Spätfolgen nach Trauma

Im Jahr 2006 hatte diese Patientin im Alter von 17 Jahren in Folge eines Autounfalls erhebliche Frakturen im Bereich des Gesichtsschädels erlitten. Neben mehrerer Frakturen im Bereich des Oberkiefers und des Orbitabodens war auch der Unterkiefer stark betroffen. Der Unterkiefer war im Bereich des Kieferwinkels und mesial des Zahnes 33 frakturiert. Die Zähne 32 und 41 waren avulsiert und konnten nicht reponiert werden.

Eine sehr aufmerksame Überweiserin nahm die von der Patientin geäusserten Beschwerden in Regio 33 ernst und fertigte ein Röntgenbild an. 3 Jahre zuvor war der Patientin in einer anderen Praxis beschieden worden, dass die Ursache der bukkalen Schwellung in der Region 33 nicht zu ergründen war.

Zahn 31 reagierte negativ auf den Kältereiz. Ausserdem fiel ihr eine kreisrunde intrakanaläre Aufhellung im mittleren Drittel des Zahnes 34 auf. Die Bitte der Überweisern war nunmehr, Licht ins Dunkel zu bringen.

Der elektrische Sensibilitätstest an 31 verlief positiv. Das Einzelbild und das DVT zeigen einen durchgehenden Parodontalspalt bei gleichzeitig starker Obliteration. Zahn 33 wies im mittleren Wurzeldrittel eine palpatorisch erhebbare Schwellung auf und war gering perkussionsempfindlich. An Zahn 34 fiel eine starke Rosafärbung der klinische Krone auf. Die Zähne 31,33 und 34 waren frei von Restaurationen.

Das DVT zeigt einige der Spätfolgen eines Frontzahntraumas:

Zahn 31 weist eine sehr starke Obliteration des Pulpakavums und des Kanalquerschnittes auf.

Zahn 33 zeigt distal im koronalen Drittel eine arretierte externe Resorption. Apikal imponiert eine ausgedehnte Aufhellung mit teilweisem Verlust der bukkalen Lamelle, sowie im Foramenbereich eine infektionsbedingte externe Resorption.

Bei der kreisrunden intrakanalären Aufhellung an Zahn 34 handelt es sich um den Bohrschacht einer vor langer Zeit entfernten Osteosyntheseschraube.

Wie wäre wohl die Therapieentscheidung ohne DVT ausgefallen?

Wunder gibt es immer wieder …


Die Patientin suchte unsere Praxis für eine Zweitmeinung auf.

Vor einem Jahr hatte sie eine Krone bekommen und ein Jahr davor erfolgte eine Wurzelkanalbehandlung. Nach dieser hatte Sie immer wieder Beschwerden. Ihre Bedenken zur Kronenversorgung wurden mit dem Hinweis kommentiert, ohne Krone wird der Zahn nie zur Ruhe kommen.

Jetzt wurden die Bedenken immer größer, kongruent zur Zunahme der Beschwerden. Der Zahn kam eben nicht zur Ruhe.
Im Beratungsgespräch habe ich der Patientin nach der DVT Aufnahme nicht viel Hoffnung auf einen erfolgreichen Behandlungsversuch gemacht.

Die ausgedehnte apikale Parodontitis mit externer Resorption mesial ist der Grund. Die vollständige Entfernung des WF Materials kann problematisch sein und ein möglicher periradikuläerer Biofilm kann entstanden sein. Trotzdem wollte die Patientin unbedingt den Erhaltungsversuch.

In der Behandlung erwies sich die Entfernung der Guttapercha als sehr schwierig. Die WF Stifte zerbrachen sofort. Dadurch konnten im Kuhfußworkflow das Material nicht bis zum Apex erfasst werden und die apikalen Reste extrudierten. In einem weiteren Behandlungstermin konnten wir die Reste nicht entfernen und verschlossen die apikalen Bereiche bis ins koronale Drittel der mesialen Wurzel mit ProRoot MTA ohne apikales Widerlager.
Ansonsten gelang die Behandlung wie gewohnt, Desinfektion und Spülung mit NaOCl 3%, Zitronensäure 10% unter Schall- und Ultraschalleinsatz. Die Wurzelfüllung erfolgte mit thermisch vertikaler Obturation mit Guttapercha und AH Plus.

