von Jörg Schröder
Eine Gretchenfrage zum Wochenbeginn.
Was empfehle ich den Patienten, deren Beschwerden an einem Zahn mit (noch) vitaler Pulpa mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einem Haarriss ausgehen, der in der Pulpakammer endet?
Wann empfehle ich die Extraktion? Wann entscheide ich mich für einen Erhaltungsversuch?
Aufgrund unklarer Beschwerden im rechten Oberkiefer wurden im nachfolgendem Behandlungsfall alio loco die Zähne 15,16 und 17 anbehandelt.
Zahn 16 wurde trepaniert und ein endodontische Behandlung eingeleitet. Die stark obliterierten mesialen Kanalsysteme MB1 und MB2 konnten nicht, DB zur Hälfte und P vollständig erschlossen werden. Nach der Einlage von CaOH2 persistierten die Beschwerden weiterhin.
Bei Zahn 15 wurde die vorhandene Teilkrone entfernt und durch eine kurzzeitprovisorische Füllung “ersetzt”.
Die Krone an 17 wurde entfernt, der Zahn trepaniert und nachdem die Kanalsysteme nicht erschlossen werden konnten wurde nur die Zugangskavität kurzzeitprovisorisch verschlossen.
Nach klinischer Untersuchung (deutliche Perkussionsempfindlichkeit mit palpatorischer Druckdolenz an 16, geringe Perkussionsempfindlichkeit 15, dort positiver Sensibilitätstest) und Auswertung des DVT habe ich folgende Vorgehensweise vorgeschlagen:
- adhäsive Restauration Zahn 15, bei Rissgeschehen tiefe “Pulpotomie”, da die vollständige Erschliessung der apikalen Aufgabelung zu zeitaufwändig wäre.
- Medikamentöse Einlage CaOH2 und klinische Reevaluation der Beschwerden.
- Einzeitige endodontische Behandlung Zahn 16 in gleicher Sitzung.
- Einzeitige endodontische Behandlung Zahn 17 in gesonderter Sitzung.
Klinisch imponierte an Zahn 15 ein von der mesialen Randleiste startender und das Pulpakammerdach vollständig durchziehender Haarriss, der auf Höhe des mesialen Gingivarandes in die Pulpakammer eintritt und ab dort nicht weiter verfolgt werden konnte.
Nach initialer Aufbereitung bis zur Konfluation – nach schall- und ultraschallunterstützter Irrigation kam es zu einem Flüssigkeitsaustausch zwischen B und P – wurde CaOH2 eingelegt und die Zugangskavität adhäsiv verschlossen. Aufgrund der im gleichen Termin noch geplanten endodontischen Behandlung von Zahn 16, habe ich die Approximalräume nicht so präzise gestalten können, sodass der distale Kontaktpunkt zu 16 nicht vorhanden ist.
In Zahn 16 waren MB1 und besonders MB2 stark obliteriert, sodass die Gesamtbehandlungsdauer die 3-Stundengrenze knapp erreichte.
Welche Entscheidung treffen Sie im Hinblick auf die weitere Behandlung des 15? Auf die Rückmeldungen bin ich gespannt.
Zunächst einmal Hallo an alle Wurzelspitze-Mitglieder, ich bin Nils, junger Zahnarzt aus Göttingen und neu hier…und absolut begeistert, tolle Inhalte!
Im Falle des 15 wäre in Anbetracht der verbleibenden Höckerstärke und bei Beschwerdefreiheit im Verlauf sicherlich eine Höckerüberkupplung nach Wahl sinnvoll. Bei Haarrissen, auch bei leichten Beschwerden, haben wir damit gute Erfahrungen gemacht. Aufklärung über Erhaltungsversuch und möglichen Zahnverlust natürlich unbedingt vorab
Hallo Jörg,
Die Frage ist ja immer ob man den Riss verfolgt oder nicht.
Denn Risse machen allgemein immer was sie wollen. Ich habe nur eine gute Überlegung mal von Stephane Browet zu diesem Thema gehört. Er schaut mit einer Lampe (D-Light pro im detection Modus) ob in dem Riss Bakterien erkennbar sind. Wenn ja zieht er den Riss auf – wenn nicht versiegelt er nur adhäsiv. In beiden Fällen wir aber immer eine Höckerüberkuppelnde Restauration gemacht.
Wenn der Zahn intakt ist habe ich jetzt gute Erfahrungen mit der Komposit Injections Technik gemacht. Dort wird mit einem transparenten Silikon eine Abformung vom Zahn gemacht und dann später diese Form mit dem Injectable komposit wieder aufgefüllt.
Es ist auf jeden fall schneller als eine direkte Teilkrone und günstiger als eine indirekte.
Ich habe in deinem Fall nicht erkannt ob der Riss jetzt auch in den Pulpakammerboden geht. Vom Workflow würde ich eher zu einer vollen Pulpotomie bis zum kanaleingang tendieren.
Am ende machen die Risse aber trotzdem was sie wollen ;-)
Georg
Hallo Georg, für mich ist der Riss im Pulpakammerboden die Entscheidung gegen den Zahnerhalt. An den achsialen Wänden muss er auf Höhe des Überganges zum Pulpakammerboden stoppen. Gefügeunterbrechung ist ein KO-Kriterium für mich. In diesem Fall stoppte der Riss vor dem Kammerboden. Die Pulpotomie habe ich erst erwogen, aufgrund des verbreiterten Pa-Spaltes jedoch verworfen. LGJ
Es freut mich, dass es Ihnen hier bei wurzelspitze gefällt. Dafür machen wir es. Ich bin bei der Versorgung der Zähne mit Rissen in den vergangenen Jahren sehr zurückhaltend geworden und folge den Prinzipien die ich in der Antwort auf Georg Benjamin aufgeführt habe. Auch wenn ( nicht in vorliegendem Fall) dann einmal eine Empfehlung für eine Alternative gegeben werden muss. Lgjs