Auslandszahnersatz: “Die Farbe des Geldes” oder “Schneller als gedacht”

von Hans – Willi Herrmann

Auslandszahnersatz.

In den Anfangstagen von WURZELSPITZE, im Februar 2009,  habe ich zu diesem Thema unter der Überschrift Auslandszahnersatz – Hart aber fair ? geschrieben.
Die Resonanz auf den Blogbeitrag war gering, von Zahntechniker – Seite minimal bis “gefühlt nicht vorhanden”.
Eine erste Entwicklungseinschätzung von offizieller Seite gab es dann  hier im August 2009. Die Zuschriften auf diesen Beitrag  hierzu zumeist von Labors, die mehr oder weniger verdeckt im Sinne eines viralen Guerilla Marketings für ihr Auslandszahnersatz – Engagement  werben wollten.

Und heute ? Knapp 2 Jahre später scheint sich der billigere Zahnersatz bereits etabliert zu haben. Etabliert – nicht nur im Sinne von, “Ja das gibt es”, sondern im Sinne von, “Ja, dass machen wir, Herr Müller Maier Schmidt, selbstverständlich”.

Billigerer Zahnersatz als Verkaufsargument der Praxis,  zumindest als willkommener Türöffner im Sinne einer Fielmann – Preispolitik. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand.  Zahntechnik (sofern nicht im Eigenlabor der Zahnarztpraxis hergestellt, an dem der Praxisinhaber gewinnschöpfend partizipieren kann) wird ja,  finanziell gesehen, durchgereicht.
Jede Zahntechnik – Arbeit, ganz gleich ob in Manila  oder Wolfenbüttel gefertigt, generiert allerdings Mehrumsatz auf zahnärztlicher Seite.
Besteht daher in der Zahnarztpraxis  keine Vollauslastung, sind also noch Zuwachsreserven vorhanden,  ist dem Kollegen vielleicht die Butter auf dem Brot näher als die Wurst vor der Nase, zumal  letztere für den Praxisbetreiber scheinbar keinen höheren Nährwert aufweist. Auslandszahnersatz wird heutzutage von einer Reihe von Zahnarztpraxen aktiv beworben, zumindest jedoch auf Wunsch des Patienten als “normale” Produktvariante geliefert. Und – je mehr gute Erfahrungen der Zahnarzt mit einer solchen Versorgung bislang gemacht hat, umso vorbehaltloser wird er eine solche Variante vertreten, gegebenfalls sogar enthusiatisch anbieten.

“Zahnersatz aus der Mitte”  scheint also in unserer Mitte angekommen.
Als Indiz hierfür  ein Branchenbericht der ortsansässigen Volksbank:

Ich zitiere einen (in sich ungekürzten) Teil des Reports :

“Es scheint sich abzuzeichnen, dass vor allem die Herstellung einfachen, niedrigpreisigen Zahnersatzes nach Asien auswandert. Gleichzeitig hat der „Zahntourismus” nach Osteuropa einen wahrnehmbaren Marktanteil erreicht. Bei hochwertigen und komplexen Versorgungen, vor allem in der Implantologie, wird weiterhin die spezialisierte Arbeitsteilung zwischen Zahnarzt und Zahntechniker im Zentrum prothetischer Dienstleistungen stehen. Das sind neue, aber nicht unbedingt schlechte Voraussetzungen, um in einem umkämpften und im Umbruch befindlichen Markt perspektivisch bestehen zu können.

In erster Linie kommt es für den Zahntechniker darauf an, die Probleme und Erfordernisse seiner Kunden zu kennen und zu überlegen, wie er zum Problemlöser bei der Generierung prothetischer Umsätze werden kann. Hierzu sind ständiger Kontakt und das Gespräch mit den Zahnarztpraxen unabdingbar. So ist z.B. zu erkennen, dass die Zahnärzte besonders beim Zahnersatz einem härteren Wettbewerb ausgesetzt sind. Die Zahl der Patienten, die sich eine hochwertige Zahnersatzlösung nicht leisten können oder wollen, nimmt gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu. Hier ist es erforderlich, dem Zahnarzt nicht nur Premiumlösungen, sondern auch für den Großteil der Patienten bezahlbaren Zahnersatz anbieten zu können.

Bisher scheint für viele Zahnärzte die Lösung beim preisgünstigen Zahnersatz aus dem Ausland zu liegen. Doch zunehmend lohnt es sich für Dentallabore, sich mit neuen Technologien und Materialien zu beschäftigen. CAD/CAM-Systeme und Fräszentren bieten mittlerweile den deutschen Labors viele Möglichkeiten, hochwertigen Zahnersatz in Deutschland günstig herzustellen und damit gegen die Auslandskonkurrenz zu bestehen. Darauf zu vertrauen, dass immer wieder gestartete Versuche, Zahnersatz aus Ostasien pauschal als minderwertig dazustellen, ist riskant und wohl auf Dauer nicht tragfähig. Die Anbieter qualifizieren ihre Mitarbeiter nach westlichen Standards. Materialien und Geräte, die dort eingesetzt werden, stammen in der Regel aus Europa oder werden nach europäischen Regeln zertifiziert, sind also auch in deutschen Labors zu finden.

Konkurrenz erwächst den Dentallabors nicht nur aus dem Ausland, sondern auch im Inland durch (industriebasierte) Fräszentren. Sie gehen direkt auf die Zahnärzte mit dem Angebot zu, zahntechnische Wertschöpfung, nicht zuletzt mit Hilfe der digitalen Abformung, in die Zahnpraxis zu verlagern. Ob dieses Angebot für die Zahnärzte lukrativ ist, wird auch vom marktgerechten Alternativangebot der Dentallabors abhängen.”

Und die nächste Runde des Preiskampfes ist bereits eingeleitet.

Vor zwei Wochen brachte ein Privatpatient ein Schreiben einer privaten Krankenversicherung mit, dass dem Kostenvoranschlag des Zahnlabors, der jeder unserer Heil – und Kostenpläne beiliegt, ein Alternativangebot zweier Auslandszahnersatz – Labors gegenüberstellte: Anvisierte Kostenersparnis ? 2 Drittel.

Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass eine nicht unbedeutende Zahl von Patienten solche Alternativen in Anspruch nehmen wird und  demnach der Zahnarzt sich mit der Situation konfrontiert sieht, mit besagten Labors zusammenzuarbeiten. Das Problem, daß sich daraus ergibt: Nachwievor rate ich jedem Kollegen, den  Erfolg seiner Zahnarztpraxis  darin zu suchen, eine möglichst hohe Qualität zu liefern. Dies mit einem Labor zu erreichen, daß viele 1000 Kilometer entfernt ist, erscheint mir, zurückhaltend formuliert – schwierig, realistisch eingeschätzt –  unmöglich.

