Auslandszahnersatz – Sie sind unter uns….

von Hans – Willi Herrmann

Wie ich schon vermutet hatte, das Thema Auslandszahnersatz wird uns weiterhin beschäftigen.

Vor 2 Tagen  berichtete ein Zahnarzt unter Kollegen in einer Mailing – Liste von folgender Situation, die sich in den letzten Tagen in seiner Praxis zugetragen hatte.

Eine 28jährige Patientin, seit vielen Jahren in der Praxis. Nie Karies oder sonstwas.

Dann das  Malheur: Neben einer großen Amalgamfüllung „von früher“ ist ein Höcker abgebrochen. Rein mechanisch. Keine Karies drunter. Empfehlung des Zahnarztes: Schutz der verbliebenen Zahnsubstanz mit einer Teilkrone. Die Patientin geht mit dem entsprechenden Heil – und Kostenplan zur Krankenkasse.
Wenige Tage später ein Anruf einer benachbarten Zahnarztpraxis: Wir hätten gerne die Röntgenbilder von Frau XY.

Was war passiert ?
Offensichtlich erfolgte bei der Krankenkasse der Hinweis auf die Möglichkeit eines billigeren Auslands – Zahnersatzes. Die Krankenkasse wirbt auf ihrer Homepage mit zuzahlungsfreiem Zahnersatz und 2 maliger kostenloser professioneller Zahnreinigung pro Kalenderjahr bei bestimmten Zahnärzten. Dort heißt es:

„Zahnersatz und Zahnreinigung ohne Eigenanteil“:

Bei ausgewählten Zahnarztpraxen Zahnersatz ohne Eigenanteil, Hersteller Fa. Imex, Partnerlabore in China und Singapur, 5 Jahre Garantie, wir (Name der Krankenkasse) übernehmen zusätzlich zweimal jährlich die Kosten für eine professionelle Zahnreinigung.

Der Kollege, der die Röntgenaufnahmen anforderte, ist als Kooperationszahnarzt der Krankenkasse auf besagter Homepage gelistet.

Es kann vermutet werden, dass die Patientin dessen Praxis aufgesucht hat und nun dort die Zahnersatzversorgung durchführen lassen wird.

Interessant waren für mich die Reaktionen von Zahnärzten und Zahntechnikern auf dieses Vorkommnis.

So schrieb Zahnarzt A, dass die Patientin wieder in die Praxis zurückkehren würde, sobald sie die erste Zahnreinigung dort erfahren habe. Und Zahntechniker B meinte, dass eine Einzelkrone nur sehr schwer  gewinnbringend herzustellen sei für ein deutsches Zahnlabor und daher der Verlust nicht so problematisch sei.

Wird sich also nach einer Phase der ersten Euphorie mit Auslandszahnersatz eine Ernüchterung einstellen ?

Angesichts  nach und nach sich einstellender Unzulänglichkeiten.
Und werden die Patienten wieder zu heimischem Zahnersatz zurückkehren ?

Ich bin skeptisch diesbezüglich, denn die bestehende Regelung stellt für Krankenkassen, Auslands-Zahnlabor, Kooperations – Zahnarzt und für rund 80 Prozent der Patienten (Pareto – Regel)  eine Win Win – Situation dar.
Das allein ist ausreichend, dieser Entwicklung zum Erfolg und weiterer Verbreitung zu verhelfen.

Was die Krankenkassen angeht, ist klar: Deutlich geringere Kosten sind das Argument schlechthin.
Das gilt natürlich auch für Diejenigen, die an der Herstellung des Auslandszahnersatzes verdienen.
Doch wie sieht es mit den Zahnärzten aus ?
Sind sie Gewinner oder Verlierer dieser Entwicklung ?
Man kann dies nicht pauschal beantworten, aber der überwiegende Teil der Zahnärzte kann zumindest vordergründig durchaus  positiv partizipieren. Für die gegenwärtig an dem Modell der Krankenkassen beteiligten Zahnärzte gilt: Ihr Honorar bleibt gleich, jedoch geringere Gesamtkosten lassen den Zahnersatz erschwinglicher und damit für Patienten finanzierbar erscheinen, die bisher sich dies nicht leisten konnten oder wollten.

Aber es kommt noch viel besser.

Die Festlegung auf ein bestimmtes Zahnlabor, dass von der Krankenkasse (nicht dem Zahnarzt) ausgewählt wurde, lässt den Zahnarzt lässig zurücklehnend die Zahnersatzarbeit eingliedern. Sollte es Probleme geben, wird er dem Patienten gegenüber schulterzuckend darauf hinweisen, dass er für die Auswahl des Labors nicht verantwortlich war in diesem Falle. Und 5 Jahre Garantie ist bei weitem mehr, als normalerweise gegenwärtig in Deutschland der Zahnarzt von seinem Dentallabor erwarten kann und ein zusätzliches  Argument für den Patienten, anstehenden Zahnersatz anzugehen.

Jetzt mal ganz ehrlich, das sind schon verlockende Argumente.
Es bedarf keiner großen hellseherischen Fähigkeiten, um vorherzusehen, das Auslandszahnersatz bleiben und seine Marktposition  weiter ausbauen wird.

Wer sind die Verlierer ?

  • Die Zahntechniker, die man, wie bereits im Blogbeitrag: „Auslandszahnersatz – hart aber fair“ dargestellt, einem globalen Wettbewerb ausliefert, den sie nicht bestehen können. Und machen wir uns nichts vor: Bei der Einzelkrone, die nach China geht, wird es nicht bleiben. Warum sollte ein Patient den Kostenvorteil, der ihm durch Auslandszahnersatz entsteht, nur auf kleine Arbeiten beschränken. Fällt die Ersparnis nicht umso größer aus, je ausgedehnter der Zahnersatz ist ? Und nirgendwo habe ich bisher von Krankenkassenseite einen Hinweis gelesen, dass es sinnvoll sei, größeren Zahnersatz vom heimischen Zahntechniker durchführen zu lassen, auch wenn dieser deutlich teurer ist als der Import – ZE aus China.
  • All diejenigen Patienten, die aus Kostengründen einen suboptimalen Zahnersatz erhalten, unabhängig davon, ob sie es bemerken oder nicht. Und bemerken werden es nur die wenigsten.
  • Die Zahnärzte, die sich dem Auslandszahnersatz verweigern. Sie erlangen einen Wettbewerbsnachteil auf Grund der höheren Zahnersatzpreise  und werden obendrein als Abzocker dargestellt.
  • Und später, wenn die gegenwärtigen Konditionen der Krankenkassen im Sinne einer Optimierung von Resourcen (man könnte es auch nennen, die Daumenschrauben anziehen) nach und nach in der Zukunft verschärft werden, werden es alle Zahnärzte sein. Naja, nicht alle, aber gemäß dem Pareto Prinzip, das auch hier gilt,  etwa 80 Prozent.

Noch  sieht alles jedoch rosig aus.
Und daher wage ich die Behauptung, dass die Zahl der  Kooperationszahnärzte der Krankenkassen weiter zunehmen wird.

Bad Kreuznach, mein Praxisstandort,  ist nicht gerade eine Metropole und, ich formuliere es zurückhaltend, idyllisch gelegen, sicherlich nicht der Nabel der Welt.
Dennoch sind bereits zwei Zahnärzte auf der Hompage der  Krankenkasse gelistet und drei weitere im Umkreis von 15 Kilometern sind ebenfalls aufgeführt.

Kann es ein besseres Indiz dafür geben, dass der Auslandszahnersatz aus dem Reich der Mitte schon längst in unserer Mitte  angekommen ist ?