Ditt iss Berlin!

Ein in zweierlei Hinsicht trauriges Beispiel was in Berlin so “abgeht”.

Zunächst einmal hatte dieser 18-jährige Patient zu lange in die falsche Richtung geschaut und schon war die Luft fausthaltig.

Das Resultat?

32 und 42 hingen noch in der Alveole und nur der KFO-Retainer hat die Zähne gehalten. 31 war mehr als 2 mm disloziert und 42 hatte eine geringe laterale Dislokation erfahren. Hinzu kamen Riss-Quetschwunden intra- und extraoral im Bereich der Unterlippe.

Die Dokumentation aller Verletzungen im Unfallkrankenhaus und die Nahtversorgung ist als perfekt zu bezeichnen. Dort wurde der Patient ca. 1 Stunde nach dem Ereignis vorstellig.

Die Erstversorgung – berlintypisch – insuffizient, wobei dem jungen MKG-Kollegen, der den jungen Patienten im Nachtdienst versorgte, kein Vorwurf zu machen ist. Keine Assistenz, kein Material (TTS-Splint)und so wurde der KFO-Retainer zur Schienung umgebaut. Mit mässigem Erfolg, denn bei der Erstvorstellung bei mir waren vier der 6 Klebepunkte gelöst. Nur die nicht betroffenen Eckzähne hielten den Draht. Übrigens: keine systemische Antibiose und der Ratschlag die betroffenen Zähne nicht zu putzen.

Bei der Erstvorstellung erfolgte nach klinischer und radiologischer Diagnostik zunächst eine Reinigung der betroffenen Zähne, das Befestigen eines Titan-Trauma-Splintes und die Entfernung des lingualen KFO-Retainers.

Aufgrund der Beinahe-Avulsion von 31 und 32 und der starken Dislokation von 41 wurden diese Zähne 10 Tage nach Trauma endodontisch behandelt. Der klinisch symptomlose, elektrisch allerdings negativ getestete Zahn 42 wird vielleicht noch folgen.

30 Tage nach dem Trauma zeigt er weiterhin keine Reaktion auf den elektrischen Sensibilitätstest sowie Anzeichen eines Resoptionsprozesses im Foramenbereich, der jedoch nicht zwingend eine Indikation für eine endodontische Behandlung ist. Diese Form der Traumabewältigung wird auch als “transient apical breakdown” bezeichnet.

Sensibilitätsstörung nach Initialbehandlung – das Recall

von Jörg Schröder

Vor etwa 10 Monaten hatte ich hier über diesen 47 berichtet.

Zwischen Beratung- und geplantem Behandlungstermin hatte sich die Situation dramatisch verändert. Vom rechten Mundwinkel bis hin zur Mitte der Unterlippe und hinab bis zum rechten Kinn bestand 4 Tage nach der Erstvorstellung eine vollständige Anästhesie, die auf eine akute Exazerbation der apikalen Parodontitis zurückzuführen war.

Heute nunmehr ein in jeder Hinsicht erfreuliches Recall. Der Zahn wurde durch die überweisende Kollegin mit einer Teilkrone versorgt. Die periapikalen Strukturen erscheinen ausgeheilt und die Sensibilität Bereich der rechten Unterlippe bzw. des rechten Kinnbereiches wieder vollkommen wiederhergestellt.

Frontzahntrauma – das klinische Vorgehen.

von Jörg Schröder

Mit schöner Regelmässigkeit stellen sich in meiner Praxis sehr junge Patienten vor, die nach einem vor Wochen oder gar Monaten erlittenem Frontzahntrauma Beschwerden entwickeln. Die Erstversorgung ist also loco bereits erfolgt und leider führt genau diese Erstversorgung dazu, dass Behandlungsoptionen verloren gehen, die selbst bei komplexen Verletzungen eine Vitalerhaltung der pulpalen Gewebe ermöglichen könnten.

Diese junge Patientin, 9 Jahre alt, erlitt nach einem Sturz vor 3 Wochen offensichtlich eine Kronenfraktur an den Zähnen 21 und 11.

Nach der Initialversorgung der Dentinwunde mit Komposit – die frakturieren Kronenanteile waren am Unfallort in einem Dentosafe gelagert worden und konnten aufgrund der unfallbedingten Blutung aus den verletzten parodontalen Geweben nicht wiederbefestigt werden – wurde zunächst ein abwartendes Vorgehen empfohlen. Anamnestisch konnte nicht in Erfahrung gebracht werden, ob es sich um eine komplizierte (mit Pulpaeröffnung) oder eine unkomplizierte Kronenfraktur handelte.

