Komplexe Anatomie 47

von Jörg Schröder

Die Ursache für die bukkal bestehende Fistelung dieses 47 und die damit einhergehenden Beschwerden zeigte sich bereits bei der klinischen Inspektion.

In der mesialen Randleiste imponierte ein Haarriss, die okklusale Gussrestauration wies eine deutlich Randungenauigkeit auf und war ganz offensichtlich nur noch klemmend befestigt.

Innerhalb der zweizeitigen Behandlung wurde zunächst die Gussrestauration entfernt und der Zahn, nach Ausschleifen des Haarrisses adhäsiv aufgebaut.

Das präoperative DVT ließ eine interessante Anatomie erkennen, die aufgrund der apikalen Kommunikation aller drei Kanalsysteme und einer deutlichen Distalkrümmung zurecht als “komplex” bezeichnet werden kann.

Da die mesialen Kanalsysteme vor dem Zusammentreffen aller Kanalsysteme konfluierten und die apikale Krümmung sich – wie das präoperative DVT deutlich erkennen lässt – von mesial aus sicherer instrumentieren ließ, wurde die distale Krümmung von mesial aus aufbereitet.

Nach schall- und laserunterstützter Spülung wurde CaOH2 eingelegt und der Zahn adhäsiv verschlossen.

Zum Beginn des zweiten Behandlungstermins war der Zahn beschwerdefrei, die bukkale Fistelung vollständig abgeheilt. Nach erneuter ausgiebiger Irrigation erfolgte die Obturation in warmer vertikaler Kompaktion mit AH26 und warmer Guttapercha.

Da es gilt, den Zahn zeitnah mit einer laborgefertigten Restauration zu versorgen, erfolgte das erste Recall bereits nach 3 Monaten.

Mal ganz normal.

Von Jörg Schröder

Aussergewöhnlich gelöste oder besonders ungewöhnliche Fälle zu präsentieren macht – zumindest mir – besondere Freude. Denn der Lösung einer Behandlungsaufgabe gehen immer Überlegungen zur Behandlungstaktik voraus. Und für mich das Schönste: Mit Überlegung zum Erfolg.

Der Großteil der täglichen Behandlungen ist jedoch recht unspektakulär. Und dennoch müssen auch hier ein paar graue Zellen angestrengt werden um ein ansprechendes Ergebnis zu erzielen. Und sei es auch nur, den für eine ausgeprägte Schmerzsymptomatik verantwortlichen Zahn zu ermitteln und bei vollem Terminkalender im zur Verfügung stehenden Behandlungsfenster das zur Schmerzbeseitigung Notwendige zu tun.

So wie in nachfolgendem Fall.

Nach einer alio loco durchgeführten Neuversorgung des Zahnes 16 persistierten auch nach der in der Praxis des Hauszahnarztes durchgeführten initialen Wurzelkanalbehandlung des Zahnes 16 weiterhin starke Aufbissbeschwerden im rechten Oberkiefer. Auf meine Nachfrage gab die Patientin zudem sehr starke und reizüberdauernde Temperaturmissempfindungen im rechten Oberkiefer an.

Konnte das zu 16 “passen”? Unter der Annahme, dass vielleicht nicht alle Kanalsysteme des ursprünglich vitalen Zahnes 16 instrumentiert worden waren, unter Umständen ja. Die Klinische Untersuchung zeigte die Zähne 15 und 16 extrem berührungsempfindlich. Der leichte Einsatz des Luftbläsers erzeugte bereits starke Beschwerden an 15. Der seiner prothetischen Krone beraubte Zahn 17 war weder berührungs- noch temperaturempfindlich. Bei der Inspektion fiel ein von mesial nach distal verlaufender Haarriss in Zahn 15 auf.



 

Im DVT zeigten sich apikale Aufhellungen an 16 und 17. Im palatinalen Kanal des 16 imponierte ein radioopakes Material, von dem kleine Teile in den extraradikulären Raum verbracht worden waren.

Zahn 15 wies einen durchgehenden Parodontalspalt auf. Aber auch eine tiefe Aufgabelung.

Insgesamt wurde ein dreizeitiges Vorgehen geplant.

Im ersten, kurzfristig eingeräumten Termin am Tag nach der Beratung sollte zunächst der Verlauf des Haarrisses in 15 in Augenschein genommen werden, die vitale Pulpa bis zur Aufgabelung entfernt und der Zahn 16 einzeitig endodontisch behandelt werden. Von einer Aubereitung der apikalen Anteile des 15 wurde aus Zeitgründen abgesehen, um nicht durch unter Zeitdruck getroffene Entscheidungen ein suboptimales Resultat zu erzielen.

Im zweiten Termin sollte Zahn 17 einzeitig behandelt werden. Der Termin hätte, wenn notwendig, aber auch zur Behandlung des 15 verwendet werden können, sofern dieser nach der ersten Intervention nicht beschwerdefrei sein sollte. Was aber aber zum Glück war.

Somit konnte ich mich in einem dritten Termin der tiefen apikalen Gabelung annehmen.

Interessant zu sehen, dass alle unter elektronischer Kontrolle erstellte Messaufnahmen einen deutlichen Längenunterschied zwischen B und P in Relation zum radiologischen Apex zeigten.

 

 

Wie hältst Du es mit dem Haarriss?

von Jörg Schröder

Eine Gretchenfrage zum Wochenbeginn.