Erschwerend kommt hinzu: Das Preisgefüge in der Zahntechnik wird sich zwangsläufig weiter nach unten bewegen als Folge des Konkurrenzdrucks, ganz gleich ob durch Menschen in Schwellenländern oder CNC Fräsmaschinen verursacht.
Selbst wer es als Zahntechniker schafft, seine Preise zu halten, der sieht sich zumindest einer wesentlich höheren Konkurrenzsituation ausgesetzt.

Der Druck nimmt also weiter zu.

Es wäre naiv, zu glauben, dass dies nicht mit negativen Folgen verbunden wäre, selbst wenn diese sich nicht in Tabellen pressen, sich nicht  aus Statistiken herauslesen lassen.

Und – was für Zahntechniker gilt, das gilt auch, zeitversetzt, für Zahnärzte.
Wer glaubt, dass eine solche Entwicklung isoliert die Zahntechnik betrifft und die Zahnärzte davon verschont bleiben, der hat nicht verstanden, dass es hier um Kostensparmodelle geht, die vollkommen unabhängig von der tatsächlichen Versorgungsituation lediglich an ihrem Einsparbenefit bewertet werden.

Der Grund ist einfach. Die Kostenersparnis ist sofort gegenwärtig und messbar. Damit verbundene Qualitätsdefizite sind  nicht zu erfassen und in ihren Auswirkungen zeitverzögert.

Was resultiert daraus ?
Die Zahnmedizin befindet sich, in ihrer Gesamtheit betrachtet, auf dem Weg zu einem niedrigeren Qualitätslevel.

Die Konsequenz ?
Mut zur Lücke. Und das ist kein flapsiges Bonmot, sondern  schon bald auch bei uns eine ebenso reale Situation wie der Zahntechnikimport.

Wer sind die Verlierer ? Es sind Zahntechniker, Zahnärzte, vor allem jedoch die Patienten. Letztere trifft es am schlimmsten, denn es geht nicht um ihren Geldbeutel, sondern um ihre körperliche Integrität.

Wie immer in solchen Fällen wird die Politik die Eigenverantwortlichkeit der Patienten hervorheben. Soll heißen,wenn Du Löcher hast, Zahnfleischprobleme oder gar ein Gebiss, dann bist du selber schuld daran.

Was soll man darauf antworten ?
Natürlich beinhaltet diese Aussage einen  wahren Kern. Wer allerdings sich mit der Zahnmedizin genauer befasst, der weiss, dass diese monokausale Argumentation an der Pathologie und der Eigendynamik dentaler Erkrankungen vorbeigeht, zu kurz greift.
Und ein fachlich geschulter näherer Blick auf das von Kameras eingefangene Talk Show – Lächeln vieler Politiker entlarvt die in Zeiten knapper Kassen vielbeschworene Eigenverantwortlichkeit als (“offensichtlich” im wörtlichen Sinne) kurz gebeinte Worthülse, die man nur dann so ansatzlos aus der Pistole geschossen heraus  postulieren kann, wenn man sich selbst weit weit auf der sicheren Seite der zahnärztlichen Versorgung positioniert weiß.

Auf den Hund gekommen

von Hans – Willi Herrmann

Es gibt viele Aspekte, unter denen man diese Homepage einer Zahnarztpraxis in USA betrachten kann. La Jolla ist ein “Vorort” von San Diego. Ich war dort vor einigen Jahren, als ich, um Fotos zu machen, mit einem Freund und Kollegen zusammen zu Louis Kahn ´s  Salk Institute pilgerte. Ich möchte daher aus eigener Erfahrung sagen, La Jolla ist ganz gewiss “keine schlechte Gegend”, sicherlich aber auch ein Flecken auf dieser Erde, in der die Zahnärztedichte deutlich  überdurchschnittlich  ist.
Die Konkurrenz ist also nicht unbedeutend und Service ist gefragt.
Oder gefordert.
Aber manchmal treiben solche  Entwicklungen  skurrile Blüten.  Ob das hier der Fall ist, kann nur jeder für sich selbst entscheiden.

Für mich ist die gesamte Homepage – und die Zahnmedizin, die dort beschrieben wird in ihrem Äußeren, ihrem Tun und  der Resonanz auf das dort Beschriebene und Praktizierte – gewissermaßen einen Blick in die Zukunft, die deutsche Zahnmedizin betreffend. Und dabei geht es mir nicht um das Video per se. Wer die Homepage sorgfältig studiert, der wird viele Dinge entdecken, die, vielleicht in abgeschwächter Form, aber dennoch nachhaltig unsere Profession betreffend, in ein paar Jahren Einzug halten werden in deutschen Praxen.

Eine gute Entwicklung ?
Werden wir  sie aufhalten können ?
Selbst wenn man sich im Einzelfall dagegen stemmen kann, in der Masse sicherlich nicht.

Brave new world ?
Wenn ich dran denke, wie immer mehr wichtige Aspekte, elementare Dinge, den wahren Wert ärztlichen Handelns betreffend, in den Hintergund treten gegenüber Äußerlichkeiten, dann möchte ich Max Liebermann  zitieren, mit einem Satz, der oft Kurt Tucholsky zugeschrieben wird.

Aber natürlich wäre das viel zu hart formuliert. Und daher sage ich, ich mag diese Entwicklung nicht und werde sie auch nie gutheißen.

Kann aber sein, dass es einfach nur daran liegt,  dass ich langsam alt werde.

Zahnarzt in Deutschland — Nichts wie weg!

von Torsten Hatzky

Ich bin einer von den vielen Zahnärzten, die Deutschland den Rücken gekehrt haben. Wie kam es dazu? Zunächst erst mal etwas zu mir, meiner Berufsauffassung, meiner Zeit in Deutschland.

Ich bin als Mensch sehr freiheitsliebend, halte mich aber trotzdem genau an Regeln.  Nur müssen die Regeln für mich nachvollziehbar und vernünftig sein. Im Beruf gilt deshalb nur das, was man gemeinhin als „lege artis“ bezeichnet. Auch habe ich die Macke, dass ich mich gern über die Ergebnisse meiner Arbeit freue. Hier und da Kompromisse einzugehen, bereitet mir immer Bauchweh und ich vermeide es vorzugsweise. Da ich seit 1993 eine reine Privatpraxis führte, konnte ich mir das leisten. Fachlich bin ich Generalist, praktiziere eine sehr systematische Zahnheilkunde, bin stark zahnerhaltend tätig, etwas Paro, etwas KFO. Ich arbeite gnathologisch und auch ein klein wenig „ganzheitlich“ orientiert. Wenig Chirurgie, keine Implantate. Einen ganz wesentlichen Schwerpunkt bildet natürlich die Endodontie.

