„Das allgemeine Berufsbild ist höchst unerfreulich“ Teil 2

von Hans – Willi Herrmann

Von Erich Heinrichs 1949er Buch „Vom Erfolg in der zahnärztlichen Praxis“ hatte ich hier berichtet. Heinrich hatte unter der Überschrift “ Das allgemeine Berufsbild ist höchst unerfreulich“ über den Verlust an Wertschätzung des Zahnarztes durch die Patienten geklagt.

Von den Ursachen dieses Gesinnungswandel berichtet er im nachfolgenden Kapitel „Vertrauenskrisen“.

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„Das allgemeine Berufsbild ist höchst unerfreulich“ oder Früher waren die Patienten noch dankbar und nett

von Hans – Willi Herrmann

OLYMPUS DIGITAL CAMERADie Patienten sind undankbar und früher war alles besser ?

Hierzu ein Auszug aus einem Buch von Dr. Erich Heinrich – Vom Erfolg in der zahnärztlichen Praxis. Von 1949.

Untertitel: Ein Buch über und für Zahnärzte, über die Kunst der Menschenkenntnis und Menschenbehandlung in ihrem Berufe.

p.s.: Und wenn man weiterliest, erfährt man, wer  schuld ist an der Misere. Die Krankenkassen. Dazu nächste Woche mehr.

 

Auslandszahnersatz: „Die Farbe des Geldes“ oder „Schneller als gedacht“

von Hans – Willi Herrmann

Auslandszahnersatz.

In den Anfangstagen von WURZELSPITZE, im Februar 2009,  habe ich zu diesem Thema unter der Überschrift Auslandszahnersatz – Hart aber fair ? geschrieben.
Die Resonanz auf den Blogbeitrag war gering, von Zahntechniker – Seite minimal bis „gefühlt nicht vorhanden“.
Eine erste Entwicklungseinschätzung von offizieller Seite gab es dann  hier im August 2009. Die Zuschriften auf diesen Beitrag  hierzu zumeist von Labors, die mehr oder weniger verdeckt im Sinne eines viralen Guerilla Marketings für ihr Auslandszahnersatz – Engagement  werben wollten.

Und heute ? Knapp 2 Jahre später scheint sich der billigere Zahnersatz bereits etabliert zu haben. Etabliert – nicht nur im Sinne von, „Ja das gibt es“, sondern im Sinne von, „Ja, dass machen wir, Herr Müller Maier Schmidt, selbstverständlich“.

Billigerer Zahnersatz als Verkaufsargument der Praxis,  zumindest als willkommener Türöffner im Sinne einer Fielmann – Preispolitik. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand.  Zahntechnik (sofern nicht im Eigenlabor der Zahnarztpraxis hergestellt, an dem der Praxisinhaber gewinnschöpfend partizipieren kann) wird ja,  finanziell gesehen, durchgereicht.
Jede Zahntechnik – Arbeit, ganz gleich ob in Manila  oder Wolfenbüttel gefertigt, generiert allerdings Mehrumsatz auf zahnärztlicher Seite.
Besteht daher in der Zahnarztpraxis  keine Vollauslastung, sind also noch Zuwachsreserven vorhanden,  ist dem Kollegen vielleicht die Butter auf dem Brot näher als die Wurst vor der Nase, zumal  letztere für den Praxisbetreiber scheinbar keinen höheren Nährwert aufweist. Auslandszahnersatz wird heutzutage von einer Reihe von Zahnarztpraxen aktiv beworben, zumindest jedoch auf Wunsch des Patienten als „normale“ Produktvariante geliefert. Und – je mehr gute Erfahrungen der Zahnarzt mit einer solchen Versorgung bislang gemacht hat, umso vorbehaltloser wird er eine solche Variante vertreten, gegebenfalls sogar enthusiatisch anbieten.

„Zahnersatz aus der Mitte“  scheint also in unserer Mitte angekommen.
Als Indiz hierfür  ein Branchenbericht der ortsansässigen Volksbank:

Ich zitiere einen (in sich ungekürzten) Teil des Reports :

„Es scheint sich abzuzeichnen, dass vor allem die Herstellung einfachen, niedrigpreisigen Zahnersatzes nach Asien auswandert. Gleichzeitig hat der „Zahntourismus” nach Osteuropa einen wahrnehmbaren Marktanteil erreicht. Bei hochwertigen und komplexen Versorgungen, vor allem in der Implantologie, wird weiterhin die spezialisierte Arbeitsteilung zwischen Zahnarzt und Zahntechniker im Zentrum prothetischer Dienstleistungen stehen. Das sind neue, aber nicht unbedingt schlechte Voraussetzungen, um in einem umkämpften und im Umbruch befindlichen Markt perspektivisch bestehen zu können.