Was empfehle ich den Patienten, deren Beschwerden an einem Zahn mit (noch) vitaler Pulpa mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einem Haarriss ausgehen, der in der Pulpakammer endet?

Wann empfehle ich die Extraktion? Wann entscheide ich mich für einen Erhaltungsversuch?

Aufgrund unklarer Beschwerden im rechten Oberkiefer wurden im nachfolgendem Behandlungsfall alio loco die Zähne 15,16 und 17 anbehandelt.

Zahn 16 wurde trepaniert und ein endodontische Behandlung eingeleitet. Die stark obliterierten mesialen Kanalsysteme MB1 und MB2 konnten nicht, DB zur Hälfte und P vollständig erschlossen werden. Nach der Einlage von CaOH2 persistierten die Beschwerden weiterhin.

Bei Zahn 15 wurde die vorhandene Teilkrone entfernt und durch eine kurzzeitprovisorische Füllung “ersetzt”.

Die Krone an 17 wurde entfernt, der Zahn trepaniert und nachdem die Kanalsysteme nicht erschlossen werden konnten wurde nur die Zugangskavität kurzzeitprovisorisch verschlossen.

Nach klinischer Untersuchung (deutliche Perkussionsempfindlichkeit mit palpatorischer Druckdolenz an 16, geringe Perkussionsempfindlichkeit 15, dort positiver Sensibilitätstest) und Auswertung des DVT habe ich folgende Vorgehensweise vorgeschlagen:

  • adhäsive Restauration Zahn 15, bei Rissgeschehen tiefe “Pulpotomie”, da die vollständige Erschliessung der apikalen  Aufgabelung zu zeitaufwändig wäre.

  • Medikamentöse Einlage CaOH2 und klinische Reevaluation der Beschwerden.
  • Einzeitige endodontische Behandlung Zahn 16 in gleicher Sitzung.
  • Einzeitige endodontische Behandlung Zahn 17 in gesonderter Sitzung.

Klinisch imponierte an Zahn 15 ein von der mesialen Randleiste startender und das Pulpakammerdach vollständig durchziehender Haarriss, der auf Höhe des mesialen Gingivarandes in die Pulpakammer eintritt und ab dort nicht weiter verfolgt werden konnte.

Nach initialer Aufbereitung bis zur Konfluation – nach schall- und ultraschallunterstützter Irrigation kam es zu einem Flüssigkeitsaustausch zwischen B und P – wurde CaOH2 eingelegt und die Zugangskavität adhäsiv verschlossen. Aufgrund der im gleichen Termin noch geplanten endodontischen Behandlung von Zahn 16, habe ich die Approximalräume nicht so präzise gestalten können, sodass der distale Kontaktpunkt zu 16 nicht vorhanden ist.

In Zahn 16 waren MB1 und besonders MB2 stark obliteriert, sodass die Gesamtbehandlungsdauer die 3-Stundengrenze knapp erreichte.

Welche Entscheidung treffen Sie im Hinblick auf die weitere Behandlung des 15? Auf die Rückmeldungen bin ich gespannt.

Der weiße Tod

von Jörg Schröder

Wurzelstifte aus Zirkonoxid waren vor ca. 20 Jahren einmal en vogue. Daher stellen diese Stifte in meinem Alltag eher eine seltene Aufgabe dar.

Ich muss zugeben, auch ich habe wenigstens 4 davon eingesetzt. Obwohl ich, wenn ich über einige physikalische Grundsätze nachgedacht hätte, das besser gelassen hätte.

Und so trifft man leider bei der Revisionsbehandlung von mit Keramikwurzelstiften versorgten Zähnen häufig auf Haarrisse, deren Vorhandensein sich der klinischen und radiologischen Diagnostik entzieht.

So auch bei diesem 27. Nach Entfernung der Vollgusskrone galt es zunächst, den um die Zirkonoxidstifte befindlichen Kompositaufbau abzutragen. Dies geschieht mittels kleiner flammenförmiger Diamanten und am Ende mit den von mir sehr geschätzten Munce-Rosenbohrern.

Zur Entfernung der adhäsiv befestigten Zirkonoxidstifte gehe ich genau so vor, wie ich es initial mit gegossenen Stiften mit konischer Geometrie handhabe. Da rotationssymetrisch, sollte das umfassende Komposit, wenn möglich, im zylindrischen Teil vollkommen oder zumindest ca. 270 Grad davon entfernt werden. Anschliessend wird der koronale Stiftanteil mit einem glatten, im Querschnitt runden und recht starren Ultraschallansatz bei mittlere Energiestufe und Wasserkühlung umfahren. Mitunter muss man zwischendurch Teile von abgeplatztem Kompositkleber mittels Endosonore-Ansätzen zerkleinern.

In diesem Fall drehte sich der in DB befestigte Stift schon nach weniger als einer Minute.

Nach der anschliessenden Freilegung des MB1 hatte ich schon eine Ahnung, was mich bei der Inspektion des Pulpakmmerbodens erwarten würde, wenn ich auch den in P befindlichen Stift entfernt hatte. Ein feiner, tief in P hinabreichender Haarriss.Somit fällt der Zahn der Extraktion anheim. Schwacher Trost, dass sich der im DVT erkennbare MB2 an genau der Stelle befand, an der ich ihn vermutet hatte.