Mal ganz normal.

Von Jörg Schröder

Aussergewöhnlich gelöste oder besonders ungewöhnliche Fälle zu präsentieren macht – zumindest mir – besondere Freude. Denn der Lösung einer Behandlungsaufgabe gehen immer Überlegungen zur Behandlungstaktik voraus. Und für mich das Schönste: Mit Überlegung zum Erfolg.

Der Großteil der täglichen Behandlungen ist jedoch recht unspektakulär. Und dennoch müssen auch hier ein paar graue Zellen angestrengt werden um ein ansprechendes Ergebnis zu erzielen. Und sei es auch nur, den für eine ausgeprägte Schmerzsymptomatik verantwortlichen Zahn zu ermitteln und bei vollem Terminkalender im zur Verfügung stehenden Behandlungsfenster das zur Schmerzbeseitigung Notwendige zu tun.

So wie in nachfolgendem Fall.

Nach einer alio loco durchgeführten Neuversorgung des Zahnes 16 persistierten auch nach der in der Praxis des Hauszahnarztes durchgeführten initialen Wurzelkanalbehandlung des Zahnes 16 weiterhin starke Aufbissbeschwerden im rechten Oberkiefer. Auf meine Nachfrage gab die Patientin zudem sehr starke und reizüberdauernde Temperaturmissempfindungen im rechten Oberkiefer an.

Konnte das zu 16 “passen”? Unter der Annahme, dass vielleicht nicht alle Kanalsysteme des ursprünglich vitalen Zahnes 16 instrumentiert worden waren, unter Umständen ja. Die Klinische Untersuchung zeigte die Zähne 15 und 16 extrem berührungsempfindlich. Der leichte Einsatz des Luftbläsers erzeugte bereits starke Beschwerden an 15. Der seiner prothetischen Krone beraubte Zahn 17 war weder berührungs- noch temperaturempfindlich. Bei der Inspektion fiel ein von mesial nach distal verlaufender Haarriss in Zahn 15 auf.



 

Im DVT zeigten sich apikale Aufhellungen an 16 und 17. Im palatinalen Kanal des 16 imponierte ein radioopakes Material, von dem kleine Teile in den extraradikulären Raum verbracht worden waren.

Zahn 15 wies einen durchgehenden Parodontalspalt auf. Aber auch eine tiefe Aufgabelung.

Insgesamt wurde ein dreizeitiges Vorgehen geplant.

Im ersten, kurzfristig eingeräumten Termin am Tag nach der Beratung sollte zunächst der Verlauf des Haarrisses in 15 in Augenschein genommen werden, die vitale Pulpa bis zur Aufgabelung entfernt und der Zahn 16 einzeitig endodontisch behandelt werden. Von einer Aubereitung der apikalen Anteile des 15 wurde aus Zeitgründen abgesehen, um nicht durch unter Zeitdruck getroffene Entscheidungen ein suboptimales Resultat zu erzielen.

Im zweiten Termin sollte Zahn 17 einzeitig behandelt werden. Der Termin hätte, wenn notwendig, aber auch zur Behandlung des 15 verwendet werden können, sofern dieser nach der ersten Intervention nicht beschwerdefrei sein sollte. Was aber aber zum Glück war.

Somit konnte ich mich in einem dritten Termin der tiefen apikalen Gabelung annehmen.

Interessant zu sehen, dass alle unter elektronischer Kontrolle erstellte Messaufnahmen einen deutlichen Längenunterschied zwischen B und P in Relation zum radiologischen Apex zeigten.

 

 

Allerweltsfälle 2 & 3

von Jörg Schröder

Erstbehandlungen kommen in meiner Praxis sehr selten vor. 95% meiner Tätigkeit besteht aus  Re-Dentistry. Wiederholungszahnheilkunde.

Insofern sind die beiden im Folgenden dokumentierten Behandlungen einerseits eine Rarität weil Erstbehandlung, andererseits jedoch Fälle, wie sie täglich hundertfach in deutschen Zahnarztpraxen auftreten.


Eigentlich war letzte Woche die endodontische Behandlung des Zahnes 17 geplant gewesen. Die tiefe Approximalkaries hatte die Pulpa großflächig erreicht und wurde alio loco erstversorgt.

Die Initiative uns zu konsultieren ging vom Patienten aus. Ein Umstand, der laut Patient dazu führte, dass eine kurzfristige Behandlung der kurz nach der Erstbehandlung des 17 -die im übrigen zur Beschwerdefreiheit führte – an Zahn 47 auftretenden pulpitischen Beschwerden für “terminlich nicht realisierbar” befunden wurde.

So mussten wir den zur Behandlung des 17 geplanten Termin kurzfristig mit einem anderen Inhalt füllen.

Nach klinischer Diagnostik (47 mit stark verzögerter Antwort auf den elektrischen Reiz, deutlicher Perkussionsempfindlichkeit bei fehlendem Okklusionskontakt zum Antagonisten, pulpanaher Füllung) und Einschätzung der anamnestisch eruierten Befunde (starke, reizüberdauernde Warmmissempfindung, pulsierende Schmerzen, die die Nachtruhe störten) war die Diagnose einer irreversiblen Pulpitis recht eindeutig.