Nachdem an Zahn 11 eine deutliche Berührungsempfindlichkeit auftrat, suchten die Eltern Rat an einer Universitätsklinik. Es war Ihnen empfohlen worden, den Versuch einer Revaskularisierung unternehmen zu lassen. Da in der universitären Einrichtung ein etwaiger Behandlungstermin erst 8 Wochen später realisierbar gewesen wäre, wendeten sie sich an eine von der Klinik empfohlene Praxis.

Dort wurde, da der Sensibiltätstest mit Kälte negativ ausfiel, Zahn 11 ohne Anästhesie im Bruchbereich trepaniert und …… . Überraschung: es blutete und die Patientin war alles andere als begeistert. Daraufhin wurde Calxyl eingelegt und die Trepanationsöffnung mit einem Fissurenversiegelungsmaterial verschlossen. Es erfolgte die Überweisung an mich.

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass die empfohlene Praxis gar nicht in der Lage war, eine regenerative/ reparative Pulpabehandlung durchzuführen. Eine Aufklärung über das geplante Vorgehen erfolgt zudem auch nicht, es wurde einfach trepaniert!

Am Tag der Erstuntersuchung bei mir zeigten alle Oberkieferfrontzähne eine reproduzierbar positive Antwort auf den elektrischen Reiz. Eine ausbleibende Reaktion auf den Kältetest wird leider immer noch als ein sicheres Zeichen einer Pulpanekrose angesehen. Dabei kann es nach einem Frontzahntrauma bis zu 9 Monaten dauern, bis sich eine Sensibilität wieder einstellt. Dasselbe gilt für transiente apikale Aufhellungen. Insbesondere bei Dislokationsverletzungen. Diese sind eben kein sicheres Zeichen einer Pulpanekrose, was die Ableitung der “richtigen” Therapie jetzt nicht unbedingt erleichtert.

Empfehlenswert und deutlich reproduzierbarer ist der elektrische Sensibiltätstest, wobei nicht unerwähnt bleiben soll, dass dieser gerade bei jungen Patienten nicht zuverlässig ausfallen kann, da diese sehr schnell herausfinden, was “gut” (ja, merke ich) oder “schlecht”  (nein, ich merke nichts) für sie ist.

Es empfiehlt sich immer, sicher nicht betroffene Zähne mit zu überprüfen, um die Befunde korrekt einschätzen zu können.

Da sich im Einzelbild eine die klinische Krone diagonal verlaufender Frakturlinie zeigte, wurde zur Klärung einer eventuell bestehenden Kronen-/Wurzelfraktur ein kleinvolumiges DVT erstellt.

Und, wie so oft, brachte dieses Licht ins Dunkel.

Durch den Sturz kam es offensichtlich zu einer partiellen Aussprengung eines palatinalen Kronenanteils, die bis in die Wurzel hineinreichte. Die Frakturlinie selbst hatte keinen Kontakt zum Pulpakammerhohlraum. Durch die Einblutung in den palatinal gelegenen Frakturspalt kam es zu einer Dunkelverfärbung der klinischen Krone. Diese wurde durch ein deutliches Leakage des Dentinwundenverschlusses aus Komposit verstärkt.

Die Probetrepanation, die in Wirklichkeit leider nicht auf Probe, sondern eine erfolgreiche war, führte zu einer weiteren Einblutung in den verbliebenen Kronenanteil.

Den Eltern der kleinen Patientin habe ich daher folgendes Vorgehen empfohlen:

  • Entfernung der Erstversorgung an Zahn 11 und Pulpotomie im Gesunden, falls sich die Pulpa am Behandlungstag elektrisch sensibel und klinisch vaskularisiert darstellt.
  • Entfernung des palatinalen Kronenfragmentes nach chirurgischer Darstellung und adhäsive Abdeckung der freiliegenden Dentinareale mittels Flow-Komposit.
  • Reattachment des beim Unfall frakturierten Kronenanteils mittels Komposit.

Eine vollständige Herstellung des palatinalen Volumens der Krone mittels Komposit erschien aufgrund der subcrestalen Lage der Fraktur nicht erstrebenswert. Ein kieferorthopädische Extrusion kann zu Verbesserung der parodontalen Verhältnisse zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden.

Die Pulpotomie erfolgte unter absoluter Trockenlegung. Die Kofferdamklammer fixierte dabei das palatinale Fragment durch nach vestibulär gerichteten Druck der palatinalen Klammeranteile. Die Kompositfüllung liess sich mittels Scaler absprengen. Darunter zeigte sich das Ausmass der Undichtigkeit.

