Sprechen wir über Werbung

von Hans – Willi Herrmann

Wir sind angekommen in der „Jetztzeit“, was die Zahnmedizin angeht.
Überall prangen sie  uns entgegen, kaum mehr dezent zu nennende Hinweise darauf, wo der Patient vor Ort optimale Zahnmedizin finden könne.

Im Internet.
Klar, die Praxis -Homepage. Haben wir auch.
Die Patienten fragen danach. Nicht alle,  aber immer wieder welche.
Keine Ahnung warum …
Vermutlich weil ein sozialer Druck entsteht.
„Was, dein Zahnarzt hat noch keine Homepage ? Wo gehst Du denn hin ????“

So entsteht Nachfrage nach Dingen, die die Welt eigentlich nicht braucht.
Deshalb gibt es Werbung.

Bei Google wird geworben mit gekauften Anzeigen – Bannern.
Und auch im  virtuellen  „Örtlichen Telefonbuch“ kann es passieren, dass einem der Hinweis auf DEN Zahnarzt vor Ort entgegenblinkt.

Plakatwände in der Innenstadt. Gefühlte 3*4 m gross. In Aschaffenburg.
Oder Werbebanner an Brücken über dem Mittleren Ring in München.
Über 2 oder 4 Farbbahnen hinweg.

Farbige ganzseitige Praxisanpreisungen in einer Wochenzeitung in Bremen oder Düsseldorf.
Teils als redaktioneller Beitrag getarnt, teils offen als Werbung platziert.
Es wimmelt nur so von Spezialisten, Experten.
Alle leisten Außerordentliches.

Dann die Werbung in der U- Bahn. Mittlerweile vermutlich überall in Deutschland dort, wo es U – Bahnen gibt.

Und wie sieht es in der Provinz aus ?
In Städten wie Bad Kreuznach oder anderswo.

Der Einkaufswagen bei Lidl.
Das Plakat blickt mich die ganze Zeit an.
Ich kann den Blick nicht abwenden, zumindest nicht, bis der Wagen fast vollständig gefüllt ist.
An der Kasse, im Eingangsbereich eines anderen  Lebensmittelmarktes  eine Breitwand LCD – Bildschirm Präsentation.
50 Zoll Bilddiagonale mindestens.
Auch hier ein Hinweis auf einen Zahnarzt,  für 10 Sekunden eingeblendet, eingepfercht zwischen Blumengeschäft und Fitnessstudio.

Die Bäckertüte.
Frühstücksbrötchen für zu Hause mit dem dezenten Hinweis auf den Zahnmedizin – Spezialisten.
Der muss aber noch an seinem Printauftritt arbeiten, seine Werbung sieht, schwarz gerahmt, wie eine Todesanzeige aus.

Es gibt die  Ärztetafel.
Kannte ich bis vor kurzem gar nicht.
Das sind Werbeseiten im Telefonbuch, auf denen  jeder Arzt seinen Namen, so groß und bunt er möchte, drucken lassen kann.
Alle stehen drin, kostenlose Einträge ganz klein, wie man es vom Telefonbuch her kennt, und wer es größer möchte, der zahlt und wird dann entsprechend besser in Szene gesetzt.

Und da wäre noch der lokale Radiosender.
Antenne Klein – Puckelmuckel.
„Diese Uhrzeit wird Ihnen präsentiert von der Zahnarztpraxis Dr. Bohrdasloch“.

Ich habe kein Problem damit, das Zahnärzte werben.
Und mit Werben meine ich genau das,was das Wort sagt. Anpreisen. Kunden anlocken.

Aber und dieses „Aber“ ist ein goßes „ABER“, ein fett gedrucktes „Aber„.

Ich denke – und sage  ganz klar – es ist der falsche Weg.
Und in wenigen Jahren sind wir wieder genauso weit wie heute.
Nur größer, bunter, verwirrender und teurer.

Aber  (da  ist es wieder, dieses Wort) das ist okay.
Oh tempora oh mores.
So sind die Zeiten.
Kann, soll  jeder machen, wie er will.

Nach mehr als 15 Jahren Praxistätigkeit, 12 davon  mit  immer wiederkehrenden längeren Aufnahmestopps muss ich jedoch die Frage stellen, warum jemand, der seine Praxis länger als 2 – 3 Jahre seine Praxis hat, werben muss.

Denn nach einer entsprechenden Anlaufzeit (die natürlich von Situation zu Situation unterschiedlich sein kann) muss eine Praxis in der Lage sein, seine Patienten selbst zu rekrutieren.
Soll heißen, für jeden Patienten der zufrieden die Praxis verlässt, gibt es mindestens 2, 3 neue, die dort behandelt werden wollen.

Ich will nicht drüber streiten, wann dieser „tipping point“ erreicht sein wird, aber fest steht für mich, es kommt der Tag, an dem sich diese Situation sich einstellt.

Gute Praxen haben immer zu tun.
Ich kenne keine gute Praxis, bei der das nicht so ist.

Das heisst nicht im Umkehrschluss, dass ein volles Wartezimmer oder lange Wartezeiten eine Beweis sind für eine exzellente Arbeitsqualität.
Definitiv nicht, dafür kann der Patient viel zu unzureichend beurteilen, was in seinem Mund passiert.

Und es heißt auch nicht, dass eine werbende Praxis nicht auch eine exzellente Praxis auch sein kann.

Aber als Patient würde ich schon genau hinterfragen, warum der Werbende dies tut.