In erster Linie kommt es für den Zahntechniker darauf an, die Probleme und Erfordernisse seiner Kunden zu kennen und zu überlegen, wie er zum Problemlöser bei der Generierung prothetischer Umsätze werden kann. Hierzu sind ständiger Kontakt und das Gespräch mit den Zahnarztpraxen unabdingbar. So ist z.B. zu erkennen, dass die Zahnärzte besonders beim Zahnersatz einem härteren Wettbewerb ausgesetzt sind. Die Zahl der Patienten, die sich eine hochwertige Zahnersatzlösung nicht leisten können oder wollen, nimmt gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu. Hier ist es erforderlich, dem Zahnarzt nicht nur Premiumlösungen, sondern auch für den Großteil der Patienten bezahlbaren Zahnersatz anbieten zu können.

Bisher scheint für viele Zahnärzte die Lösung beim preisgünstigen Zahnersatz aus dem Ausland zu liegen. Doch zunehmend lohnt es sich für Dentallabore, sich mit neuen Technologien und Materialien zu beschäftigen. CAD/CAM-Systeme und Fräszentren bieten mittlerweile den deutschen Labors viele Möglichkeiten, hochwertigen Zahnersatz in Deutschland günstig herzustellen und damit gegen die Auslandskonkurrenz zu bestehen. Darauf zu vertrauen, dass immer wieder gestartete Versuche, Zahnersatz aus Ostasien pauschal als minderwertig dazustellen, ist riskant und wohl auf Dauer nicht tragfähig. Die Anbieter qualifizieren ihre Mitarbeiter nach westlichen Standards. Materialien und Geräte, die dort eingesetzt werden, stammen in der Regel aus Europa oder werden nach europäischen Regeln zertifiziert, sind also auch in deutschen Labors zu finden.

Konkurrenz erwächst den Dentallabors nicht nur aus dem Ausland, sondern auch im Inland durch (industriebasierte) Fräszentren. Sie gehen direkt auf die Zahnärzte mit dem Angebot zu, zahntechnische Wertschöpfung, nicht zuletzt mit Hilfe der digitalen Abformung, in die Zahnpraxis zu verlagern. Ob dieses Angebot für die Zahnärzte lukrativ ist, wird auch vom marktgerechten Alternativangebot der Dentallabors abhängen.“

Und die nächste Runde des Preiskampfes ist bereits eingeleitet.

Vor zwei Wochen brachte ein Privatpatient ein Schreiben einer privaten Krankenversicherung mit, dass dem Kostenvoranschlag des Zahnlabors, der jeder unserer Heil – und Kostenpläne beiliegt, ein Alternativangebot zweier Auslandszahnersatz – Labors gegenüberstellte: Anvisierte Kostenersparnis ? 2 Drittel.

Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass eine nicht unbedeutende Zahl von Patienten solche Alternativen in Anspruch nehmen wird und  demnach der Zahnarzt sich mit der Situation konfrontiert sieht, mit besagten Labors zusammenzuarbeiten. Das Problem, daß sich daraus ergibt: Nachwievor rate ich jedem Kollegen, den  Erfolg seiner Zahnarztpraxis  darin zu suchen, eine möglichst hohe Qualität zu liefern. Dies mit einem Labor zu erreichen, daß viele 1000 Kilometer entfernt ist, erscheint mir, zurückhaltend formuliert – schwierig, realistisch eingeschätzt –  unmöglich.

Erschwerend kommt hinzu: Das Preisgefüge in der Zahntechnik wird sich zwangsläufig weiter nach unten bewegen als Folge des Konkurrenzdrucks, ganz gleich ob durch Menschen in Schwellenländern oder CNC Fräsmaschinen verursacht.
Selbst wer es als Zahntechniker schafft, seine Preise zu halten, der sieht sich zumindest einer wesentlich höheren Konkurrenzsituation ausgesetzt.

Der Druck nimmt also weiter zu.

Es wäre naiv, zu glauben, dass dies nicht mit negativen Folgen verbunden wäre, selbst wenn diese sich nicht in Tabellen pressen, sich nicht  aus Statistiken herauslesen lassen.

Und – was für Zahntechniker gilt, das gilt auch, zeitversetzt, für Zahnärzte.
Wer glaubt, dass eine solche Entwicklung isoliert die Zahntechnik betrifft und die Zahnärzte davon verschont bleiben, der hat nicht verstanden, dass es hier um Kostensparmodelle geht, die vollkommen unabhängig von der tatsächlichen Versorgungsituation lediglich an ihrem Einsparbenefit bewertet werden.

Der Grund ist einfach. Die Kostenersparnis ist sofort gegenwärtig und messbar. Damit verbundene Qualitätsdefizite sind  nicht zu erfassen und in ihren Auswirkungen zeitverzögert.

Was resultiert daraus ?
Die Zahnmedizin befindet sich, in ihrer Gesamtheit betrachtet, auf dem Weg zu einem niedrigeren Qualitätslevel.

