Musste das sein?

Das ist eine sehr komprimierte Zusammenfassung des Geschehenen, trifft den Nagel meiner Meinung aber auf den Kopf.

3 Jahre nach einem Trauma stellte sich der Patient nach einer nicht erfolgreichen endodontischen Therapie bei uns vor.

42 Monate nach der Revisionsbehandlung zeigt das Recall einen idealen Heilungsverlauf.

Anstelle meiner sonst üblichen ausführlichen Erklärungen lasse ich heute einmal die Bilder für sich sprechen.

Traumspätfolge modifiziert

von Jörg Schröder

Eigentlich war die Spätfolge „Pulpanekrose“ an diesem traumatisch geschädigten 21 vorhersagbar. Eine lange Zeit unversorgte Kronenfraktur mit Dentinfreilegung und eine deutliche laterale Dislokation ließen eine Pulpanekrose mehr als wahrscheinlich erscheinen.

Im Dezember 2019, ca. 4 Wochen nach dem Trauma wurden die verloren gegangenen Hartsubstanzen durch Kompositaufbauten ersetzt. Mehrmals, wie die Mutter des jungen  Patienten berichtete. Immer wieder lösten sich die Aufbauten und das Dentin war exponiert.

Geradezu erstaunlich, wie lange es dauerte, bis die Pulpa  des 21 nekrotisch wurde. Die ganze Pulpa? Offensichtlich gab es ein kleines, weit apikal gelegenes Dorf, äääh, Gewebeareal, welches über eine lange Zeit die Vitalität behielt und sie vielleicht auch heute noch hat. Der koronale Pulpaanteil war bereits im Einzelbild aus 12/2019 erkennbar geschädigt, da der 21 ein im Vergleich zum 11 arretiertes Wurzeldickenwachstum aufwies.

Ungewöhnlich dann das zum Beratungstermin übermittelte Einzelbild aus 2/2021. Die Wurzel des 21 – es hatte mittlerweile eine akute Exazerbation mit vestribulärer Schwellung und starken Beschwerden gegeben – erscheint in ihrer Kontur unregelmässig (Resorption?) und zugleich apikal obliteriert. Der elektrische Sensibilitätstest verlief nur am 21 negativ. Des Rätsels Lösung zeigt das DVT:

Ganz offensichtlich muss ein Teil des Pulpagewebes apikal vital geblieben sein und hat zu einem teilweisen Voranschreiten des Wurzelwachstums beigetragen. Es kam zudem zu einer Obliteration der Pulpakammer und einer irregulär ausgebildeten Wurzel.

Labial derselben imponiert eine ungewöhnliche Perforation der Wurzel nach labial und eine damit in Zusammenhang stehende vestibuläre Aufhellung.

Beim Betrachten der DVT- Schnitte fiel mir eine Aussage von Martin Trope ein, mit dem ich mich anlässlich eines gemeinsamen Vortrages in Moskau unterhalten hatte: “ Trauma? You‘ ll never know what will happen.“

Die Therapie wird bei der zum DVT überweisenden Kollegin durchgeführt werden. Ich habe die Behandlung auch des palatinalen Kanalanteils empfohlen.

Revitalisierung – Recall nach 5,5 Jahren

von Ronald Wecker

Fünfeinhalb Jahre nach der im Alter von 8 Jahren durchgeführten Revitalisierungstherapie kann die damals gewählte Therapie als bislang erfolgreich bezeichnet werden.

Nach komplizierter Kronenfraktur mit nachfolgender Pulpanekrose an 21 und einer unkomplizierten Kronenfraktur an Zahn 11 wurde der 8-jährige Patient 2 Monate nach dem Trauma in unserer Praxis vorgestellt.

Die Frakturstellen waren zunächst alio loco mit einer Glasionomerfüllung abgedeckt worden. Die Kronenfragmente waren über zwei Monate in steriler Kochsalzlösung gelagert worden. Da 11 reproduzierbar auf elektrischen und Kältereiz reagierte und das Fragment sehr gut zu reponieren war, wurde hier ein adhäsives Reattachment durchgeführt.

Da es neben einer akuten apikalen Parodontitis bereits zu einer infektionsbedingten externen Resorption an Zahn 21 gekommen war, wurde den Eltern empfohlen, zeitnah eine endodontische Therapie des Zahnes 21 einzuleiten.

