Bladerunner reloaded

von Hans – Willi Herrmann

Kaum ist der Flughafen verlassen, zieht der Porsche Cayenne auf die ganz linke Spur und beschleunigt auf 180.

Es ist dunkel und am Straßenrand stehen auffällig viele liegengebliebene Autos. Wolgas und Ladas. Sie sind eines der wenigen Zeichen dafür, dass wir uns in einem Land befinden, in dem einst die kommunistische Revolution ihren Anfang nahm. Große Werbeplakate internationaler Konzerne säumen die Randstreifen, umso mehr, je weiter wir uns der City nähern.

Kyrillische Straßenschilder und die Zwiebeltürmchen der Kirchen und Kathedralen geben Hinweise, wo man sich befindet.

Wir erreichen die Stadtgrenze nach etwa 10 Minuten.
Die Präsenz an Polizisten sticht ins Auge.
Plötzlich eine Radarkontrolle.
Der Verkehrspolizist wedelt energisch mit seinem schwarz-weissen Stock und gebietet uns, sofort anzuhalten.
Alexej, unser Fahrer, geht nur für einen Bruchteil einer Sekunde vom Gas, dann fährt er unverändert weiter, ohne sich um den Polizisten weiter zu kümmern. Alle Autofahrer sind gleich. Nur manche sind gleicher als andere ?

Ich weiss nicht, warum …
Ridley Scott fällt mir ein. Harrison Ford. Blade Runner. Sieht so unsere Zukunft aus ?

Reich und Arm, haarscharf aneinander vorbei, ohne sich zu berühren. Blitzblank und modern herausgeputzt die eine Seite, der Unterbau hingegen, alt, vernachlässigt, unansehlich. Das gab es immer schon. Aber die Verhältnisse haben sich verschoben. Und die Dimensionen. Wir fahren vorbei an Trabantenstädten. Plattenbausiedlungen, wie wir sie kennen aus den neuen Bundesländern. Aber dort stehen nicht 10 oder 20 Plattenbauten, sondern Hunderte davon.

Wieviel Menschen  wohnen dort ?
200.000 ? 300.000 ? In einem Bereich, den wir innerhalb von ein paar Sekunden hinter uns lassen.

Ist Moskau ein Fanal ? Ich weiss es nicht. Aber Jörg und ich sind wieder zurück.
Diesmal zur Endo Show 2010. Und freue mich auf die nächsten Tage mit Jörg und Christoph, mit Holm, Ilya, Slaw und Nicola.

Und ich habe neben meiner 12 kg Leica – Ausrüstung noch eine weitere Kamera dabei, die ich für Aufnahmen nutzen möchte.

Aber dann kommt alles anders….

Wieviel Mikroskop braucht der Zahnarzt ?

von Hans – Willi Herrmann

Ich bin mir bewußt, dass der heutige Beitrag sehr kontrovers diskutiert werden wird, aber ich frage trotzdem: “Wieviel Dentalmikroskop braucht der Zahnarzt ?”

Grund für die Frage sind die exorbitant hohen Preise der Dentalmikroskop- Flagschiffe.
60.000 Euro  stehen im Raum und nach oben hin ist noch deutlich mehr möglich.
Angemessen oder nicht, dass sei dahingestellt und jeder muss für sich selbst diese Frage beantworten.

Etwas anders ist es jedoch, wenn der Eindruck erweckt wird, ohne eine solche Investition seien die Vorteile der Dentalmikroskops nicht oder nur stark eingeschränkt nutzbar.

Im Juni war ich in Moskau und der Kollege Ilya Mer, den Jörg Schröder und ich besuchten,  arbeitete mit einem Seiler Mikroskop.
Mal abgesehen davon, dass die optische Qualität nicht augenscheinlich schlecht war, was per se schon eine lobende Erwähnung wert ist  (es gibt andere Mikroskope gleichen Investitionsvolumens, die unter die Rubrik optische Körperverletzung fallen), so war es letztendlich der Kollege, der mit seinem Können, seinem Willen,seiner Geduld einen vermeintlich extraktionswürdigen Zahn erfolgreich endodontisch behandeln konnte.
Nicht das Mikroskop brachte den Erfolg, es war der Behandler.

Szenenwechsel.

Gerade mal 2 Wochen später, in Nordamerika.

Ich besuche einen international renommierten Kollegen in seiner Praxis.
Im Zimmer steht besagtes Seiler – Mikroskop. Sogar in noch deutlich geringerer Ausrüstung als in Moskau.
Er kaufte es, weil es bei guter optische Qualität das preisgünstigste war, dass er kriegen konnte.
Seine Fälle leiden nicht darunter und vermutlich käme niemand auf die Idee, das diese Koryphäe mit einem der preisgünstigsten Dentalmikroskope überhaupt auf dem Markt arbeitet.

Also – mein Rat an all diejenigen Behandler, die bei beschränktem Budget in die Dentalmikroskopie einsteigen wollen.
Nicht verrückt machen lassen.
Es gibt ein Leben vor  Pro Ergo und Pentero und das muss kein schlechtes sein.

Und ein Bonmot habe ich noch, aus Moskau mitgebracht, das kannte ich noch nicht: Wie nennen die Zeiss – Mitbewerber in Russland das Zeiss – Top – Modell  ?
“Pro EGO.”