Bis Ende 2008 ging das über fast 15 Jahre sehr gut. Finanziell sah es jedoch in den letzten Jahren schon nicht mehr so gut aus. Der Praxisgewinn sank kontinuierlich, trotz stetig gestiegener Patienten- und Umsatzzahlen.

Als dann der Steuerberater immer deutlicher mahnte und wir feststellten, dass immer mal wieder am Ende vom Geld noch relativ viel Monat übrig war, haben wir zunächst bei den Privat- und Praxisausgaben einen rigiden Sparkurs eingeschlagen. Die Zahl der wöchentlichen Behandlungsstunden wurde erhöht, der Urlaub gekürzt. Leider war der Erfolg nur von kurzer Dauer. Dann haben wir über allerlei Maßnahmen wie z.B. Zusatzeinkommen außerhalb der Praxis nachgedacht – leider erfolglos! Eine Honoraranpassung über §2Absatz3 GOZ  erwies sich als Flop. Da offenbar viele meiner Patienten selbst am finanziellen Limit lebten, reagierten sie oft recht unerfreut, wenn die Krankenversicherung nicht alles übernahm. Es deutete für mich vieles darauf hin, dass in Deutschland vor allem der Mittelstand, und dazu gehörten nahezu alle meiner Patienten, finanziell nicht weiter belastbar war. Schließlich haben wir sogar einen Unternehmensberater zu Rate gezogen. Sein Rezept: die Kassenverträge, die ich Ende1992 freiwillig gekündigt hatte, wieder aufzunehmen,  sonst sei nichts zu machen. Alles andere sei ausgereizt.  Aber wann sollte ich die zusätzlichen Patienten behandeln?  Ich war ja bereits zu fast 100% ausgebucht. Also zukünftig Sprechzeiten bis 22 Uhr? Auch samstags? Und  das Behandlungstempo massiv erhöhen, selbst wenn es zu Lasten der Qualität ginge?

Nun war also endgültig Schluss mit lustig. Und Schuld hatte die Politik.

Ich konnte mir ausrechnen: hätte man die GOZ  über die vielen Jahre seit 1988, wie ursprünglich versprochen, an die Teuerungsrate und die beträchtliche Steigerung der Praxiskosten angepasst, hätte ich keinerlei Sorgen. Hoffen auf eine Änderung?  Mit etwas Nachdenken, wurde mir klar: Vergebens! Zu hoch ist der Schuldenberg bei Bund, Ländern, Gemeinden sowie bei der gesetzlichen Krankenversicherung. Kein Interesse seitens der PKV. Und da es offensichtlich kaum noch Politiker mit wirklichen Visionen, sondern überwiegend profillose Sachwalter gibt, die vor allem Anderen an Ihrem Amt kleben, wird wohl frühestens etwas passieren, wenn es zu spät ist, d.h. wenn ein deutlicher Mangel an Zahnärzten herrscht und Unmut in der Bevölkerung  aufkommt. Erst dann macht es ja aus der Sicht eines  Politikers Sinn, tätig zu werden. Denn nun kann er sich profilieren, kann seine Wichtigkeit unter Beweis stellen. Das wird bei der derzeitigen Versorgungslage wohl noch 10 Jahre dauern. Eigentlich traurig, aber so funktioniert Politik in Deutschland. Siehe hierzu auch diese lesenswerten Beiträge bei Wurzelspitze:

„must have“ oder „want have“ ? Zahnmedizin ist wichtig, keine Frage….

Veränderung als Chance ? Die Zukunft im Gesundheitswesen

Prognose eines Wirtschaftswissenschaftlers

Germany – the „Mystery Country“

So lang konnte ich nicht mehr warten. Also blieb nur noch die Möglichkeit des Auswanderns!

Es gab auch noch weitere Gründe für diesen Schritt. Einer war, dass meine Frau und ich uns für unsere Tochter, die damals kurz vor dem Abitur stand, ein Land für Ihren weiteren Lebensweg wünschten, in dem sie bessere Möglichkeiten für ein erfolgreiches und glückliches Leben hatte. Stattdessen war immer öfter in den Medien zu hören und zu lesen, dass gerade die jetzt heranwachsende junge Generation in Deutschland ganz besonders schlechte Rahmenbedingungen für ihr Vorrankommen hat.  Sie sind diejenigen, die am meisten unter den gigantischen Schuldenbergen leiden müssen, die ihre Vorgängergeneration aufgetürmt hatten.

Aber auch das allgemeine gesellschaftliche Klima in Deutschland hat unsere Entscheidung mit beeinflusst. Ich bin nämlich ein Mensch, der sehr aufmerksam die Stimmung seiner Mitmenschen registriert. Auch lasse ich mich leicht mitziehen, was nicht gerade dienlich ist, zumindest, wenn es bergab geht. Ich beobachtete schon seit Ende der 90er Jahre, dass die Stimmung  in Deutschland kontinuierlich schlechter wurde. In diesem Zusammenhang ist wohl der schon oft zitierte „Niedergang der Mittelklasse“ als Hauptstütze der deutschen Gesellschaft von großer Bedeutung.

Im Übrigen stand ich ja nicht allein mit dieser Auffassung da. Mittlerweile gab es schon zahlreiche Fernsehbeiträge zum Thema Auswanderung, die wir mit großem Interesse verfolgten. Die Protagonisten der Serien sind teilweise schon richtige Fernsehstars. Konny Reimann ist zum Urvater einer neuen Auswanderungswelle avanciert. Viele der Beiträge zeigten:  Wenn man es richtig macht und bereit ist, etwas dafür zu tun, kann man an vielen Orten der  Welt den Erfolg haben, der einem in Deutschland aufgrund schlechter Rahmenbedingungen versagt bleibt.

So fing ich an, nach Möglichkeiten in anderen Ländern zu suchen.  Dank Internet ist das leicht vom heimischen Schreibtisch aus möglich. Immer öfter erschienen auch  in der zahnmedizinischen Fachpresse Artikel über die Zahnmedizin in anderen Ländern. Ergebnis: es gibt in vielen Regionen der Welt Möglichkeiten, als Zahnarzt tätig zu werden. Der Ruf deutscher Mediziner ist dank hoher Ausbildungsstandards generell sehr gut.