Nach lokaler Anästhesie und absoluter Trockenlegung konnte eine extrem pulpanahe Füllung, die distolingual nur noch einen Hauch vom Pulpakammerhohlraum entfernt endete und nicht in kariesfreiem Dentin lag, als Ursache ermittelt werden. Der koronale Anteil des Pulpagewebes war bereits nekrotisch. Ca. 2 mm weiter im Kanal befand sich noch vaskularisiertes  Pulpagewebe.

Die Mundöffnung war sehr eingeschränkt, sodass sich die Darstellung der Kanalsysteme und die nachfolgende Aufbereitung als nicht sehr einfach gestaltete. Eine Positionierung des Röntgensensors war aufgrund von geringer Mundöffnung und Platzeinschränkung durch die Kofferdamklammer nach Kofferdamapplikation nicht möglich, sodass die gesamte Behandlung ausschliesslich unter indometrischer Kontrolle durchgeführt wurde. In diesen Fällen kontrolliere ich die Arbeitslänge nach der initialen Bestimmung mittels ISO 008 nach jeweils 3 rotierenden NiTi-Instrumenten händisch mit dem zuletzt verwendeten Durchmesser in einer 4’er Konizität.

Nach Abschluss der Aufbereitung wird die Längenmessung wiederholt und die Einprobe der Masterpoints durchgeführt diese müssen klemmungsfrei die Arbeitslänge ereichen und dennoch einen ausreichenden Tug-Back zeigen. MB und ML konfluierten im mittleren Wurzeldrittel.

Nach Obturation und adhäsivem Verschluss wurde das Ergebnis der radiologischen Kontrolle mit Spannung erwartet.

War ich zufrieden? Sehr! Reiner Instrumentenflug und eine Punktlandung. Fühlte ich mich wohl dabei. Nein!

Daher wurde die Behandlung des 17, weil sich hier der Sensor deutlich unkomplizierter platzieren ließ, nach meinem Standardprotokoll (Messaufnahme, Masterpoint, Kontrolle) durchgeführt. Die endometrische “Zwischenkontrolle” der Arbeitslänge erfolgte zusätzlich wie im Fall des 47.

Erschreckend war, wie sich die bei der Erstversorgung alio loco eingebrachte Füllung im Kastenbereich unter dem Mikroskop darstellte. (Ja, hätte ich die Kofferdamklammer noch einmal kurz gelöst und wieder platziert, hätte das kleine Gingivadreieck abdeckt werden können ;) )

Zeigt sich nun für mich ein Unterschied im Ergebnis zwischen beiden Vorgehensweisen? Nein. Nur das die Überprüfung der Zwischenschritte mir die Zuversicht gibt, ein auch radiologisch perfektes Ergebnis “abliefern” zu können.  Denn daran werden wir gemessen und nicht weniger wird von uns erwartet, wenn Patienten zur endodontischen Behandlung überwiesen werden.

Reproduzierbar sein und gleichbleibende Ergebnisse liefern muss unser tägliches Bestreben sein.

Hyflex Fallbeispiel (3/3)

von Ronald Wecker

Das Standard-Vorgehen bei engen und zugleich deutlich gekrümmten Kanalsystemen sieht den kombinierten Einsatz von ProFile-, Pathfiles- und Hyflex-Instrumenten vor.

ProFiles 15/04, 20/04 und 15/06 für den initialen Gleitpfad. Sofern die Dimension 15/06 mit einigen Rekapitulationen erreicht werden kann, erfolgt die finale Aufbereitung anschließend mit HyFlex-Instrumenten.

Lässt sich die zunächst geschätzte Arbeitslänge so nicht erreichen, werden zum initialen Erschließen der engen Kanalsysteme Path-Files genutzt. (13, 16, 19). Nach endometrischer Bestimmung der Arbeitslänge und nach der Messaufnahme werden wiederum HyFlex-Instrumente eingesetzt.

Eine interessante Variante kanalärer Anatomie waren in vorliegendem Fallbeispiel das Vorhandensein von 3 mesialen Kanalsystemen, sowie die im Backfill zu erahnende Kommunikation von DB undP.

Thunderstruck

Von Bonald Decker

Das auch eine vermeintlich “einfache” Behandlung ihren Reiz haben kann zeigte mir diese Woche der nachfolgende Fall:

Es handelte sich um einen einwurzligen unteren Prämolaren mit einem Wurzelkanalsystem, bei dem eine ehemals pulpapenetrierende Karies ursächlich für eine irreversible Pulpitits war.

Ausgangssituation-Aufnahme alio loco

Ausgangssituation-Aufnahme alio loco

Auch während der Behandlung imponierte der Fall nicht durch irgendwelche Besonderheiten.

Masterpoint-Röntgenaufnahme

Masterpoint-Röntgenaufnahme

Erst die Abschlussaufnahme liess mich “frohlocken”. Schliesslich ist es mit “lateraler Anatomie” wie mit Sternen. Obgleich man weiss, dass sie da sind, sieht man sie nicht immer (bzw. sind wir leider nicht immer in der Lage sie darzustellen)

Abschluss-Röntgenbild nach warm-vertikal verdichteter Wurzelkanalfüllung mit Guttapercha&2Seal

Abschluss-Röntgenbild nach warm-vertikal verdichteter Guttapercha & 2Seal

Beim Anblick der Abschluss-Röntgenaufnahme musste ich spontan an eines meiner Lieblingslieder denken.