Weil das Wurzelwachstum nicht abgeschlossen und das Foramen eine ausreichende Weite aufwies, wurde nach ausgiebiger Irrigation mit NOCl eine medikamentöse Einlage mit einer Mischung zweier Antibiotika (Ciprofloxacin und Metronidazol) eingebracht. Zuvor war das Kronenfragment ebenfalls adhäsiv wiederbefestigt worden, um das Anlegen des Kofferdams zu ermöglichen.

 

In einer zweiten Sitzung erfolgte nach Spülung mit EDTA das Initiieren einer Blutung aus der apikalen Papille und die Abdeckung des Koagulums mit Kollagen und MTA. Der MTA Plug „landete“ schlussendlich leider deutlich weiter apikal als ursprünglich geplant.

Bereits 6 Monate nach der Therapie konnte ein Arretieren der externen Resorption und ein gewisses Wurzeldickenwachstum beobachtet werden. Der ehemalige Wurzelkanalhohlraum füllte sich zunehmend mit radiologisch dichterem Material.

Vier Jahre nach der Therapie wurde der Zahn kieferorthopädisch an seinen heutigen Endpunkt bewegt, was zu einer vorübergehenden Erweiterung des Parodontalspaltes  geführt hatte.

Fünfeinhalb Jahre nach der Revitalisierungsbehandlung weist Zahn 21 einen dünnen, durchgehenden Parodontalspalt, sowie einen normalen Klopfschall auf und ist frei von klinischen Symptomen. Zahn 11 reagiert weiterhin positiv auf elektrischen und Kältereiz und hat sein Wurzelwachstum mittlerweile abgeschlossen.

Somit rückt das ursprünglich formulierte Minimal-Ziel, den Zahn bis ins junge Erwachsenenalter zu erhalten, allmählich näher.

 

Unwissen schützt vor Schaden nicht

von Ronald Wecker

Betrachte ich Bilder wie das nachfolgende und lese, welche Massnahmen bei diesem jungen Patienten in einem Berliner Standort einer über ganz Deutschland verteilten Klinik-Kette ergriffen wurden, um die Folgen eines Traumas zu behandeln, kann ich nur den Kopf schütteln. Denn hier verschlechtert offensichtliches Unwissen die Prognose.

Komplizierte Kronenfraktur, nicht abgeschlossenes Wurzelwachstum , kurz nach dem Trauma in der oben genannten Einrichtung erschienen und was wird als Therapie durchgeführt? Natürlich eine Vitalexstirpation. Standard eben.

Direkte Überkappung? Partielle Pulpotomie? Zervikale Pulpotomie? Nie gehört, offensichtlich. Mit allen Konsequenzen für den jungen Patienten.

Dabei ist es so einfach:

S2k-Leitlinie der DGZMK aus 2016

Dental-Trauma-Guide

AcciDent – Trauma App  für iPhone

AcciDent – Trauma App für Android

Da ist es schwer, gelassen zu bleiben.

Revitalisierung

von Ronald Wecker

Der im Folgenden dargestellte Fall an dieser Stelle schon einmal vorgestellt. Damals jedoch „nur“ mit dem Behandlungsbeginn sowie der etwas unerfreulichen Vorgeschichte.

Nach der Entfernung des Dens invaginatus wurde in einem zweizeitigen Vorgehen ein Revitalisierungversuch unternommen. Nach Erzeugen einer Blutung aus der apikalen Papille und Abwarten der Blutgerinnung wurde das Koagulum mit weissem MTA-Angelus bedeckt und der Zahn adhäsiv verschlossen.

Klinisch war der Zahn bereits nach der ersten Behandlung beschwerdefrei. Die radiologischen Nachkontrollen zeigen ein Voranschreiten des Wurzellängen- und -dickenwachstums. Das heutige Röntgenbild 26 Monate nach Therapie lässt vermuten, dass der Endzustand erreicht sein dürfte.

Angesichts der Lage des noch nicht durchgebrochenen 23 ist eine zeitnahe kieferorthopädische Einordnung wünschenswert.

