Grenzwertig

So habe ich den Eltern der zum Unfallzeitpunkt knapp 7-jährigen Patientin die Prognose für den Zahn 21 geschildert.

Nach einer beinahe vollständigen Avulsion im April 2019 erfolgte ausser einer Schienung des Zahnes 21 nur abwartendes Beobachten.

Zum Zeitpunkt der Erstvorstellung in unserer Praxis Ende August 2019 bestand eine deutliche Beweglichkeit des Zahnes 21. Zudem war dieser stark nach labial protrudiert.

Nachdem es zu einer deutlichen Schwellung der Oberlippe im Bereich des 21 gekommen war, wurde durch die überweisende Kollegin trepaniert und CaOH2 eingelegt.

Die Therapie erfolgte zweizeitig. In der zweiten Sitzung wurde eine Blutung aus der periapikalen Papille induziert und das Koagulum mit MedCem abgedeckt.

Während das klinische Bild im Recall nach einem Jahr sehr zufriedenstellend war, (nur eine geringe Beweglichkeit, keine palpatorische Druckdolenz) konnte ich dem Röntgenbild zunächst nicht so viel Positives abgewinnen. Ich hatte mehr erwartet. Allerdings wies der ehemalige Kanalhohlraum bereits Zeichen osteoider Strukturen auf.

Diese Woche dann das zweite Recall fast 3 Jahre nach der Behandlung. Interessant die Degradation von Teilen des MedCem. Und kranial der durchgehenden Wurzelstruktur zeigt sich eine zahndichte Formation, die man, nun da der Blick geschärft war, auch in den vorangegangenen Röntgenaufnahmen erkenn kann. Hier müssen Teile der apikalen Papille offensichtlich das apikale Wurzelstück fertiggestellt haben.

Nun muss der Zahn „nur“ noch die nächsten 20 Jahre durchhalten.

Revitalisierung bzw. Regenerative Endodontie (I)

Von Bonald Decker

 

Über regenerative Maßnahmen in der Endodontie (vormals Revitalisierung) ist auf WURZELSPITZE in den letzten Jahren viel berichtet worden (u.a. hier I, II; III)

Unsere Erfahrungen mit diesem Vorgehen sind in der Mehrzahl der Fälle überaus positiv.

Hier einige unserer Fälle in der längerfristigen Nachkontrolle.

Unser Protokoll ist seit vielen Jahren gleichgeblieben und folgt den Empfehlungen der ESE.

Geändert hat sich, dass wir seit einiger Zeit Biodentine statt MTA verwenden. Unsere Erfahrung damit ist, dass sich hierdurch die unschönen Verfärbungen vermeiden lassen… mehr dazu demnächst.

Hier ferner noch ein interessanter Artikel zu möglichen Gründen für Misserfolge der Technik

Regenerative Endodontics- A Systematic Analysis of the Failed Cases

Dens invaginatus reloaded

von Ronald Wecker

Vor mehr als einem Jahr wurde dieser Fall hier auf Wurzelspitze erstmals vorgestellt.

Nach Entfernung der Invagination unter dem Dentalmikroskop wurde aufgrund des noch weit offenen Formens ein regenerativer Behandlungsversuch unternommen.

Das radiologische Recall nach etwas mehr als einem Jahr zeigt, dass sowohl Wurzellängen- als auch Wurzeldickenwachstum fortgeschritten sind.

Es besteht somit die Hoffnung, dass das zu Behandlunsgbeginn formulierte Ziel, den Zahn bis ins implantationsfähige Alter zu erhalten, erreicht werden kann. Jedes darüber hinaus erreichte Jahr des komplikationslosen Verbleibens ist als  willkommenes Geschenk zu sehen.

Letzte Ausfahrt Regeneration – Recall

von Ronald Wecker

vor über einem Jahr wurde an dieser Stelle der Behandlungsfall zweier Oberkieferfrontzähne 3 Jahre nach horizontaler Wurzelfraktur vorgestellt.

Eine zahnärztliche Therapie war trotz, im alio loco angefertigten DVT zu erkennenden, apikaler Parodontitiden und  klinisch imponierenden Fistelungen nicht eingeleitet worden.

13 Monate nach Durchführung einer Regenerations- bzw. Revitalisierungstherapie stellt sich die Situation wie folgt dar:

Beide Zähne zeigen keinerlei klinische Symptomatik. Die Fistelungen sind abgeheilt. Der Klopfschall ist unauffällig.