Die Pulpotomie wurde bis in eine Tiefe hin durchgeführt, die eine Kontamination der Pulpa durch auf der Bruchstelle freiliegende Dentintubuli als unwahrscheinlich erachtet werden konnte. Ebenso sollten unerwünschte Auswirkungen der Begleitmassnahmen (Ansätzen, Bonden) der adhäsiven Abdeckung auf die Pulpa vermieden werden. Dazu wurde am DVT die Strecke bis zur palatinalen Bruchkante ausgemessen und die Pulpa bis in den Wurzelbereich reduziert.

Nach chirurgischer Darstellung der Frakturstelle, hier ist eine optimale Hämostase wichtig, konnte das mitgebrachte Kronenfragment adhäsiv befestigt werden.

Anschliessend wurden die fehlenden Kronen-/Wurzelanteile mittels Flowkomposit bestmöglich rekonstruiert. Ein geringer Unterschuss am Übergang zur Bruchstelle wurde dabei bewusst in Kauf genommen, um die Irritationen der parodontalen Gewebe durch Kompositmaterialien so klein wie möglich zu halten.

Zum Abschluss erfolgte die Reposition der mobilisierten Gewebe und die Fixierung mittels zweier Einzelknopfnähte 7/0.

Das Recall wird von mir schon mit Spannung erwartet:

Wird es die Pulpa in Zahn 11 schaffen? Wie entwickelt sich die Situation an Zahn 21, der im DVT klar Zeichen einer zurückliegenden lateralen Dislokation aufweist?

Sensibilitätsstörung nach Initialbehandlung

von Jörg Schröder

Endodontische Notfallbehandlungen führen nicht immer zum vollständigen Abklingen der bestehenden Beschwerden. Eine der häufigsten Gründe ist dabei die nicht vollständige chemo-mechanische Aufbereitung bei der initialen Behandlung. Direkt gefolgt von koronalem Leakage, dass nicht immer in Form eines insuffizienten Restaurationsrandes oder einer unbehandelten Karies vorliegen muss. Es reicht auch eine Infraktur mit Kontakt zum Pulpakammerhohlraum.

In nachfolgendem Fall kamen beide Ursachen zum Tragen. Der die distale Randleiste des Zahnes 47 bis kurz zum Kanaleingang  durchziehende Haarriss kann als Eintrittspforte der bakteriellen Kontamination angesehen werden, da der Zahn bis zum Auftreten der Beschwerden vollkommen restaurationsfrei war.

14 Tage vor der Erstvorstellung in unserer Praxis erfolgte im Notdienst die Trepanation des 47 und eine medikamentöse Einlage. Die Zugangskavität war mit Cavit verschlossen worden. Das okklusale Relief blieb unverändert. Nach anfänglicher Besserung traten nach einigen Tagen erneut Aufbissbeschwerden auf.

Zum Beratungstermin, einem Freitag, wies der Zahn eine deutliche Perkussionsempfindlichkeit, jedoch keinerlei palpatorische Druckdolenz auf. Die Beweglichkeit war gering erhöht. Die Sensibilität im Bereich des rechten Unterkiefers war normal. Das präoperativ erstellte DVT ließ einen deutlichen Abstand der Apizes des 47 zum N. alveolaris inferior erkennen.

Um einen zeitnahen Behandlungstermin zu ermöglichen, wurde der Tagesplan des folgenden Montags durch Umorganisation so verändert, dass ein ausreichendes Zeitfenster für eine suffiziente Erstbehandlung (adhäsive Versorgung des Haarrisses, okklusale Umgestaltung mit Beseitigung exkursiver Frühkontakte und Reduktion der Kontakte in IKP, sowie vollständige chemo-mechanische Aufbereitung) zur Verfügung stand.

Zum Behandlungstermin hatte sich die Situation jedoch dramatisch verändert. Vom rechten Mundwinkel bis hin zur Mitte der Unterlippe und hinab bis zum rechten Kinn bestand 4 Tage nach der Erstvorstellung eine vollständige Anästhesie, die auf eine akute Exazerbation der apikalen Parodontitis zurückzuführen war.

Sensibilitätsstörungen, die auf eine akute endodontische Infektion zurückzuführen sind, habe ich ausschließlich im Bereich des N. mentales und/oder des N. alveolaris inferior vorgefunden. Angesichts der knöchernen und nicht ausdehnungsfähigen Umgebung dieser Strukturen kann eine Volumenzunahme durch entzündlich bedingtes Exsudat offensichtlich die Minderung oder den vollständigen Verlust der Sensibilität im betroffenen Gebiet nach sich ziehen.

Um bleibende Schäden der betroffenen nervalen Strukturen zu verhindern, ist ein rasches (Be)Handeln geboten. Neben der vollständigen Aufbereitung und bestmöglicher Desinfektion der Kanalsysteme der verursachenden Zähne verordne ich immer eine begleitende systemische Antibiose.