Die Patientin berichtete bei der CaOH Einlage über eine Zunahme der Beschwerden. Nach apikalem Verschluß mit ProRoot MTA stellte sich rasch ein vollständige Beschwerdereduktion ein. Im 3. Termin erfolgte die abschließende Obturation.
Anbei die Röntgenaufnahmen und das Recall, welches die Zukunft des Zahnes positiver erscheinen lässt.

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Saving hopeless teeth

Hoffnungslos. So erscheint dieser 26 auf den ersten Blick.

Insbesondere, wenn man das DVT betrachtet: Die mesiale Wurzel zeigt neben einer vermutlich infektionsbedingten externen Resorption auch eine ungewöhnliche intrakanaläre Erweiterung des Kanalhohlraumes, wie es bei einer internen Resorption der Fall ist.

Die Behandlung erfolgte aufgrund der bestehenden Schmerzsymptomatik mit palpatorischer Druckdolenz und starken Aufbissbeschwerden zweizeitig.

Nach Darstellung der Kanaleingänge wurde zunächst das extrem zähe Wurzelfüllmaterial entfernt. Der unaufbereitete MB2 war durch einen Isthmus mit MB1 verbunden. Nach der chemo-mechanischen Aufbereitung wurde CaOH2 eingelegt und die Zugangskavität adhäsiv verschlossen. Vier Wochen später zeigte sich 26 vollkommen beschwerdefrei.

Die Obturation der mesialen Kanäle erfolgte nach Anlegen eines kollagenen Widerlagers mit MTA. DB und P wurden in warmer vertikaler Kompakten gefüllt. Interessant dabei das sich der Seitenkanal in P erst im zweiten Erwärmungsanlauf füllen ließ.

 

Frontzahntrauma und die Folgen einer Nichtbehandlung

von Jörg Schröder

Der hellste Fleck auf der Wissens-Landkarte der meisten Absolventen eines deutschen Zahnmedizinstudiums – und hier schließe ich mich ausdrücklich ein – liegt unmittelbar nach Abschluss des Studiums meiner Meinung nach im Bereich der Behandlung traumatischer Zahnverletzungen. Im weiteren Verlauf der beruflichen Karriere macht das Thema “Trauma”, wenn überhaupt, nur einen verschwindend geringen Teil der praktischen Tätigkeit aus. Warum sich also auf diesem Feld weiterbilden?  Zudem gerät erworbenes Wissen recht schnell in Vergessenheit, wenn es nicht regelmässig angewendet oder aufgefrischt wird.

Die tägliche Praxis zeigt dabei immer wieder erschreckend auf, wie Untätigkeit oder ein unangebrachtes abwartendes Verhalten die Ausgangssituation für einen Zahnerhalt dramatisch verschlechtert. Ein alltägliches Beispiel dafür wurde vor kurzem hier vorgestellt.

Dabei handelt sich bei den betroffenen Zähnen oftmals nicht um einen 6-Jahr-Molaren, dessen Verlust kieferorthopädisch vorhersagbar ausgeglichen werden kann, sondern zumeist Oberkieferfrontzähne, genauer die Zähne 12-22. Die jungen Patienten im Alter von 6-10 Jahren werden durch ein oftmals der Unsicherheit oder dem fehlenden Wissen geschuldetem Abwarten um relativ gute Chancen beraubt, die manchmal unwiederbringlich verloren gehen. Das zur Verfügung stehende Therapiespektrum ist, bei einem zeitlich stark verzögerten Behandlungsbeginn, häufig sehr eingeschränkt und kompromissbehaftet.

So auch in nachfolgendem Behandlungsfall eines 7-jährigen Patienten.

Zahn 11 mit unkomplizierter Kronenfraktur und massiver Intrusion. Das Röntgenbild wurde am Unfalltag erstellt. Nach also loco erfolgter forcierter Reposition wurde der Zahn in mir und unbekannter Weise geschient.

Zwei Monate nach dem Trauma, die Schienung war nach 3 Wochen entfernt worden, zeigt sich folgendes Bild.

