von Jörg Schröder
Erstbehandlungen kommen in meiner Praxis sehr selten vor. 95% meiner Tätigkeit besteht aus Re-Dentistry. Wiederholungszahnheilkunde.
Insofern sind die beiden im Folgenden dokumentierten Behandlungen einerseits eine Rarität weil Erstbehandlung, andererseits jedoch Fälle, wie sie täglich hundertfach in deutschen Zahnarztpraxen auftreten.
Eigentlich war letzte Woche die endodontische Behandlung des Zahnes 17 geplant gewesen. Die tiefe Approximalkaries hatte die Pulpa großflächig erreicht und wurde alio loco erstversorgt.
Die Initiative uns zu konsultieren ging vom Patienten aus. Ein Umstand, der laut Patient dazu führte, dass eine kurzfristige Behandlung der kurz nach der Erstbehandlung des 17 -die im übrigen zur Beschwerdefreiheit führte – an Zahn 47 auftretenden pulpitischen Beschwerden für “terminlich nicht realisierbar” befunden wurde.
So mussten wir den zur Behandlung des 17 geplanten Termin kurzfristig mit einem anderen Inhalt füllen.
Nach klinischer Diagnostik (47 mit stark verzögerter Antwort auf den elektrischen Reiz, deutlicher Perkussionsempfindlichkeit bei fehlendem Okklusionskontakt zum Antagonisten, pulpanaher Füllung) und Einschätzung der anamnestisch eruierten Befunde (starke, reizüberdauernde Warmmissempfindung, pulsierende Schmerzen, die die Nachtruhe störten) war die Diagnose einer irreversiblen Pulpitis recht eindeutig.
Nach lokaler Anästhesie und absoluter Trockenlegung konnte eine extrem pulpanahe Füllung, die distolingual nur noch einen Hauch vom Pulpakammerhohlraum entfernt endete und nicht in kariesfreiem Dentin lag, als Ursache ermittelt werden. Der koronale Anteil des Pulpagewebes war bereits nekrotisch. Ca. 2 mm weiter im Kanal befand sich noch vaskularisiertes Pulpagewebe.
Die Mundöffnung war sehr eingeschränkt, sodass sich die Darstellung der Kanalsysteme und die nachfolgende Aufbereitung als nicht sehr einfach gestaltete. Eine Positionierung des Röntgensensors war aufgrund von geringer Mundöffnung und Platzeinschränkung durch die Kofferdamklammer nach Kofferdamapplikation nicht möglich, sodass die gesamte Behandlung ausschliesslich unter indometrischer Kontrolle durchgeführt wurde. In diesen Fällen kontrolliere ich die Arbeitslänge nach der initialen Bestimmung mittels ISO 008 nach jeweils 3 rotierenden NiTi-Instrumenten händisch mit dem zuletzt verwendeten Durchmesser in einer 4’er Konizität.
Nach Abschluss der Aufbereitung wird die Längenmessung wiederholt und die Einprobe der Masterpoints durchgeführt diese müssen klemmungsfrei die Arbeitslänge ereichen und dennoch einen ausreichenden Tug-Back zeigen. MB und ML konfluierten im mittleren Wurzeldrittel.
Nach Obturation und adhäsivem Verschluss wurde das Ergebnis der radiologischen Kontrolle mit Spannung erwartet.
War ich zufrieden? Sehr! Reiner Instrumentenflug und eine Punktlandung. Fühlte ich mich wohl dabei. Nein!
Daher wurde die Behandlung des 17, weil sich hier der Sensor deutlich unkomplizierter platzieren ließ, nach meinem Standardprotokoll (Messaufnahme, Masterpoint, Kontrolle) durchgeführt. Die endometrische “Zwischenkontrolle” der Arbeitslänge erfolgte zusätzlich wie im Fall des 47.
Erschreckend war, wie sich die bei der Erstversorgung alio loco eingebrachte Füllung im Kastenbereich unter dem Mikroskop darstellte. (Ja, hätte ich die Kofferdamklammer noch einmal kurz gelöst und wieder platziert, hätte das kleine Gingivadreieck abdeckt werden können ;) )
Zeigt sich nun für mich ein Unterschied im Ergebnis zwischen beiden Vorgehensweisen? Nein. Nur das die Überprüfung der Zwischenschritte mir die Zuversicht gibt, ein auch radiologisch perfektes Ergebnis “abliefern” zu können. Denn daran werden wir gemessen und nicht weniger wird von uns erwartet, wenn Patienten zur endodontischen Behandlung überwiesen werden.
Reproduzierbar sein und gleichbleibende Ergebnisse liefern muss unser tägliches Bestreben sein.
Der präendodontische Aufbau am Zahn 17 ist wirklich handwerklich hervorragend.
Könnten Sie etwas zu der Technik und den hier verwendeten Materialien sagen?
Beste Grüße,
Markus
Das Vorgehen ist recht unkompliziert und erfordert nur etwas Geduld:
Zunächst baue ich den gingivanahen Bereich mit Hilfe eines sehr hochviskösen und thixotropen Flow-Kompositen auf. Ich benutze Estelite Low-Flow von Tokuyama. Zunächst bringe ich, nach vorheriger Dentinkonditionierung (ich nutze Optibond FL), eine kleine linienförmige Menge des LowFlow auf und forme es mit einer Sonde ziehend dem Kavitätenrand an. Eine Matratze kommt hier noch nicht zum Einsatz. Dann erfolgen 2-5 weitere kleine Schichten, die mittels Kanüle vorgelegt und mittels Sonde ausgeformt werden. Das spielt sich alles deutlich unterhalb des Kontaktpunktes ab. So wächst die Lage von sub-/bzw. äquigingival nach supragingival. Es ist darauf zu achten, dass keine Überschüsse oder unregelmässige Konturen entstehen. Bei sehr dünnen, derartig aufgebauten Wänden verstärke ich vor der nun anzulegenden Segmentmatritze von innen mit Tetric Evo Flow. So kann die Segmentmatritze sicher verkeilt und der Matritzenring gesetzt werden. Der Rest der approximalen Wand ist mittels Evo Flow schnell gestaltet . Dann noch ausarbeiten. Fertig.