Wichtig erscheint mir zudem, die genaue Ausdehnung der betroffenen Areale zu erfassen und zu (foto)dokumentieren. Dazu benutze ich zwei gerade zahnärztliche Sonden, die ich mit zwei Händen in spitzem Winkel über die Haut führe. Eine Sonde auf der nicht betroffenen und eine Sonde auf der betroffenen Seite. Sobald die Sensiblitätsstörung  wahrgenommen wird, wird mit einem Faserschreiber (nicht wasserlöslich) ein Punkt markiert. Von nun an genügt eine Sonde, die in gleicher Weise über das betroffene  Gebiet geführt wird. Dabei ist wichtig, sich vom sicher normal sensiblen ins Richtung des sensibiltätsgestörten Areal zu bewegen. Sobald die Einschränkung wahrgenommen wird (mehrfaches Wiederholen verschafft Sicherheit) erfolgt die nächste Markierung. Auf diese Weise hat man nach maximal 5 Minuten die Ausdehnung der Störung erfasst und kann diese fotodokumentieren. Eine Einschätzung der Remission der Sensibilitätsstörung fusst somit auf leicht reproduzierbaren Befunden.

Im vorliegenden Fall zeigte sich bereits 8 Tage nach meiner ersten Intervention eine deutliche Verkleinerung des betroffenen Areals. Zudem hatte sich die vollständige Anästhesie in eine Hypästhesie umgewandelt. Interessante Randnotiz: bei allen derartigen Behandlungsfällen dauerte die Remission der Störung im Bereich des Überganges inneres zum äusseren Lippenrot und hier besonders im Mundwinkelbereich am längsten.

Die Obturation der Kanalsysteme erfolgte erst, nachdem der Patient 4 Wochen nach dem ersten Termin in unserer Praxis das vollständige Abklingen der Sensibilitätsstörungen telefonisch berichtet hatte.

Ein, vor allem für den Patienten, mehr als erfreulicher Behandlungsverlauf.

Vergleiche ich die präoperativen Bilder mit den postoperativen Bildern, muss ich jedoch kritisch anmerken, dass der letztlich resultierende Hartsubstanzdefekt erheblich ist. Radiologisch täuscht zwar die zweidimensionale Betrachtung, da die bukkale und linguale Wand vollständig erhalten sind, angesichts der Unversehrtheit vor Behandlungsbeginn ist der Substanzabtrag ein Wermutstropfen in der ansonsten erfolgreichen endodontischen Behandlung.

Revival

von Ronald Wecker

Dieser obere seitliche Schneidezahn hat vor etwas mehr als 8 Monaten während eines “Trampolinaufenthaltes” des damals 8-jährigen Besitzers eine laterale Dislokation erfahren.

R2

Nach Betrachtung des am Unfalltages angefertigten Röntgenbildes und aufgrund fehlender Kaltsensibilität war alio loco  eine endodontische Behandlung angeraten worden. Es war der Verdacht geäussert worden, dass der Zahn eine Horizontalfraktur erlitten habe.

7 Tage nach dem Unfall stellte sich der junge Patient bei uns vor. Klinisch zeigte sich der 12 leicht mobil, die Sondierungstiefen lagen bei maximal 3 mm, der Klopfschall war normal. Der Zahn war leicht achsial perkussionsempfindlich, eine palpatorische Druckdolenz fehlte. Die Sensibilität auf Kälte und elektrischen Reiz war negativ.

Eine Wurzelquerfraktur konnte nicht bestätigt werden.

Aufgrund fehlender Hinweise auf eine Pulpanekrose und vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es nach traumatischen Zahnschädigungen zu transienten Sensisbilitätsverlusten kommen kann, wurde entschieden, den Zahn regelmässig zu kontrollieren und erst dann endodontisch zu intervenieren, wenn es klare Hinweise auf eine Pulpanekrose gibt.

2  Monate nach dem Trauma gab es weder klinische noch radiologische Hinweise auf eine  Pulpanekrose. Zahn 12 reagierte erstmals positiv auf den elektrischen Reiz.

In dieser Woche stellte sich der Patient erneut zur geplanten Kontrolle vor. Zahn 12 reagiert positiv und nicht zeitverzögert auf Kälte und elektrischen Reiz. Das Röntgenbild zeigt ein vorangeschrittenes Wurzelwachstum.

Die Mutter war ob des guten Ausgangs der Geschichte erleichtert und der Behandler sehr zufrieden, durch Nichtstun an der richtigen Stelle das Ergebnis positiv gestaltet zu haben.