Doch leider bin ich sprachlich ziemlich unbegabt. Und Zahnmedizin in einer ungewohnten Sprache auszuüben, stelle ich mir sehr schwer vor. Zu sehr kommt es bei der Befragung der Patienten auf feine sprachliche Nuancen an. Zudem bin ich inzwischen nicht mehr der Jüngste und es stellt sich die Frage: Lohnt sich das eigentlich? Da aber laut Aussage meines Steuerberaters meine Lage  in den kommenden Jahren doch recht zielstrebig in Richtung Insolvenz steuerte, bestand Handlungsbedarf.

Es blieb also für mich nur das deutschsprachige Ausland: Österreich und die Schweiz. Recht schnell fiel Österreich raus. Die zahnärztliche Besiedelung ist mehr als reichlich. Nicht einmal jeder österreichische Zahnarzt bekam eine Zulassung zum staatlichen Gesundheitswesen, ohne die es wohl dort kaum möglich ist zu überleben. Als reiner Privatzahnarzt hat man ganz besonders geringe Chancen.

Fortan lag mein Fokus also auf der Schweiz. Zahnmedizin dort ist überwiegend Privatsache, d.h. die Patienten bezahlen aus eigener Tasche. Nur wenige haben eine private Zahnversicherung. Das dortige Gebührensystem, der „Schweizer Zahntarif“, ist genial, fachlich topaktuell!  Die Preise sind nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten kalkuliert. Bei den wesentlichen Leistungen kann das Honorar nach individuellem Schwierigkeitsgrad  vom Zahnarzt in gewissen Grenzen angepasst werden. PZR, Deep Scaling und Endo-Revisionen werden rein nach Zeitaufwand berechnet.  Darüber hinaus legt jeder Zahnarzt den Taxpunktwert, mit dem die für jede Leistung festgelegte Punktzahl multipliziert wird, als praxisspezifische Kalkulationsgrundlage selbst fest.

Nur Sozialhilfeempfänger und wenige, finanziell  besonders schlecht gestellte Rentner bekommen Zuschüsse von der öffentlichen Hand oder von der Rentenversicherung.  Dieser Personenkreis, sowie Patientenfälle, die infolge von Unfallschäden zulasten einer Unfallversicherung abgerechnet werden, müssen zu einem deutlich niedrigeren Taxpunktwert, der zurzeit nicht mehr ganz kostendeckend ist, behandelt werden. Glücklicherweise sind es nur wenige Prozent des Behandlungsaufkommens, für die diese Regeln gelten. Das alles überzeugte mich und es begann die Suche nach einer geeigneten Praxis.

Recht schnell war klar: Für eine Praxisübernahme hatte ich nicht mehr genug Geld, denn die Hoffnung  auf einen Verkauf meiner bisherigen Praxis war gering. Es gab zu wenig Interessenten  für die große Zahl der angebotenen Praxen. Zu diesem Zeitpunkt wurden in Deutschland Praxisübernahmen von Banken nur noch in seltenen Fällen finanziert. Dafür waren die Praxen in der Schweiz dank großer Nachfrage von deutschen Zahnärzten sehr teuer.

Es blieb für mich also nur die Neugründung als einzige Lösung.

Immerhin konnte ich in diesem Fall meine recht gute Praxiseinrichtung  weiter verwenden. So habe ich die zuständigen Kantonszahnärzte (ein wenig vergleichbar mit  der Stellung der Landeszahnärztekammer in Deutschland) angeschrieben und nach eventuell noch unterversorgten Gebieten nachgefragt. Man riet mir überall ab und empfahl mir, wenn überhaupt, nur eine Praxisübernahme anzustreben. Auch einige mir bekannte Kollegen, die schon früher in die Schweiz gegangen waren, haben uns gewarnt: Die Schweiz ist kein unterversorgtes Gebiet! Eine Neugründung ist in aller Regel nicht zu empfehlen, je nach Region sei  sie sogar finanzieller Selbstmord.

Trotzdem ließ ich mich nicht gleich entmutigen. Ich recherchierte auf eigener Faust im Internet. Ich habe Zahnarztdichte und Bevölkerungszahlen für alle wesentlichen Regionen der Deutschschweiz  abgeglichen. Es galt nun eine Gegend zu finden, in der inklusive einer weiteren Praxis möglichst mehr als 2000 Einwohner auf einen Zahnarzt kamen. Nach wochenlanger Suche habe ich dann tatsächlich eine kleine Region gefunden, die noch Potential zu haben schien. Telefonate mit den Finanzierungsberatern zweier Banken der Region brachten die Bestätigung. Ich hatte einen Platz gefunden, an dem  eine Neugründung Sinn machte und man zeigte sogar Bereitschaft mit einer Kreditvergabe, den eventuell nötigen Umbau  vorhandener Räumlichkeiten zu finanzieren.  Einer der freundlichen Bankberater gab mir sogar einen Tipp, in welchem der Dörfer dank hoher Einkommensstruktur der Bevölkerung die besten Aussichten bestehen würden und konnte mir sogar geeignete Räumlichkeiten nennen, da seine Bank im selben Haus gerade eine neue Filiale eröffnet hatte.  Weitere eigene Recherchen sowie eine Fahrt dorthin bestätigten: Ich hatte die berühmte Stecknadel im Heuhaufen, wahrscheinlich den letzten noch möglichen Standort  für eine neue Praxis gefunden.

Dann ging alles ganz schnell. Als erstes erfolgte die Kontaktaufnahme mit der örtlichen Gemeindeverwaltung per Email. Die Antwort kam umgehend. Man schien sehr erfreut über unseren Wunsch, dort eine Praxis zu eröffnen. Gleichzeitig erhielt ich eine genaue Auflistung aller Verwaltungsschritte, die wir  dafür unternehmen mussten.  Man hatte sogar alle Links zum Herunterladen der benötigten Formulare  und die Email-Adressen der Ämter und Behörden beigefügt. So konnten wir nahezu alles von Deutschland aus erledigen. Für die wenigen dann noch verbliebenen Behördengänge genügte eine einzige Fahrt in die Schweiz.

Es folgte die Prüfung und Planung durch einen Praxiseinrichter aus der näheren Umgebung, der Abschluss der Mitverträge für Praxis und Wohnung, sowie die Planung und Durchführung des Umzugs. Schon drei Monate später waren wir in der Schweiz. Doch darüber demnächst mehr.

e-Card

von Olaf Löffler

Jetzt soll sie doch kommen. Die e-Card.

Unheimlich ist mir diese Entscheidung, wenn man die Schnelligkeit der digitalen Welt betrachtet. Dem rasanten Wechsel der Kommunikationsmittel ist mancher nicht mehr gewachsen.