Die Konsequenz ?
Mut zur Lücke. Und das ist kein flapsiges Bonmot, sondern  schon bald auch bei uns eine ebenso reale Situation wie der Zahntechnikimport.

Wer sind die Verlierer ? Es sind Zahntechniker, Zahnärzte, vor allem jedoch die Patienten. Letztere trifft es am schlimmsten, denn es geht nicht um ihren Geldbeutel, sondern um ihre körperliche Integrität.

Wie immer in solchen Fällen wird die Politik die Eigenverantwortlichkeit der Patienten hervorheben. Soll heißen,wenn Du Löcher hast, Zahnfleischprobleme oder gar ein Gebiss, dann bist du selber schuld daran.

Was soll man darauf antworten ?
Natürlich beinhaltet diese Aussage einen  wahren Kern. Wer allerdings sich mit der Zahnmedizin genauer befasst, der weiss, dass diese monokausale Argumentation an der Pathologie und der Eigendynamik dentaler Erkrankungen vorbeigeht, zu kurz greift.
Und ein fachlich geschulter näherer Blick auf das von Kameras eingefangene Talk Show – Lächeln vieler Politiker entlarvt die in Zeiten knapper Kassen vielbeschworene Eigenverantwortlichkeit als („offensichtlich“ im wörtlichen Sinne) kurz gebeinte Worthülse, die man nur dann so ansatzlos aus der Pistole geschossen heraus  postulieren kann, wenn man sich selbst weit weit auf der sicheren Seite der zahnärztlichen Versorgung positioniert weiß.

ZE -Gesamtplanung

von Hans – Willi Herrmann

Die Patientin war vor einiger Zeit umgezogen.
Ihr neuer Zahnarzt  überwies sie nun wegen einer Fistel in Regio 47.
Neuer Zahnersatz steht an.
Im Oberkiefer und eventuell auch im Unterkiefer.

Im angefertigten Zahnfilm zeigte sich eine apikale  Aufhellung.

Kann der Zahn 47 erhalten werden ? Das war die Frage des Überweisers.

Die Chancen dazu stehen gut.

Dann der  Blick auf das mitgeschickte OPG.

9 Zähne sind wurzelkanalbehandelt. Nur zwei davon, von ihrem röntgenologischen Erscheinungsbild her, akzeptabel.
Was nichts heißen muss.

Fakt ist jedoch, daß die anderen 7 Wurzelfüllungen den Richtlinien zur Versorgung mit Kronen bei einer bei der  Patientin anstehenden Zahnersatzversorgung nicht entsprechen.

Wie also verfahren ?

Sollten, nein müssten nicht diese Wurzelkanalfüllungen vor ZE – Neuversorgung allesamt revidiert werden ?

Falls ja, wer trägt die Kosten ?

Die GKV ? Wie sind die Therapierichtlinien der gesetzlichen Krankenkassen ?

7 mal Wurzelspitzenresektion ?
Mit welcher Erfolgsprognose ?

Oder doch 7 mal Extraktion und ein herausnehmbarer Zahnersatz im Ober- und Unterkiefer für eine 29 jährige Patientin, die im Übrigen nicht den Eindruck macht, dass sie ihre Zähne gedankenlos hat verkommen lassen, sondern möglicherweise lediglich  einem subqualifizierten Behandler ihr Vertrauen geschenkt hat.

Wie also verfahren ?

Ich frage dies, weil aus zahnmedizinischer Sicht die Revision indiziert und die Erfolgswahrscheinlichkeit zwar nicht 100%ig vorhersagbar, aber deswegen nicht schlecht sein muss.

Besagte Zähne sind definitiv erhaltungswürdig. Ob sie erhaltungsfähig sind, hängt davon ab, was wir im Zahn vorfinden und ob wir diese Situationen meistern können.

Sollte man diesen Versuch also wagen ? Auf jeden Fall.

Und jetzt nehmen wir einmal an, die Behandlung hätte Erfolg.
Man würde erwarten, dass die Krankenkassen ihrem erfolgreich behandelten Mitglied, welches jeden Monat einen nicht unerheblichen Geldbetrag zur Finanzierung des Solidarsystems überweist, im Erfolgsfalle eine Kostenübernahme einräumen würden. Dass im Falle eines Misserfolges nichts gezahlt wird, ist klar.

Aber wie sieht es aus, wenn die Behandlung nachgewiesenermaßen erfolgreich verläuft. Im Falle des 47, bei vollständiger Rückbildung der apikalen Aufhellung.

Volle Kostenübernahme ?
Keineswegs.

Der Patient versteht die Welt nicht mehr.

Die Kosten der 9 Wurzelkanalbehandlungen, die alio loco durchgeführt wurden, wurden vollständig übernommen.

„Da stimmt doch was nicht“, sagt die Patientin.
Ich kann ihr nicht widersprechen.