Radiologisch zeigt sich innerhalb des Wurzekanalhohlraums in Zahn 21 eine röntgendichte  Struktur. Die Wurzelkanalwand erscheint insbesondere nach mesial dicker.

Zahn 11 weist deutlich erkennbar ein Wurzeldickenwachstum auf. Apikal ist eine röntgendichte „Barriere“ zu erkennen.

Somit scheint zumindest das Primärziel, beide Zähne bis ins implantationsfähige Alter erhalten zu können, in greifbarere Nähe zu rücken.

State of the Art

von Ronald Wecker

Das ist das Behandlungsniveau das man als Patient in einer deutschen Universitäts(zahn)-Klinik erwarten sollte. Finde jedenfalls ich.

Und wenn die behandelnden (Zahn)-Ärzte ein Krankheitsbild nicht oder nicht sicher diagnostizieren können, sollten sie, zum Wohle des Patienten, zumindest an mit dem nötigen Wissen ausgestattete Behandler überweisen oder solche hinzuziehen. Zumal die im konkreten Fall beteiligte Hochschule im Bereich der Endodontie eine Kooperation mit einem versiertern Endodontologen unterhält. Dass diese Kooperation den dortigen Kollegen der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie offensichtlich unbekannt gewesen sein muss, zeigt nachfolgender Behandlungsfall.

Der 9-jährige Patient stellte sich mit einer deutlichen Schwellung im Bereich des Zahnes 22 in besagter Klinik vor. Nach Anfertigung eines OPG wurde die apikale Aufhellung an 22 diagnostiziert. Die Frage nach einem vorangegangenem Zahntrauma wurde von Patient und Eltern verneint.

Die Sensibilitätsprüfung an Zahn 22 zeigte keine Reaktion auf Kältereiz. Nachfolgend wurde in Lokalanästhesie die Regio 22 chirurgisch „dargestellt“. Es kam nach Ablösung der Gingiva zu einer deutlichen Pusentleerung. In den folgenden Tagen wurde parallel zur systematischen Antibiose mehrfach ein Streifen eingelegt/ gewechselt.

10 Tage nach Inzision stellte sich der junge Patient erstmals in unserer Praxis vor. Die Beschwerden waren fast vollständig abgeklungen. Deutlich sind im klinischen Bild die Inzisionen sowie der Verlust der angewachsenen Gingiva an 22 zu erkennen.

Das angefertigte digitale Einzelbild lässt eine Invagination nach Oehlers Typ II erkennen. Bei genauer Betrachtung des alio loco angefertigten OPG sind im Bereich der Zähne 12-22 bereits auf eine Invagination hinweisende Schmelzstrukturen zu erkennen.

Die bei uns durchgeführte Therapie bestand, nach Anlegen der palatinalen Zugangskavität, in der Entfernung der im Originalpulpakavum gelegenen Invagination sowie der chemo-mechanischen Desinfektion des Wurzelkanalsystems. Mittels Ultraschall und Munce-Rosenbohren konnten nach initialem Scouten unter dem Dentalmikroskop die Schmelz und Dentinanteile der Invagination zerkleinert und nach koronal entfernt werden.

Die ultraschallunterstützte Irrigation förderte noch große Mengen putriden Sekrets aus dem weiten Wurzelkanalsystem zu Tage. Als medikamentöse Einlage wurde nach Aufklärung der Eltern im Erstgespräch eine Mix aus Ciprofloxacin und Metronidazol eingesetzt, da zumindest der Versuch einer Revitalisierung der für das weitere Wurzelwachstum verantwortlichen Stammzellen unternommen werden sollte. Der Abschluss der Behandlung wird in etwa 2 Wochen erfolgen.

Bleibt der etwas betrübliche Eindruck, dass man auch als Patient einer deutschen Universitätszahnklinik nicht sicher sein kann, mit etwas vom Normalen abweichenden Erkrankungsbildern eine zeitgemässe Behandlung zu erfahren.

Reunited – die Fortsetzung

von Ronald Wecker

Vor kurzem wurde hier folgender Fall eines Frontzahntraumas vorgestellt:

Einige Wochen nach einer unkomplizierten Kronenfraktur an Zahn 11 konnte das Fragment adhäsiv wiederbefestigt werden.