Und nun fällen Politiker Entscheidungen, welche in Ihrer Denkweise nicht unbedingt den Hauch vorausschauender Visionen spüren lassen.
Getrieben von der Weltgeschichte wirkt das Parlament und freut sich übers Atemholen dank einer Sportveranstaltung, welche früher die schönste Nebensache der Welt war.

Bevor wir nun weiter den dumpfen Tönen der WM-Fanfaren lauschen, ist es Zeit die Onlinepetition zum Stopp der e-Card zu unterschreiben.

Veränderung als Chance ? Die Zukunft im Gesundheitswesen

von Thomas Weber

Christian Danzl berichtete im Februar über die Prognose eines Wirtschaftswissenschaftlers zum deutschen Gesundheitswesen, der ganz klar die weiteren zu erwartenden Veränderungen im Gesundheitswesen formulierte:  Es wird mehr und mehr zentrale Versorgungszentren (MVZ) geben, die Zahnheilkunde wird – zumindest teilweise – langsam aus dem System der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) ausgegliedert werden, der Beitragssatz der GKV wird, um kostendeckend zu sein, auf ca. 25% steigen müssen, die privaten Krankenversicherer (PKV) werden die Vergütung weiter senken und bei PKV und GKV wird der Trend zu Einzelverträgen gehen und dadurch der Verdrängungswettbewerb stärker werden

Die Analyse ist sehr treffend, denn wir erleben ja bereits das Meiste des Prognostizierten schon heute. Mir fehlt dabei eigentlich nur noch der zu erwartende weitere Anstieg der Mehrwertsteuer um bis zu 3 weiteren Prozentpunkten.

Was wäre dagegen zu tun?

Wie so oft lohnt sich für das Verstehen der Gegenwart der Blick in die Geschichte.
Von jeher war Heilbehandlung Vertrauenssache.
Zunächst vertraute der Patient zu allen Zeiten darauf, sein Arzt werde ihm die „bestmöglich machbare“ Diagnostik und Therapie gegen seine Krankheit bzw. für seine Gesundheit angedeihen lassen.
Das Behandeln nach bestem Wissen und Gewissen ist eine Kernthese des in diesem Kontext immer wieder gern zitierten „Hippokratischen Eides“. Nun klafft heute –2.500 Jahre nach den glücklichen Zeiten des Hippokrates von Kos – eine breite Kluft zwischen dem „Bestmöglichen“ und dem „Machbaren“.

Hippokrates kannte noch keine GKV, keine Chipkarte, keinen EBM, keine BEMA, keine GOÄ oder GOZ.
Er hielt sein Leben und seine Kunst „rein“ und „heilig“ und therapierte allein seiner Kunst und dem Patienten verpflichtet. Dass der Patient auch eine adäquate Gegenleistung zu erbringen hatte, war so selbstverständlich, dass man im berühmten Eid eben keine Silbe über „Gebührenordnung“, „Honorarverteilungsmaßstäbe“ oder Steigerungsfaktoren findet. Der Patient „honorierte“ den Arzt nach dessen Bemühungen. Denn Gesundheit (ein fürwahr hohes Gut, aber nach Meinung vieler Philosophen und Theologen damals und heute sicher nicht das „Wichtigste“) ist unbezahlbar, die Wiederherstellung von Gesundheit folglich auch nicht. Das lateinische Word „Honorar“ – die Bedeutung „Ehrensold“ finde ich treffend – umschreibt nämlich den Versuch etwas eigentlich nicht entlohnbares anerkennend zu würdigen. Das „Honorar“ ist dementsprechend nicht allein „Geld“ sondern vor allem auch „Ansehen“ und „Ruhm“.  So steht es im Eid. Bei Hippokrates honorierte der Patient oder sein Besitzer (wenn es sich um einen Sklaven handelte) die ärztlichen Bemühungen, mit Geld und auch „immateriell“, weshalb Hippokrates zumindest dem Namen nach einer der berühmtesten Ärzte aller Zeiten wurde. Der Patient durfte auf die „bestmögliche“ Behandlung vertrauen, wie der Arzt auf die adäquate Honorierung vertrauen durfte. Das war und ist heute noch die wahre Arzt-Patienten-Beziehung. Grundlage war letztlich der Glaube, Heilung sei göttlichen Ursprungs und so waren die Ärzte seinerzeit irgendwie auch Priester, manchmal beides, die „Krankenhäuser“ Tempel  und aus diesen Zeiten kommt wohl auch die Definition des ärztlichen „Standes“.

Denkwürdigerweise sind es heute nur mehr die Heilpraktiker, die sich nach meist sehr einfachen Grundregeln (z. B. 1 Sitzung = 50 €) im hippokratischen Zeitsinn „honorieren“ lassen und durch die „Gläubigkeit“ ihrer Patienten (und zuweilen gewissen „metaphysischen“  Zubehörs) tatsächliche, wahrhaft hippokratische Heilerfolge erzielen.

Ein großer Zeitsprung führt uns zum Beginn der heute viel beklagten „Merkantilisierung“ der Medizin. Es war die Politik (wahrscheinlich die preußische), die aus „Honoraren“ irgendwann „Gebühren“ formte, die in „Gebührenordnungen“ den Grundstein schufen für das Novum: „Gesundheitsmarkt“. Die Einführung der Krankenkassen durch Bismarck schuf den „Marktplatz“ für das Einkaufen definierter „Leistungen“ oder „Leistungserbringer“ ohne Bezug zu einem Individuum sondern für eine jeweilige Gruppe. Und dies natürlich zum günstigsten Preis. Dies ist bis heute so geblieben.

Dabei geht es eben prinzipiell nicht mehr um bestmögliche Versorgung des Einzelnen sondern um machbare Versorgung möglichst Vieler. Solange der zur Verfügung stehende finanzielle Rahmen groß genug ist, ist dies ja nicht zwangsweise ein Widerspruch. Hier vertraute der Patient auf die Finanzierung seiner bestmöglichen Versorgung durch seine Kasse, und der Arzt auf die adäquate Honorierung durch eigens geschaffene Körperschaften, den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV). Und viele tun das heute noch.

Aber längst befindet sich das bismarcksche System in der Schieflage: aus dem Arzt, dem Asklepiaden der hippokratischen Zeit („Halbgott in Weiß“ oder Priester, Mittler zwischen heilendem Gott und leidendem Mensch) ist ein „Dienst-Leistungserbringer“ geworden, noch besser vielleicht: ein Kaufmann im Gesundheitswesen, aus der „Heilkunst“, einer individuellen, freien Therapie eine Behandlung in BEMA-Schema, Richtlinienkorsett und „wirtschaftlich ausreichender“ Qualität, aus dem göttlichen Geschenk der Genesung oder Wiederherstellung der Gesundheit, jederzeit abrufbare, qualitätszertifizierte Dienstleistung, deren Erfolg bzw. Misserfolg justiziabel und einklagbar sind, aus dem „Honorar“, der Anerkennung ärztlicher Mühen, kalkulatorischer Arztlohn, Fallpauschale oder Budget mit floatendem Punktwert.