Dens invaginatus reloaded

von Ronald Wecker

Vor mehr als einem Jahr wurde dieser Fall hier auf Wurzelspitze erstmals vorgestellt.

Nach Entfernung der Invagination unter dem Dentalmikroskop wurde aufgrund des noch weit offenen Formens ein regenerativer Behandlungsversuch unternommen.

Das radiologische Recall nach etwas mehr als einem Jahr zeigt, dass sowohl Wurzellängen- als auch Wurzeldickenwachstum fortgeschritten sind.

Es besteht somit die Hoffnung, dass das zu Behandlunsgbeginn formulierte Ziel, den Zahn bis ins implantationsfähige Alter zu erhalten, erreicht werden kann. Jedes darüber hinaus erreichte Jahr des komplikationslosen Verbleibens ist als  willkommenes Geschenk zu sehen.

State of the Art

von Ronald Wecker

Das ist das Behandlungsniveau das man als Patient in einer deutschen Universitäts(zahn)-Klinik erwarten sollte. Finde jedenfalls ich.

Und wenn die behandelnden (Zahn)-Ärzte ein Krankheitsbild nicht oder nicht sicher diagnostizieren können, sollten sie, zum Wohle des Patienten, zumindest an mit dem nötigen Wissen ausgestattete Behandler überweisen oder solche hinzuziehen. Zumal die im konkreten Fall beteiligte Hochschule im Bereich der Endodontie eine Kooperation mit einem versiertern Endodontologen unterhält. Dass diese Kooperation den dortigen Kollegen der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie offensichtlich unbekannt gewesen sein muss, zeigt nachfolgender Behandlungsfall.

Der 9-jährige Patient stellte sich mit einer deutlichen Schwellung im Bereich des Zahnes 22 in besagter Klinik vor. Nach Anfertigung eines OPG wurde die apikale Aufhellung an 22 diagnostiziert. Die Frage nach einem vorangegangenem Zahntrauma wurde von Patient und Eltern verneint.

Die Sensibilitätsprüfung an Zahn 22 zeigte keine Reaktion auf Kältereiz. Nachfolgend wurde in Lokalanästhesie die Regio 22 chirurgisch „dargestellt“. Es kam nach Ablösung der Gingiva zu einer deutlichen Pusentleerung. In den folgenden Tagen wurde parallel zur systematischen Antibiose mehrfach ein Streifen eingelegt/ gewechselt.

10 Tage nach Inzision stellte sich der junge Patient erstmals in unserer Praxis vor. Die Beschwerden waren fast vollständig abgeklungen. Deutlich sind im klinischen Bild die Inzisionen sowie der Verlust der angewachsenen Gingiva an 22 zu erkennen.

Das angefertigte digitale Einzelbild lässt eine Invagination nach Oehlers Typ II erkennen. Bei genauer Betrachtung des alio loco angefertigten OPG sind im Bereich der Zähne 12-22 bereits auf eine Invagination hinweisende Schmelzstrukturen zu erkennen.

Die bei uns durchgeführte Therapie bestand, nach Anlegen der palatinalen Zugangskavität, in der Entfernung der im Originalpulpakavum gelegenen Invagination sowie der chemo-mechanischen Desinfektion des Wurzelkanalsystems. Mittels Ultraschall und Munce-Rosenbohren konnten nach initialem Scouten unter dem Dentalmikroskop die Schmelz und Dentinanteile der Invagination zerkleinert und nach koronal entfernt werden.

Die ultraschallunterstützte Irrigation förderte noch große Mengen putriden Sekrets aus dem weiten Wurzelkanalsystem zu Tage. Als medikamentöse Einlage wurde nach Aufklärung der Eltern im Erstgespräch eine Mix aus Ciprofloxacin und Metronidazol eingesetzt, da zumindest der Versuch einer Revitalisierung der für das weitere Wurzelwachstum verantwortlichen Stammzellen unternommen werden sollte. Der Abschluss der Behandlung wird in etwa 2 Wochen erfolgen.

Bleibt der etwas betrübliche Eindruck, dass man auch als Patient einer deutschen Universitätszahnklinik nicht sicher sein kann, mit etwas vom Normalen abweichenden Erkrankungsbildern eine zeitgemässe Behandlung zu erfahren.