Nachdem eine vestibuläre, druckdolente Schwellung auftrat, erfolgte die Überweisung in unsere Praxis. Der Zustand des Zahnes stellt sich 3 Monate nach dem Unfall radiologisch so dar:

Neben einem im Vergleich zu Zahn 21 arretierte Wurzelwachstum und einer apikalen Aufhellung sind deutlich infektionsbedingte externe Wurzelresorptionen zu erkennen, die schon im Röntgenbild 2 Monate nach dem Trauma zu erkennen sind.

Die Ausgangssituation für einen erfolgreichen Erhaltungsversuch ist durch das Abwarten deutlich kompromittiert worden. Welche Behandlungsoptionen stehen zur Verfügung?

Neben dem Versuch der Revitalisierungstherapie kommt, bei entsprechendem Entwicklungsstand der “Spenderzähne”,  eine autologe Zahntransplantation in Frage.

Doch was, wenn es bis dahin noch eine längere Zeit dauert? Ein weiteres Abwarten führt dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einem Zahnverlust mit allen damit verbundenen negativen Auswirkungen auf das Wachstum dieser Kieferregion.

Daher wurde den Eltern des jungen Patienten zunächst ein zweizeitiges Vorgehen im Sinne einer Revitalisierungstherapie mit dem kurzfristigen Ziel vorgeschlagen, die infektionsbedingte externe Resorption zu stoppen.

In der ersten Sitzung wurde nach Aufbringen eines palatinalen “Bauches” aus Komposit der Zahn 11 eröffnet, das nekrotische Pulpagewebe entfernt und nach ausgiebiger Irrigation mit 1,5&-igem NaOCl eine aus einer Mischung aus Ciprofloxacin und Metronidazol bestehende medikamentöse Einlage eingebracht. Nach 2 Wochen wurde diese entfernt und nach Initiierung einer Blutung aus der apikalen Papille das Blutkoagulum mit MedCem abgedeckt. Abschliessend erfolgte der dentinadhäsive Verschluss mit Komposit.

Die Abdeckung des MedCem erfolgte mit Ultrablend, einem lichthärtendem CaOH2-Präparat. Dies erleichterte den adhäsiven Verschluss deutlich, ermöglicht es doch eine Absprühen der Phosphorsäure und ein Verblasen des Bondings ohne dabei Gefahr zu laufen, den MedCem herauszulösen. Allerdings ist der Röntgenkontrats des Ultrablend geringer als der der übrigen Materialien.

3 Monate nach Abschluss der Behandlung erscheint zumindest das Zwischenziel in Reichweite zu liegen. Die externe Resorption scheint nicht weiter voranzuschreiten. Die apikale Aufhellung ist in Rückbildung begriffen. Klinisch ist der Zahn vollkommen beschwerdefrei. Der Klopfschall erscheint physiologisch. Die Beweglichkeit, erstaunlich für mich, nur minimal erhöht.

D

Externe Resorption

von Ronald Wecker

Beim Betrachten des Ausgangsbildes diese 46 fällt sofort der scharf abgegrenzte Defekt im Bereich der distalen Wurzel auf, der in seiner klaren Abgegrenztheit an einen Zustand nach Resektion erinnert.

46d-001

An eine chirurgische Intervention konnte die Patientin sich jedoch nicht erinnern und auch klinisch zeigten sich keine Narben einer Schnittführung.

Die Behandlung erfolgte zweizeitig.

Die Kontamination der Wurzelschraube war geradezu beeindruckend. Nach Entfernung der im apikalen Wurzeldrittel “schwimmend” gelagerten Guttapercha zeigte sich das apikale Foramen weit. Die beiden mesialen Kanalsysteme konfluierten.

Die Behandlung erfolgte zweizeitig. Das nach medikamentöser Einlage angefertigte Einzelbild zeigt das CaOH2 innerhalb der Wurzelkontur. Auf der 2 Monate später erstellten Masterpointaufnahme ist zu erkennen, dass sich nunmehr rationales Material jenseits des Foramens befindet. Dieses Phänomen kann häufig bei ausgedehnten periapikalen Lysen beobachtet werden. Eine sichere Erklärung dafür habe ich nicht.

Die Obturation in D erfolgte mittels MTA. Mesial in warmer vertikaler Kompaktion.

Bereits 6 Monate nach Abschluss der Revisionsbehandlung ist eine deutliche Reduktion der periapikalen Aufhellung zu erkennen.