Moskwa dentistry

von Jörg Schröder

Eines ist klar: der viertägige Moskau-Besuch anlässlich des diesjährigen Quintessenz-Symposiums gehört zu den absoluten Highlights meines Berufslebens.

Die Organisatoren des Events, Quintessenz Russland, allen voran Anna Svir und ihr Team, haben eine perfekte Veranstaltung auf die Beine gestellt.

Volle Vortragsräume, interessierte Zuhörer und ein tolles Rahmenprogramm liessen die 4 Tage für mich zu einem besonderen Erlebnis werden.

Zwei Dinge sind mir besonders im Gedächtnis geblieben: die Praxis, in der mein russischer Kollege Ilya Mer seine endodontischen Behandlungen durchführt und der Wissensdurst der Teilnehmer des Symposiums.

Die Ausstattung des Behandlungszimmers lässt keine Wünsche offen: Dentalmikroskop, Accubeam Adapter mit einer HD-Videokamera, Mitbeobachtermonitor, Schlumbohm Endopilot, P5 Newtron Ultraschallgerät, digitales Röntgen und alle erdenklichen Instrumente und Materialien sind vorhanden.

Behandlungsplatz in Moskau

Die Patienten tragen Schutzbrille, Kopfhaube, Einwegkittel und haben ihre Strassenschuhe unter Kunststoffschutzfolien “versteckt”.  Bis auf die Fussabdeckung durchaus mit unseren Praxen vergleichbar. Der Unterschied ist die Patientenzahl, die Ilya pro Tag behandelt: 4-5! Auch der Praxisinhaber der vorwiegend implantologisch und prothetisch tätig ist, hat täglich nicht mehr Patienten.

Get-Together im Wartebereich

Die entspannten Gesichter nach einem halben Arbeitstag sprechen für sich.

Die Teilnehmer des Endodontie-Symposiums haben mich ebenfalls sehr beeindruckt. Interessiert verfolgten sie die Vorträge und die im Anschluss gestellten, zum Teil durchaus kritischen Fragen, zeugten von einem hohen Wissenstand. Noch 30 Minuten nach dem Vortrag wurden Fragen gestellt. Kein Vergleich zu Kongressen hier bei uns.

Wer immer noch denkt, wir seien der Nabel der  zahnmedizinischen Welt, dem empfehle ich eine Hospitation in einer modernen russischen  Zahnarztpraxis.

Der Enthusiasmus der russischen Kollegen, ihre Herzlichkeit und geradezu überwältigende Gastfreundschaft haben den Abschied nicht leicht gemacht. Und deshalb ist klar: Ich komme wieder.

Liebesgrüsse aus Moskau

von Hans – Willi Herrmann

Das erste, was mir auffällt, als wir das Behandlungszimmer der Zahnarztpraxis betreten, sind die blauen Schuhüberzieher, die der Patient trägt.

“Jeder Patient zieht so etwas an hier, sobald er die Praxis betritt”, sagt der junge Zahnarzt, der zusammen mit seinem Bruder die Praxis betreibt.
“Kennst Du jemanden bei uns, der sowas in der Praxis macht ?”, frage ich Jörg. Er schüttelt den Kopf.

Gut sieht sie aus, die Praxis.
Der Wartebereich ist ansprechend gestaltet, keine Stühle, sondern Sitzmöbel, es gibt Bücher statt Zeitschriften und die Bürowände sind voll mit Fortbildungs – Zertifikaten.
Die meisten davon von Weiterbildungen, die in den USA stattfanden.

Die Zahnarztpraxis befindet sich in einer eher blassgrauen,unspektakulären Gegend, im Seitenarm einer 4 spurigen Verbindungsstrasse.
Im Erdgeschoß eines zwar modernen, aber nicht destotrotz profanen Büro – und Wohnplattenbaus.
Mitten in  einer 13 Millionen Einwohner – Stadt, zehnmal größer als Paris.

Jörg Schröder und ich sind in Moskau.
Als Referenten im Rahmen des Quintessenz Symposium 2009 und zwischen unseren Vorträgen besuchen wir Ilya Mer, einen jungen russischen Zahnarzt, der seine Praxistätigkeit auf Endodontie limitiert  und in besagter Praxis quasi als der Dritte im Bunde für mehrere Tage in der  Woche ein Behandlungszimmer angemietet hat.

Mit welchen Erwartungen an die dortige Zahnmedizin fährt man nach Russland ?
Was meine Person angeht mit keinen konkreten.
Und von dem wenigen  Vagen, dass ich im Kopf hatte, trifft, dass kann ich rückblickend sagen, nicht viel zu.

Die Zukunft der Zahnmedizin, wie sie in Deutschland in 15 Jahren sein wird,  sie liegt vielleicht viel näher am heutigen Russland als an den USA und sie ist definitiv mit vielem, was wir gegenwärtig hier haben in Deutschland, nicht kompatibel.

Zieh Dich warm an, deutscher Michel.
Denn Du bist,  in deiner gegenwärtigen Situation, dem, was Dich zukünftig erwartet, nicht gewachsen.
Und dass hat nichts damit zu tun, dass Du keine Pelzmäntel im Schrank hängen hast.

Ich werde berichten, in den nächsten Tagen, von unserer Russlandreise, unseren Eindrücken und Erfahrungen.

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