Licht und ein wenig Schatten

von Ronald Wecker

Die junge Patientin stellte sich erstmals 10 Monate nach einem an Zahn 21 erlittenen Frontzahntrauma vor. Ausser einer unkomplizierten Kronenfraktur, die bereits alio loco mittels Komposit versorgt worden war, zeigte der Zahn eine geringe vestibuläre Druckdolenz und war achsial und lateral perkussionsempfindlich.

Zwei Monate vor der Erstvorstellung hatten starke Beschwerden eingesetzt, woraufhin in der Praxis des Hauszahnarztes nach Trepanation des Zahnes eine Einlage mit CaOH2 und der temporäre Verschluss mit Glasionomerzement erfolgte.

Das präoperativ angefertigte digitale Einzelbild zeigt neben einer apikalen Aufhellung ein im Vergleich zum alio loco angefertigten Bild unmittelbar nach Trauma kein weiteres  Voranschreiten des Wurzelwachstums.

Aufgrund des weit offenen Foramens wurde trotz der bereits erfolgten Applikation von CaOH2 der Versuch einer regenerativen Therapie unternommen.

CaOh2 soll nach den bisher zur Verfügung stehenden Erkenntnissen negative Auswirkungen auf die in der apikalen Papille befindlichen Stammzellen (SCAP) haben. In der ersten Behandlungssitzung zeigte sich nach initialer Irrigation jedoch apikal ein deutlicher „Gewebestumpf“. Da ein Stillstehen des weiteren Wurzelwachstums im jetzigen Stadium die mechanische Prognose des Zahnes langfristig deutlich kompromittieren würde, wurde der Behandlungsplan einer Apexifikation mit MTA nach kurzer Abstimmung mit den Eltern intraoperativ zugunsten einer möglichen Apexogenesis abgeändert.

Nach Entfernung der CaOH2-Reste und intensiver ultraschallunterstützter Irrigation mit NaOCl wurde eine antibiotische Paste, bestehend aus Ciprofloxacin und Metronidazol eingebracht und der Zahn dentinadhäsiv verschlossen.

10 Tage später war der Zahn klinisch vollkommen symptomlos. Nach Spülung mit EDTA und Entfernung der antibiotischen Einlage wurde mit einem Microopener eine Blutung aus der apikalen Papille induziert. Da die Anästhesie bei diesem Vorgehen in der zweiten Sitzung mit adrenalinfreiem Anästhetikum erfolgt, war das Kanallumen bald mit dem aufsteigendem Blut gefüllt.  Bis hier hin schien alles optimal zu verlaufen.

Um die Applikation des MTA zu erleichtern, wurde eine dünne Kollagenabdeckung zugeschnitten und auf das Koagulum platziert. Nach kurzer Zeit war das Kollagen mit Blut durchtränkt. Und jetzt wurde es schattig.

Offensichtlich war das Koagulum noch nicht stabil genug, denn das nach der Erstellung der MTA Abdeckung angefertigte Röntgenbild zeigte eine deutliche, nahezu zylindrische Extrusion des MTA -Plugs in das Koagulum.

4 Monate nach Abschluss der Behandlung war der Zahn weiterhin beschwerdefrei. Ein Voranschreiten des Wurzelwachstums konnte radiologisch nicht beobachtet werden.

Der Schatten schien das anfängliche Licht zu verdrängen.

Heute nun das Recall 14 Monate nach Behandlung. Zur großen Freude des Verfassers zeigte der Zahn neben einem normalen Klopfschall und fehlenden klinischen Symptomen ein deutlich vorangeschrittenes Wurzellängen- und Wurzeldickenwachstum.

Über die weitere Entwicklung wird an dieser Stelle berichtet werden.

5 Gedanken zu „Licht und ein wenig Schatten

  1. Pingback: Revitalisierungstherapie – Recall | Wurzelspitze

  2. Super spannend… speziell da ich aktuell einen ähnlichen Fall auf dem Stuhl habe und mich an diesen Artikel erinnert konnte. Besser geht´s nicht!!!
    Meine Fragen dazu:
    Haben Sie sich das Ciprofloxacin und Metronidazol speziell in der Apotheke anmischen lassen?
    Verhältnis, Menge? Gibt es eventuell ein Präparat?
    Welches Kollagen haben Sie zur Abdeckung verwendet?

    Grüße aus Madrid und vielen Dank im Voraus!!!

    • Sehr geehrter Herr Knobel,

      Herr Wecker hat in diesem Fall Kollaresorb von der Nürnberger Firma Resorba eingesetzt. Das Zurechtschneiden per feiner Schere in Durchmesser und Dicke ist jedoch sehr aufwendig. Er würde in der Zukunft auf das Kollagen verzichten und vielmehr auf ein ausreichend stabiles Koagulum warten. Dies kann schon einmal 20 Minuten dauern. Daher ist eine gute Patientenführung wichtig.

      Herr Wecker hatte sich einzelne Kapseln (1g) mit einem Gemisch aus Ciprofloxacin und Metronidazol in gleicher Menge zubereiten von seinem Apotheker lassen. Hier http://www.medcem.ch/cms/index.php?option=com_content&view=article&id=64&Itemid=189&lang=de finden Sie eine weitere Bezugsquelle.

      Herzliche Grüße nach Madrid

      Jörg Schröder

      • DANKE!!!!
        Speziell der Hinweis, dass das Warten auf ein stabiles Koagulum schon mal 20min dauern kann… ist schon brutal, wenn man ein nervöses und wenig entspanntes Kind mit Kofferdam auf dem Stuhl sitzen hat!!!
        Rezept habe ich an meine spanische Apotheke weitergereicht, mal schauen was dabei herauskommt.
        Nochmals vielen Dank und Grüße nach Berlin,
        Alexander Knobel

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