 

Externe Wurzelresorptionen (I)

Von Bonald Decker

Insbesondere nach traumatischen Zahnverletzungen sind Wurzelresorptionen aufgrund verschiedener Ursachen leider häufig zu beobachten. Heute möchte Ihnen unsere zwei aktuellsten Fälle dieses Problemkreises vorstellen. Sie verdeutlichen (leider) die Wichtigkeit einer entsprechenden Erstversorgung bzw. der konsequenten Nachsorge.

 

Die erste Patientin ist die heute zehnjährige Sofia. Das junge Mädchen hatte sich Ende April 2013 u.a. die Zähne 11 und 21 totalluxiert. Nach circa  fünfstündiger unphysiologischer Lagerung wurden die Zähne ohne weitere Vorbehandlung in Dormicum-Sedierung replantiert und semiregide geschient. Ein Lokalantibiotikum wurde nicht verschrieben; ein ausreichender Tetanusschutz bestand.

Zur endodontischen Behandlung würde Sofia dann an uns verwiesen. Die Erstvorstellung erfolgte gut vier Wochen nach dem Unfall. Bereits hier gab der Klopfschall einen starken Anhalt für einsetzende Ersatzresorptionen.

Nach eingehender Beratung mit Patientin und Eltern entschlossen wir uns zu einem mehrzeitigen Vorgehen mit Ledermix-Einlage und nachfolgender Ca(OH)2-Applikation. (sehen Sie hierzu ggf. auch folgende Artikel (I/II))

Anfang dieser Woche war die junge Patientin erneut zur Nachkontrolle bei uns. Leider ist das eingetreten, was zu erwarten war. Eine ausgeprägte Ersatzresorption mit Ankylose der Zähne 11 und 21.

Externe Wurzelresorptionen.001

Gib eine Beschriftung ein

Welchen Einfluss die Nichtbeachtung der internationalen dentalen Trauma-Richtlinien auf die Resorptionsprozesse hat lässt sich nicht klären. Ein Vorgehen gemäß der IADT-Vorgaben wäre aber sicherlich wünschenswert gewesen. Es bleibt zu hoffen, dass die gegenwärtige  Abklärung einer möglichen Zahntransplantation  für Sofia eine Option darstellen. Hierzu folgen zeitnah Beurteilungen durch die Disziplinen der Kieferorthopädie und Oralchirurgie. Alternativ kommen eine Dekoronation (Fallbeispiel WS) mit nachfolgender Eingliederung eines herausnehmbaren Zahnersatzes in Betracht.

Als zweites möchte ich Ihnen den achtjährigen Lou vorstellen. Der Junge erlitt im Februar 2015 eine unkomplizierte Kronenfraktur an Zahn 21. Nachfolgend sehen Sie das damals alio loco angefertigte Röntgenbild:

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Die weitere Krankengeschichte hat der zuweisende Kollege in Kurzform so zusammengefasst:

Externe Wurzelresorptionen.003

Hier das im Text erwähnte Röntgenbild:

Externe Wurzelresorptionen.004

Leider hat sich u.a. durch die bakterielle Besiedelung des Wurzelkanalsystems eine ausgeprägte externe infektionsbedingte Resorption entwickelt. Diese sehr schnell fortschreitende Dentinresorption hat innerhalb von Monaten zu einer massiven Destruktion der Wurzel geführt.

 

Trotz der sehr schlechten Prognose haben wir uns aktuell (zunächst) gegen die Entfernung des Zahnes entschieden. Unser Ziel der zeitnah eingeleiteten Therapie ist die Elimination der intrakanalären Infektion. Einen sehr guten Überblick zu den unterschiedlichen Resorptionsformen mit Ursachen und Therapieansätzen liefert diese Zusammenstellung von Prof. G. Krastl.

Anders als bei Sofia wäre diese Resorption wahrscheinlich vermeidbar gewesen wenn es gelungen wäre den Zeitpunkt der intrakanalären Infektion korrekt zu diagnostizieren um entsprechend handeln zu können. Wir hoffen trotzdem, dass es gelingt den Prozess zu stoppen und die Prognose des Zahnes zu verbessern.

Ich werde berichten wie es weitergeht…