Zahn 21 hatte eine komplizierte Kronenfraktur mit nachfolgender Pulpanekrose erlitten. Aufgrund des nicht abgeschlossenen Wurzelwachstums wurde ein Therapieansatz gewählt, der nach Desinfektion des Wurzelkanalsystems ein Voranschreiten des Wurzeldicken- und Wurzelängenwachstums ermöglichen soll.

Um eine absolute Trockenlegung zu ermöglichen wurde zunächst das seit dem Trauma nass gelagerte inzisale Kronenfragment adhäsiv wiederbefestigt. Um eine sichere Kofferdamapplikation zu gewährleisten wurde zeitgleich palatinal ein ausgedehnter Komposit-„bauch“ hergestellt. Da der unvollständig durchgebrochene Zahn 21 geringe Unterschnitte bot, wurde die Kofferdamklammer labial durch Auftragen einer geringen Menge Flow-Komposites „gesichert“.

Anschliessend erfolgte nach Entfernung der medikamentösen Einlage und Stimulation einer Blutung aus der apikalen Papille das Abdecken des Koagulums mit Kollagen und MTA.

Über die klinische Vorgehensweise  und die grundsätzliche Idee von Regenerations- bzw. Revitalisierungsverfahren wurde bereits berichtet.

Die im Ausgangsbild zu erkennende infektionsbedingte bedingte externe Resorption scheint nicht weiter voran zu schreiten. Die weiteren radiologischen Kontrollen werden zeigen, ob das Wurzelwachstum fortgesetzt werden konnte.

Reunited

von Ronald Wecker

2 Monate nach einem Freizeitunfall stellte sich der 8 jährige Patient mit einer akuten symptomatischen apikalen Parodontitis an Zahn 21 in unserer Praxis vor.

Die Erstversorgung erfolgte damals in einer Universitätszahnklinik. Zahn 21 zeigte eine komplizierte, Zahn 11 eine unkomplizierte Kronenfraktur. Nach radiologischem Ausschluss einer Querfraktur wurden die Dentinwunden an beiden Zähnen mittel Glasionomerzement versorgt. Die freiliegende Pulpa wurde mit CaOH2 abgedeckt.

Klinisch zeigte sich eine deutliche Schwellung des Vestibulums an Zahn 21. Der Zahn war stark berührungsempfindlich. Die mit Kälte und elektrischem Reiz durchgeführte Sensibilitätsprüfung fiel an 21 negativ aus. Die Zähne 32-42 sowie Zahn 11 reagierten reproduzierbar positiv.

Das angefertigte Röntgenbild lässt ein nicht abgeschlossenes Wurzelwachstum an 11 und 21 sowie eine infektionsbedingte externe Resorption distal an Zahn 21 erkennen.

Nach Erläutern der zur Verfügung stehenden Behandlungsoptionen stimmten die Eltern dem Vorschlag einer regenerativen Behandlung von 21 zu.

In Lokalanästhesie wurde der Zahn eröffnet; das gesamte Pulpakavum war mit zähem putriden Sekret gefüllt. Nach ausreichender Irrigation wurde eine „Double-Mix“-Einlage bestehend aus Ciprofloxacin und Metrondiazol eingebracht und der Zahn adhäsiv verschlossen.

Bei der Wiedervorstellung eine Woche später war Zahn 21 völlig symptomfrei. In der etwas gelösteren Atmosphäre des zweiten Termins kam die Sprache noch einmal auf den Unfallhergang. Beiläufig fragte ich, ob denn damals irgendwelche Zahnfragmente aufgefunden worden waren.

„Ja, und die haben wir zu Hause in einer Dose mit steriler Kochsalzlöung nass gelagert.“

So kam es, dass eine weitere Woche später, nachdem in Lokalanästhesie unter optischer Vergrößerung vorsichtig die vorhandene GIZ-Füllung von Zahn 11 entfernt werden konnte, das Bruchstück und der Zahn wieder adhäsiv vereint werden konnten.

In der Zukunft werde ich auch bei länger zurückliegenden Fraktur-Verletzungen der Zahnhartsubstanz nach dem Verbleib der Fragmente fragen.

Über den Verlauf der Regenerationsbehandlung von 21 und das Behandlungsergebnis wird an dieser Stelle berichtet werden.