Politik und Gesellschaft hat uns seit den 80ern zu “Dienstleistungserbringern” degradiert, wir haben es in 20 Jahren nicht geschafft uns zu echten “Dienstleistern” zu entwickeln. Statt Qualität, Preis, Service steht oft immer noch Richtlinienkonformität, Abrechenbarkeit, Erstattungsfähigkeit im Vordergrund. Wir drohen letztlich zu „Dienstboten“ des Systems zu verkommen.

Natürlich bieten die prognostizierten Veränderungen Chancen, denen, die ihre ökologische Nische beizeiten besetzt haben, die so anpassungsfähig sind, dass sie die Veränderungen lebend überstehen oder die stark (intelligent, flexibel) genug sind, einen neuen Lebensraum für sich zu erobern. Die Reaktion auf Veränderungen, die ein Überleben sichert, ist Evolution im Ursinne. Aber es sind eben nicht zwangsläufig die stärksten, die intelligentesten oder die besten, die das Rennen machen: “It is not the strongest of the species that survives, nor the most intelligent that survives. It is the one that is the most adaptable to change.” stellte schon Charles Darwin fest.

Wollen wir das? Was könnte noch eine Antwort auf das prognostizierte Szenario sein?

Transportieren wir hippokratische Tugenden in unsere Zeit, dann wären drei Punkte sicher hilfreich, um ein tatsächlich echtes Arzt-Patientenverhältnis aufzubauen:

Abschaffung (oder Zuständigkeitsreduktion) der  berufsständischen Körperschaften mit Fall vieler, meist bereits von der Realität überholter berufsrechtlicher Beschränkungen und Rückgabe des “Sicherstellungsauftrages” an die gesetzlichen Krankenkassen bzw. an die staatlichen Organe.

Möglichkeit des freien Agierens auf einem freien Markt (z. B. zeitlich unbeschränkte Tätigkeit in mehren Praxen, Bildung von Kapitalgesellschaften (AG), Bildung von Gesellschaften mit einer Rechtsform, die  Haftungsbegrenzung ermöglicht(GmbH, Ltd.), um gegenüber MVZentren “Waffengleichheit” in unternehmerischer Hinsicht zu erreichen, einfachere Bildung überörtlicher Berufsausübungsgemeinschaften oder kooperierender Netzwerke spezialisierter Kollegen).

Abschaffung amtlicher oder pseudo-amtlicher “Gebührenordnungen”  und damit einer „Erstattungsfähigkeitstherapie“, Einführung einer freien Honorarkalkulation, auch mit Möglichkeit zur Vereinbarung von Pauschal- oder Stundenhonoraren.

Ich würde selber noch einen Punkt hinzusetzen, um die so oft geforderte „Betriebswirtschaftlichkeit“ in der Praxis ankommen zu lassen:

Abschaffung des “Umsatzsteuerprivilegs”, damit Öffnung des Vorsteuerabzugs und Anerkennung der Praxis als Unternehmen.

Radikale Forderungen in unserem Land, die in vielen Ländern der Welt Normalität sind.

Aber in Deutschland geht es eben auch heute nicht ohne…

-gigantische Umverteilungsorganisationen, die von vornherein das eine oder andere Prozent des zur Verfügung stehenden Geldes für die eigene Verwaltung verbrauchen, und dies auf Seiten der Versicherten in Form von 169 gesetzlichen Krankenkassen und einem Gesundheitsfond, von dem keiner wirklich weiß, zu was er gut sein soll, auf Seiten der Ärzte und Zahnärzte durch Kassen(zahn)ärztliche Vereinigungen,

-exorbitante Bürokratie, die so essentielle Dinge wie die Größe eines Praxisschildes oder die rechtlich einwandfreie Form eines Kostenvoranschlages oder selbst einer „freien“ Vereinbarung zwischen Patient und Arzt festschreibt, und sich an die von der Realität überholten Fiktion immer gleich guter, gleich sorgfältiger, gleich kompetenter Kammermitglieder klammert, die sich natürlich alle in herzlicher Kollegialität verbunden sind,

-die unbeschränkte persönliche Haftung, die es zukünftig immer schwerer machen wird, ohne erhebliches Eigenkapital Investitionen zu tätigen oder gar Praxen neu zu gründen, mit der gleichzeitigen Verpflichtung der stetigen persönlichen Leistungserbringung, die verhindern soll, den Leistungsumfang einer Praxis durch Anstellung von Mitarbeitern zu steigern (und dadurch echtes unternehmerisches Handeln konterkarriert).

– “amtliche Gebührenordnung”, die mittlerweile versucht, den eigentlichen Grundgedanken der Einzelleistungsvergütung, nämlich das Kostenrisiko sowohl bezüglich der Häufigkeit wie auch dem Schweregrad einer Erkrankung beim Patienten bzw. der Versicherung anzusiedeln, durch Nichtanpassung an den medizinischen Fortschritt (bisherige GOZ) oder durch „Versozialrechtlichung“ – auch BEMAisierung genannt (GOZ-Referentenentwurf 2009)- zu pervertieren und  neue Wege vereinfachter Abrechnung zu verhindern. Und auch die von den zahnärztlichen Körperschaften selbst erarbeitete neue „Honorarordnung“ (HOZ)  basiert im Wesentlichen auf dem Prinzip der „Rechtfertigung eines Preises“ durch die zur Kostendeckung erforderlichen Arbeitszeit eines fiktiven „Durchschnittszahnarztes“.

Fides obligat fidem.
Vertrauen bewirkt Vertrauen.

Aber ein undurchsichtiges Gesundheitssystem, das den Patienten viel Geld in Beitragsform abverlangt, aber gleichzeitig keine Kenntnis über das dafür an den Arzt weitergeleitete Honorar gibt, ist nicht vertrauensbildend. Auch intransparente Richtlinien, Verordnungs-, Zuzahlungs- oder auch Zuschussregelungen im System sind nicht vertrauensbildend. Auch das Vertrauen der Zahnärzte  in die Anerkennung ihrer Leistungen durch Politik und Kostenträger, ja durch die Standesvertretung selbst,  ist nachhaltig erschüttert.  Es ist nicht vertrauensbildend, wenn der Zahnarzt bei jeder zweiten Behandlung (sei es Prophylaxe, PAR, Kons, Endo, Prothetik) ein Mehrkostenformular zücken muss, weil eben das Mögliche und Wünschenswerte, das Machbare und Bezahlbare meilenweit auseinander liegen, in der Öffentlichkeit aber das Stereotyp „die Kasse-bezahlt-ja-alles“ unwidersprochen hingenommen oder gar noch abgenickt wird.

