmesser von 1,0 mm.
Und so geschah, was ich beim Anblick des kleinen hellen, mit Dentin-Spänen gefüllten Kanalresthohlraumes “befürchtet” hatte. Die Schablone blieb ungenutzt.
Bestärkt hat mich der Umstand, dass ich mit dem händisch unter Schablonenführung eingebrachten Endo-Seal-Bohrer in der Lage war, eine zylindrische Vertiefung einzuarbeiten, in deren Mitte der vermutetet Originalkanal lag. Der ” Proof-of-Concept” machte es mir leichter, zunächst zu versuchen, den Kanal im Standardverfahren zu erweitern.

Das abwechselnde Einsetzen von ProFiles 15/04, 20/04 und 15/06 bis zum Erreichen der im DVT ermittelten Arbeitslänge gelang mit einiger Mühe. Wichtig zu erwähnen scheint mir, dass sobald die 15/04, seltener die 20/04 aber fast genauso häufig die 15/06 bereits mehrere Millimeter erschliessen konnte, diese gegen eine fabrikneue ausgetauscht wird. Das Voranschreiten der Aufbereitung wird geschmeidiger und vor allem sicherer vorangehen.

War die Planung übertrieben? Hätte man es nicht erst einmal “ohne” versuchen sollen? Können vielleicht. Was jedoch, wenn es dann in der Mitte der Wurzel nicht mehr weiter geht? Risiko nehmen? Abbrechen und “Guided Endodontics” vorbereiten? Oder besser entspannt die Schablone nutzen?
Eine Frage, die für mich auch von der generellen Praxisausrichtung abhängt. Spezialisiert arbeitend soll bei mir der erste Versuch funktionieren. Denn die Kosten für ein zweizeitiges Behandeln sind unterm Strich letztlich höher als die Single-Visite-Variante. Die Patienten soweit zu informieren, dass sie ihre Entscheidung treffen können ist das Ziel jeder Erstberatung.
Kleiner, aber angenehmer Nebenbefund:
Die hier auf Wurzelspitze bereits gezeigte Behandlung des 21 scheint auch im DVT zu einer fast vollständigen Ausheilung des in 2017 präoperativ durchaus beeindruckenden apikalen Pathologie geführt zu haben. Beim Vergleich der beiden DVT zeigt sich die höhere Detailgenauigkeit des X800 M.

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