Licht und ein wenig Schatten

von Ronald Wecker

Die junge Patientin stellte sich erstmals 10 Monate nach einem an Zahn 21 erlittenen Frontzahntrauma vor. Ausser einer unkomplizierten Kronenfraktur, die bereits alio loco mittels Komposit versorgt worden war, zeigte der Zahn eine geringe vestibuläre Druckdolenz und war achsial und lateral perkussionsempfindlich.

Zwei Monate vor der Erstvorstellung hatten starke Beschwerden eingesetzt, woraufhin in der Praxis des Hauszahnarztes nach Trepanation des Zahnes eine Einlage mit CaOH2 und der temporäre Verschluss mit Glasionomerzement erfolgte.

Das präoperativ angefertigte digitale Einzelbild zeigt neben einer apikalen Aufhellung ein im Vergleich zum alio loco angefertigten Bild unmittelbar nach Trauma kein weiteres  Voranschreiten des Wurzelwachstums.

Aufgrund des weit offenen Foramens wurde trotz der bereits erfolgten Applikation von CaOH2 der Versuch einer regenerativen Therapie unternommen.

CaOh2 soll nach den bisher zur Verfügung stehenden Erkenntnissen negative Auswirkungen auf die in der apikalen Papille befindlichen Stammzellen (SCAP) haben. In der ersten Behandlungssitzung zeigte sich nach initialer Irrigation jedoch apikal ein deutlicher „Gewebestumpf“. Da ein Stillstehen des weiteren Wurzelwachstums im jetzigen Stadium die mechanische Prognose des Zahnes langfristig deutlich kompromittieren würde, wurde der Behandlungsplan einer Apexifikation mit MTA nach kurzer Abstimmung mit den Eltern intraoperativ zugunsten einer möglichen Apexogenesis abgeändert.

Nach Entfernung der CaOH2-Reste und intensiver ultraschallunterstützter Irrigation mit NaOCl wurde eine antibiotische Paste, bestehend aus Ciprofloxacin und Metronidazol eingebracht und der Zahn dentinadhäsiv verschlossen.

10 Tage später war der Zahn klinisch vollkommen symptomlos. Nach Spülung mit EDTA und Entfernung der antibiotischen Einlage wurde mit einem Microopener eine Blutung aus der apikalen Papille induziert. Da die Anästhesie bei diesem Vorgehen in der zweiten Sitzung mit adrenalinfreiem Anästhetikum erfolgt, war das Kanallumen bald mit dem aufsteigendem Blut gefüllt.  Bis hier hin schien alles optimal zu verlaufen.

Um die Applikation des MTA zu erleichtern, wurde eine dünne Kollagenabdeckung zugeschnitten und auf das Koagulum platziert. Nach kurzer Zeit war das Kollagen mit Blut durchtränkt. Und jetzt wurde es schattig.

Offensichtlich war das Koagulum noch nicht stabil genug, denn das nach der Erstellung der MTA Abdeckung angefertigte Röntgenbild zeigte eine deutliche, nahezu zylindrische Extrusion des MTA -Plugs in das Koagulum.

4 Monate nach Abschluss der Behandlung war der Zahn weiterhin beschwerdefrei. Ein Voranschreiten des Wurzelwachstums konnte radiologisch nicht beobachtet werden.

Der Schatten schien das anfängliche Licht zu verdrängen.

Heute nun das Recall 14 Monate nach Behandlung. Zur großen Freude des Verfassers zeigte der Zahn neben einem normalen Klopfschall und fehlenden klinischen Symptomen ein deutlich vorangeschrittenes Wurzellängen- und Wurzeldickenwachstum.

Über die weitere Entwicklung wird an dieser Stelle berichtet werden.

Dental Traumatology – freebie

von Christoph Kaaden

dem Hinweis von Marc Semper verdanke ich den heutigen Blogbeitrag.

Er war es, der mich darauf aufmerksam machte, dass die aktuelle Ausgabe des Journals Dental Traumatology frei zugänglich ist und die entsprechenden Artikel kostenfrei heruntergeladen werden können.

Hauptthemen sind aktuelle Empfehlungen zur dentalen Traumatologie sowie der regenerativen Endodontologie.

Zu finden ist das Ganze hier.

Danke Marc für den Hinweis

:-)