Revitalisierung – Recall nach 5,5 Jahren

von Ronald Wecker

Fünfeinhalb Jahre nach der im Alter von 8 Jahren durchgeführten Revitalisierungstherapie kann die damals gewählte Therapie als bislang erfolgreich bezeichnet werden.

Nach komplizierter Kronenfraktur mit nachfolgender Pulpanekrose an 21 und einer unkomplizierten Kronenfraktur an Zahn 11 wurde der 8-jährige Patient 2 Monate nach dem Trauma in unserer Praxis vorgestellt.

Die Frakturstellen waren zunächst alio loco mit einer Glasionomerfüllung abgedeckt worden. Die Kronenfragmente waren über zwei Monate in steriler Kochsalzlösung gelagert worden. Da 11 reproduzierbar auf elektrischen und Kältereiz reagierte und das Fragment sehr gut zu reponieren war, wurde hier ein adhäsives Reattachment durchgeführt.

Da es neben einer akuten apikalen Parodontitis bereits zu einer infektionsbedingten externen Resorption an Zahn 21 gekommen war, wurde den Eltern empfohlen, zeitnah eine endodontische Therapie des Zahnes 21 einzuleiten.

Weil das Wurzelwachstum nicht abgeschlossen und das Foramen eine ausreichende Weite aufwies, wurde nach ausgiebiger Irrigation mit NOCl eine medikamentöse Einlage mit einer Mischung zweier Antibiotika (Ciprofloxacin und Metronidazol) eingebracht. Zuvor war das Kronenfragment ebenfalls adhäsiv wiederbefestigt worden, um das Anlegen des Kofferdams zu ermöglichen.

 

In einer zweiten Sitzung erfolgte nach Spülung mit EDTA das Initiieren einer Blutung aus der apikalen Papille und die Abdeckung des Koagulums mit Kollagen und MTA. Der MTA Plug „landete“ schlussendlich leider deutlich weiter apikal als ursprünglich geplant.

Bereits 6 Monate nach der Therapie konnte ein Arretieren der externen Resorption und ein gewisses Wurzeldickenwachstum beobachtet werden. Der ehemalige Wurzelkanalhohlraum füllte sich zunehmend mit radiologisch dichterem Material.

Vier Jahre nach der Therapie wurde der Zahn kieferorthopädisch an seinen heutigen Endpunkt bewegt, was zu einer vorübergehenden Erweiterung des Parodontalspaltes  geführt hatte.

Fünfeinhalb Jahre nach der Revitalisierungsbehandlung weist Zahn 21 einen dünnen, durchgehenden Parodontalspalt, sowie einen normalen Klopfschall auf und ist frei von klinischen Symptomen. Zahn 11 reagiert weiterhin positiv auf elektrischen und Kältereiz und hat sein Wurzelwachstum mittlerweile abgeschlossen.

Somit rückt das ursprünglich formulierte Minimal-Ziel, den Zahn bis ins junge Erwachsenenalter zu erhalten, allmählich näher.

 

10 Gedanken zu „Revitalisierung – Recall nach 5,5 Jahren

  1. Sehr schöner und erfolgreicher Fall, keine Frage.

    Aber ich verstehe die Überschrift Revitalisierung nicht. Der Zahn 21 hat doch eine fast vollständige Wurzelfüllung? Oder bezieht sich Revitalisierung auf den apikalen Millimeter?

    Wo hätten Sie denn den apikalen Plug platzieren wollen? Gibt es Gründe, warum das nicht funktioniert hat?

    Ich klassifiziere die Verletzung an Zahn 11 auch als komplizierte Kronenfraktur. Bei den in diesem Alter noch sehr weiten Dentinkanälchen ist für die Mikroorganismen ein fast ungehinderter Zugang zum Endodont möglich. Auch wenn es hier anders aussieht: die Häufigkeit von Pulpanekrose ist bei Kronenfraktur Grad II (Schmelz-Dentin-Fraktur ohne Pulpa aperta) sehr viel näher an der Kronenfraktur Grad III (Pulpa aperta) als an der Kronenfraktur Grad I (Schmelzfraktur).
    Mögliche Erklärungsversuche für den Unterschied hier beziehen sich auf das Vorhandensein/das Fehlen eines zusätzlichen parodontalen Schadens.
    Beste Grüße
    Yango Pohl

    • Hier die Antwort von Herrn Wecker:

      „Ich gehe davon aus, es besteht Einigkeit darüber, dass der Zahn 21 nach dem Trauma ein nicht abgeschlossenes Wurzellängen- und Dickenwachstum aufwies. Ebenso, dass die Pulpa nekrotisch war. Und sich die Zahnwurzel nach der Therapie in Länge und Dicke weiterentwickelt hat. Und dass es zu einer radiologisch erkennbaren Zunahme der Dichte im ehemaligen Pulpakammerhohlraum gekommen ist. Auch gehe ich davon aus, dass Sie mit der Histologie der dort neu entstandenen Gewebe vertraut sind. Insofern fasse ich Ihre Frage nicht als ernstgemeinte Frage auf. Hinsichtlich der Lage des MTA Plugs wurde bereits ausgeführt, dass dieser apikaler als gewünscht geendet hat. Das Koagulum war wahrscheinlich noch nicht stabil genug und der Druck beim Einbringen des MTA zu hoch. Und die Frage, ob sich die Revitalisierung auf den apikalen Millimeter beziehe, möge jeder für sich beantworten, der weiss, wie lang ein Millimeter ist. Hinsichtlich der Klassifikation habe ich mich an die international gültige gehalten“

      Viele Grüße

      Jörg Schröder

      • Praktisch?
        Persönlich wahrscheinlich gar nicht, mangels Können und mangels Instrumenten und Material. Ich hätte den Patienten einem in der Endodontie versierten Kollegen zugewiesen.
        Theoretisch?
        Mit dem Versuch einer Revitalisierung – und zwar mindestens bis zur Schmelzzementgrenze, von apikal gesehen. Das große Problem bei wurzelunreifen Zähnen mit Pulpanekrose ist doch die sehr hohe Frakturwahrscheinlichkeit der noch sehr dünnen Wurzelkanalwände. Insbesondere zervikal brechen diese Zähne ganz gerne – nach Cvek in 28-77% der Fälle innerhalb der ersten vier Jahre, zwei Drittel davon innerhalb des ersten Jahres. Damit muss das Ziel einer Revitalisierung eine Verdickung der zervikalen.Kanalwände sein. Was bringt denn eine Verstärkung der Kanalwände apikal? Mal abgesehen davon, dass die beobachtete Weiterbildung der Wurzel auch ohne jegliche Therapie möglich ist, zum Teil auch über das Zwei- bis Dreifache des hier Dargestellten. Und zwar auch bei nicht erhaltener Pulpavitalität. Das fortgesetzte Wurzelwachstum ist dann dem Wurzelbildungszentrum zuzuordnen.
        Wesentlich ist, dass das Gewebe nicht infiziert ist. Insofern war das Behandlungsprotokoll hier sehr erfolgreich in Bezug auf Bakterienfreiheit. Da eine solche Revitalisierung bis zum Zahnhalsbereich am traumatisierten Zahn noch nie nachgewiesen worden ist, wäre dieser Ansatz ein experimenteller. Alternativ könnte – nach entsprechend erfolgreicher Desinfektion des Kanalsystems – auch die intentionelle Replantation mit retrograder Stiftinsertion gewählt werden. Problematisch ist in diesem Falle allerdings der Nachweis der erfolgreichen Desinfektion. Sind nicht alle Dentinkanälchen vollständig bakterienfrei, dann hilft die beste Wurzelfüllung nichts!

        Beste Grüße
        Yango Pohl

        • Lieber Herr Pohl,
          an Ihrer Stelle hätte ich die Antwort auf Ha-Wis Frage nach dem ersten Absatz beendet! Denn bis zu dem Punkt ist sie stimmig. Die Wichtigkeit der darauf folgenden Hypothesen sind für Behandlerkreise fraglich. Und: Behandlung ist niemals theoretisch!
          Gruß, H. Vögele

  2. Sehr schöner Fall.

    Wie erklärt sich Ronald den Versatz bei den beiden Recalls nach einem und 6 Monaten worauf der rote Pfeil zeigt?
    Hat Ronald die kleine Luftblase im koronalem Anteil des Kompositverschlusses im Anschluss nach dem 6 monatigem Recall entfernt?

    Beste Grüße,

    Markus

    • Diese Art von Versatz beobachtet Ronald bei fast allen Revitalisierungsfällen, bei denen das Wurzelwachstum voranschreitet. Da das Bondingmaterial immer identisch mit dem bei „normalen“ endodontischen Behandlungen ist, geht Ronald nicht davon aus, dass das ungefüllte Bonding hier radiologisch sichtbar wird, weil die Schichtstärke zu groß geraten ist, sondern dass es zu einer Distraktion von MTA und Komponist gekommen ist. Die Luftblase ist der Querschnitt des verwendeten Glasfaserstiftes, wenn die Kompostbedeckung zu dünn ausfällt. Daher wurde diese nachträglich verstärkt.

      Herzliche Grüße

      Jörg Schröder

Kommentar verfassenAntwort abbrechen