Der Beitrag von Hans-Willi Hermann „Germany – the mystery country“ , der den  Health Consumer Powerhouse Euro Health Consumer Index 2009 Report zitiert, zeigt deutlich:

Wir haben in Deutschland bestimmte Sozialrechts-Prinzipien, “ethische Verpflichtungen” und den Glauben an den allvermögenden, es immer besser machenden Staat bereits so internalisiert, dass wir z. B. so unzureichende Dinge wie BEMA und GOZ tagtäglich zur Bewertung unserer Arbeit nutzen, sei es völlig unkritisch (“die Leistung A können sie aber neben Leistung B nicht abrechnen, auch wenn sie sie erbracht haben…”), sei es durch den Versuch des “Hinbiegens” über Zuzahlungsklauseln oder wildeste Analogzifferkonstruktionen oder gar der Verwendung bzw. der Kombination von 50 Gebührenziffern zur Abgeltung einer einzigen komplexen Leistung, damit es in der Abrechnung „einfach besser aussieht“. Aber wenn es sein muss, bringen deutsche Ärzte zur Behandlung eines Patienten sogar noch Geld mit:  denn in Deutschland hat der einzelne Vertragsarzt nach ständiger Rechtsprechung in der Tat keinen subjektiven Anspruch darauf, dass ihm jede vertragsärztliche Leistung kostendeckend und angemessen vergütet wird.

Darüber kann Europa nur süffisant grinsen. Ja, in der Tat, es ist schwer einen deutschen Zahnarzt vom Arbeiten abzuhalten, selbst wenn sein Budget verbraucht und seine Arbeit nicht mehr bezahlt wird.

„Wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, müssen wir zulassen, dass sich alles verändert.“

Dieses altbekannte Zitat des italinischen Schriftstellers Giuseppe Tomasi di Lampedusa (1896-1957), weist uns den Weg.
Die Veränderungen, die uns treffen, können nur durch Veränderungen aufgefangen werden, die wir selbst politisch anregen oder durchsetzen.

Denn die Systemfrage ist längst gestellt und das Bismarcksche Erfolgsmodell” Sozialstaat” schon lange auf dem Weg zum Pflegefall “Wohlfahrtsstaat”  unterwegs.

Der Ätna – Nadelvernichter und Karpulenwärmer

von Hans – Willi Herrmann

Es war ein Zufallsfund auf  der IDS 2009.

Der Ätna.

“Proudly made in Italy” steht darauf.
Und für die ganz Doofen “A Country of Europe”.
Spätestens jetzt ist klar,  warum Pisa dem Test den Namen gab.

Aber auch, dass die Zeit, in der man Italien automatisch mit großartigem Design verbinden konnte, offensichtlich (sic) vorbei sind.

Dieses Gerät ist häßlich wie die Nacht.
Eigentlich so häßlich, dass ich lange mit mir ringen musste, das Gerät zu kaufen.
Aber – schon zulange wollte ich ein solches Hilfsmittel (für die Sicherheit meiner Mitarbeiter und mir).
Nur bisher kannte ich nur ein ähnliches  Gerät  als 110 Volt US – Produkt , was mich bislang vom Kauf abhielt.

Was kann der Ätna ?
Nadeln zerstören.
Und damit die Gefahr einer Nadelstichinjektion aus der Welt schaffen.

Braucht man in der Zahnarztpraxis ein solches Gerät ?

Unbedingt, finde ich.

Zu groß ist die Gefahr, der Verletzung und das daraus resultierende Infektionsrisiko für Arzt und Mitarbeiter.  Einem Artikel aus dem Ärzteblatt zufolge reichen die Schätzungen der Häufigkeit dieser Unfälle  von einem Unfall pro Mitarbeiter im Gesundheitswesen alle zwei Jahre bis zu einem Unfall pro Tag bei im Krankenhaus operierenden Chirurgen. Geht man von circa 2,5 Millionen Berufstätigen im Gesundheitswesen in Deutschland aus, handelt es sich um jährlich mindestens hunderttausendfach, eventuell sogar millionenfach auftretende Ereignisse. In den USA werden 380 000 NSTV/je Jahr aus Krankenhäusern gemeldet, in denen aber nur 40 Prozent der medizinisch Tätigen arbeiten. Die Häufigkeit der Stiche bei den restlichen 60 Prozent kann nicht einmal geschätzt werden. Nur ein geringer Teil der Stiche wird gemeldet.

Kaum hatte ich das Gerät gekauft, besuchte ich eine Kollegin aus Studientagen.
Ich nahm den Atena mit, um sie nach ihrer Meinung zu fragen.
Und wie der Zufall es wollte, gab es in ihrer Praxis einen Tag zuvor eine Nadelstichverletzung.
Ein Rattenschwanz an Massnahmen war die Folge: Mitarbeiter zur ärztlichen Untersuchung, Patient anrufen und ebenfalls um ärztliche Untersuchung bitten, Kontrolluntersuchung der Mitarbeitern nach entsprechender Wartezeit.

Eins ist klar, selbst wenn es, was wir hoffen wollen, niemals zu einer Infektion kommen wird, so ist doch allein der Aufwand, der nach einer Nadelstichverletzung notwendig wird, so groß, dass selbst ein einmaliger Vorfall die Anschaffung des Gerätes im negativen Sinne überkompensiert.

Das Gerät funktioniert im Übrigen gut. Ich mag es sehr. Es gibt einem Sicherheit. Ein gutes Gefühl.

Es liegt in zwei Varianten vor. Die Deluxe – Variante hat einen zusätzlichen Karpulenwärmer, den ich mir und meinen Patienten habe angedeihen lassen.
Das erwärmte Anästhetikum lässt die Anästhesie schmerzfreier ablaufen.

Ein schöner Zusatzeffekt.

Und was gibt es sonst noch ? Eine Abstimmung über Sinnhaftigkeit und Nutzen des Ätna findet man hier.

Aetna_Needle_Burner

Menschen sind nicht nur Nutzenmaximierer

von Hans – Willi Herrmann

Es passt zum Thema der letzten zwei Tage.
Und zum heutigen Tag der Arbeit, den ich in der Praxis verbringe.

Denn ich habe Notdienst an diesem Wochenende von Freitag bis Montag.
Die Bilanz des Freitagvormittag.
12 Patienten bis 12.50 Uhr.

21 Patienten bis 19.20 Uhr.

Zuletzt ein lautstark, zwei Querstrassen hörbar, schreiendes vierjähriges Kind (es war im Auto eingeschlafen und wurde für die Behandlung aufgeweckt), dass um kurz nach  22.00 Uhr die Praxis betritt und auch die nächsten 20 Minuten nicht damit aufhört und sich natürlich nicht behandeln lässt.

Aber das nur am Rande.

Kommen wir zum eigentlichen Gegenstand unserer Betrachtungen der letzten Tage.

Es geht um die Menschen im Gesundheitswesen.

Und wie die Politik mit ihnen umgeht.

Ich zitiere Professoer Birger P. Priddat, Lehrstuhlinhaber für Politische Okönomie im Studium fundamentale der privaten Universität Witten / Herdecke:

Er schreibt unter anderem in einem lesenwerten Artikel in der  Süddeutschen Zeitung vom 30.04.2009 unter dem Titel: Vorbild Chef.

“Menschen sind keine Nutzenmaximierer.”

Moral ist eine selbstverständliche Resource der Gesellschaft.

Natürlich sind die Menschen nicht alle moralisch – aber sie sind auch nicht lediglich Nutzenmaximierer.  Sicher wollen sie ihr Einkommen steigern, aber in Grenzen: den Grenzen des Anstandes, der Gesittetheit, der Gerechtigkeit. Moral ist eine gesellschaftliche Institution – und wenn ein Unternehmen systematisch dagegen verstößt, entstehen ihm dadurch Kosten, weil Ungerechtigkeit und mangelnde Anerkennung die Mitarbeiter motiviert.

… Hohe Ungerechtigkeit gegenüber Mitarbeitern senkt deren Leistungsbereitschaft, umgekehrt motiviert Anerkennung.

Dem gegenüberstellen möchte ich auszugsweise eine aktuelle Mail an  Frau Ministerin Schmidt, Herrn Ministerpräsidenten Seehofer und  Herrn Minister Söder.

Geschrieben am 29.04.2009 von Frau Dr. med. Barbara Liechtenauer, veröffentlicht bei facharzt.de.

“Sehr geehrte Frau Ministerin Schmidt,
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Seehofer,
Sehr geehrter Herr Minister Söder,

in Sorge wende ich mich an Sie, wenn ich die aktuellen Meldungen über die “Schweinegrippe” verfolge.
-29.4. 10Uhr45: inzwischen haben wir in Deutschland 3 bestätigte H1N1-Fälle (NTV)
-29.4. 9Uhr:  in Apotheken in Norddeutschland sind antivirale Medikamente z. Teil vergriffen (NTV)

nach Pandemieplan Bayern:
für ca. 20% der Bevölkerung seien antivirale Medikamente vorhanden

Frage: für eine einmalige Behandlung für 20% der Bevölkerung? Für welchen Zeitrahmen? Für die gefährdeten Gruppen, die die Erkrankten behandeln sollen?

Im Norddeutschen Raum seien nur für 10% der Bevölkerung entsprechende Vorräte da! Wer bekommt diese?

Ebenfalls steht im Pandemieplan, daß die Therapiekosten von den KK übernommen werden:

was heißt das?
– sind sie im Falle einer Pandemie budgetrelevant?
– werden die Mehrkosten durch eine Pandemie im Anschluß als Argument einer weiteren Honorarreduktion hergenommen, da dadurch die Kosten immens gestiegen sind?
– was ist mit den Behandlungskosten?”

“Entschuldigen Sie bitte, Frau Schmidt, Sie verleumden und diskriminieren uns Ärzte seit Jahren und seit Monaten im Besonderen und nun erwarten Sie von uns kompromißlose Hingabe für unsere Berufung? Sie Herr Seehofer
äußerten vor Jahren, daß Sie das Fachärztepack schon noch weg bekommen!
Und nun sollen wir vielleicht die Kartoffeln aus dem Feuer holen?
Erwartungen können nur dann erfüllt werden, wenn man im Vorfeld entsprechenden Respekt und Achtung unserer Berufsgruppe entgegengebracht hätte!
Seit Monaten versuchen wir unsere Praxen am Laufen zu halten, um unsere Patienten in gewohnter Qualität zu versorgen. Wir stopfen mit Rücklagen die entstandenen finanziellen Löcher, da die Kasseneinnahmen nicht
reichen, um die laufenden Kosten zu decken! Perfide ist, daß Sie genau dies wissen und trotzdem  verteufeln und verleumden Sie uns, nur um beim Wähler entsprechend dazustehen!?”

Soweit die Zitate aus der Mail.

Ich bin sicher, Frau Dr. Liechtennauer geht es nicht  primär ums Geld, nicht um  Nutzen – oder Gewinnmaximierung.
Ich vermute sie ist einfach nur enttäuscht und desillusioniert.
Seit Jahren werden Ärzte und viele andere Leistungserbringer im Gesundheitswesen systematisch demotiviert.

Ich zitiere noch einmal Professor Priddat aus oben genanntem Artikel:

“Arbeitnehmer”  (und nichts anderes sind Ärzte, Anmerkung von mir) “verzichten eher auf Geld wenn die Fairness gewahrt bleibt. Verstösse senken aus Sicht der Arbeitnehmer die Reputation der Firma. Sie achten ihre Vorgesetzten” (die Politiker, Anmerkung von mir) ” nicht mehr und leisten weniger.”

“Die Anerkennung der Mitarbeiter ist eine Führungsaufgabe. Wenn das obere Management eine Wertesystem nicht ausdrücklich und vorbildlich vertritt, lässt es sich auch kaum durchsetzen.”

Ob es wohl Politiker gibt, die über all das nachdenken und die richtigen Schlüsse aus diesen Zusammenhängen ziehen ?
Ich bin skeptisch.

Im Hamsterrad

von Hans – Willi Herrmann

Die junge Anästhesistin, die bei uns auf dem Stuhl zur Wurzelkanalbehandung saß, sah müde, übernächtigt aus.
Dunkle Ringe unter ihren Augen. 

Zum 3. Mal Nachtdienst in dieser Woche.
Mit einer  Reihe von akuten Zwischenfällen, die deutliche Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen hatten. Nichts mit Durchschlafen auf der Arbeit.
Und zwischendrin der normale Tagdienst, also keine  Freizeit, zumindest nicht in dem Maße, dass man von einer der Belastung angemessenen Regeneration hätte sprechen können.

Kann unter diesen Umständen garantiert werden, dass die mit der  hohen Verantwortung einhergehende  notwendige Leistungsfähigkeit zu jeder Zeit und in jeder Situation sichergestellt ist ?

Und – was mich noch nachdenklicher machte. 

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