Trauma, externe Resorption & Pulpotomie

von Jörg Schröder

Die für mich am meisten herausfordernden Behandlungsfälle stellen Situationen nach Trauma dar, da hier zumeist alle Gewebearten betroffen sind.

Neben der Behandlung pulpaler Strukturen, stehen auch die parodontalen Hart- und Weichgewebe im Fokus. Dabei sind besonders als Traumaspätfolge auftretende externe Resorptionen eine zusätzliche Erschwernis. Besonders, wenn sie wie im nachfolgenden Behandlungsfall lingual an einem Unterkieferfrontzahn gelegen sind.

Der 72-jährige Patient erlitt bei einem Sturz vor 4 Jahren eine äquigingivale Horizontalfraktur der Zähne 21 und 11, die im Notdienst einer deutschen Universitätszahnklinik „erstversorgt“ wurde. Das dabei die minimalen Erfordernisse einer Notbehandlung nicht erfüllt wurden, ist leider eine über die letzten Jahre unverändert zu beobachtende Konstante.

Vor 4 Jahren konnte leider nicht mehr getan werden, als dem Patienten bis zum Zeitpunkt der Zahnentfernung eine normale Okklusion zu ermöglichen, die durch die völlig deplatzierte palatinale Schienung verhindert wurde.

Da der Bruchspalt durch die zervikalen Füllungen der betroffenen Zähne verlief, wurden die Zähne durch zwei benachbart stehende Implantate ersetzt.

4 Jahre nach dem Trauma fiel in einer Routineuntersuchung im OPG eine intraradikulär gelegene Aufhellung an Zahn 31 auf. Klinisch imponierte eine Konturunterbrechung der Gingivagirlande und ein sonderbarer Hartsubstanzdefekt.

Das Einzelbild ließ bereits die Verdachtsdiagnose externe invasive zervikale Resorption zu. Klassisch dabei das zu erkennende Peripulpar Resorption Resistent Sheet (PRRS), die letzte Dentinbarriere zwischen Resorptionsgewebe und Pulpa. Erwartungsgemäss reagierte 31 positiv auf den elektrischen Reiz.

Um die Lage der Resorption im Raum und damit die Behandelbarkeit beurteilen zu können, wurde ein kleinvolumiges DVT der UK-Frontzahnregion angefertigt.

Nach ausführlicher Aufklärung über die möglichen Behandlungsoptionen entschied sich der Patient für einen Erhaltungsversuch. Dabei wurde bereits präoperativ im Falle einer Eröffnung der vitalen Pula eine Pulpotomie in Erwägung gezogen.

Die größte Hürde neben einer für den Moment der adhäsiven Versorgung ausreichenden Hämostase – im OP-Situs ist in diesen Fällen nur eine relative Trockenlegung möglich – ist die Präparation des Mukoperiostlappens und hier insbesondere die Schnittführung. Ich benutze dazu Micro-Blades die 25 Grad anguliert sind. Damit ist auch die Schnittführung unter dem Mikroskop und mit indirekter Sicht sehr gut auszuführen.

Nach Darstellung der Resorptionslakune und Entfernung der eingewanderten Weichgewebe kam es zu einer strichförmigen Eröffnung der vitalen Pulpa.


Diese wurde mit CaOH2 abgedeckt. Darüber kam eine kleine Schicht Ultrablend um das darauffolgende Säurekonditioniere nn zu ermöglichen. Da eine länger andauernde Trockenlegung es am apikalsten Punkt der Resorptionslakunenicht möglich war, habe ich die erste Schicht des Defektverschlusses mit Geristore ausgeführt. Dieses wurde im weiteren Verlauf mit einem Flow-Komposit überschichtet. Beim Manipulieren des grazilen Lappens kam es leider im Behandlungsverlauf zu einem vertikalen Einreissen des Lappens. Die Risswunde wurde, ebenso, bei der Lappenreposition, mit einer Einzelknopfnaht 7/0  versorgt.

4 Tage postoperativ wurde die Naht entfernt. 6 Monate postoperativ zeigt sich entgegen meiner Erwartung, die gingivale Situation geradezu beeindruckend. Die erwartete linguale Rezession ist ausgeblieben. Nur bei genauem Vergleich fällt die etwas dünnere keratinisierte Gingiva an Zahn 31 auf.

Der Zahn ist klinisch beschwerdefrei. eine apikale Aufhellung fehlt. Wird es so bleiben? Das wird die Zeit zeigen. Eine Alternative zur vollen Pulpektomie stellt die Pulpotomie gerade in Fällen externer Resorption auf jeden Fall dar.

Zu überprüfen bleibt, ob die auch an 41 lingual zu erkennende Konturunterbrechung Relikt einer transienten externen Resorption war, oder sich in der Zukunft als progredient erweisen wird.

Sensibilitätsstörung nach Initialbehandlung

von Jörg Schröder

Endodontische Notfallbehandlungen führen nicht immer zum vollständigen Abklingen der bestehenden Beschwerden. Eine der häufigsten Gründe ist dabei die nicht vollständige chemo-mechanische Aufbereitung bei der initialen Behandlung. Direkt gefolgt von koronalem Leakage, dass nicht immer in Form eines insuffizienten Restaurationsrandes oder einer unbehandelten Karies vorliegen muss. Es reicht auch eine Infraktur mit Kontakt zum Pulpakammerhohlraum.

In nachfolgendem Fall kamen beide Ursachen zum Tragen. Der die distale Randleiste des Zahnes 47 bis kurz zum Kanaleingang  durchziehende Haarriss kann als Eintrittspforte der bakteriellen Kontamination angesehen werden, da der Zahn bis zum Auftreten der Beschwerden vollkommen restaurationsfrei war.

14 Tage vor der Erstvorstellung in unserer Praxis erfolgte im Notdienst die Trepanation des 47 und eine medikamentöse Einlage. Die Zugangskavität war mit Cavit verschlossen worden. Das okklusale Relief blieb unverändert. Nach anfänglicher Besserung traten nach einigen Tagen erneut Aufbissbeschwerden auf.

Zum Beratungstermin, einem Freitag, wies der Zahn eine deutliche Perkussionsempfindlichkeit, jedoch keinerlei palpatorische Druckdolenz auf. Die Beweglichkeit war gering erhöht. Die Sensibilität im Bereich des rechten Unterkiefers war normal. Das präoperativ erstellte DVT ließ einen deutlichen Abstand der Apizes des 47 zum N. alveolaris inferior erkennen.

Um einen zeitnahen Behandlungstermin zu ermöglichen, wurde der Tagesplan des folgenden Montags durch Umorganisation so verändert, dass ein ausreichendes Zeitfenster für eine suffiziente Erstbehandlung (adhäsive Versorgung des Haarrisses, okklusale Umgestaltung mit Beseitigung exkursiver Frühkontakte und Reduktion der Kontakte in IKP, sowie vollständige chemo-mechanische Aufbereitung) zur Verfügung stand.

Zum Behandlungstermin hatte sich die Situation jedoch dramatisch verändert. Vom rechten Mundwinkel bis hin zur Mitte der Unterlippe und hinab bis zum rechten Kinn bestand 4 Tage nach der Erstvorstellung eine vollständige Anästhesie, die auf eine akute Exazerbation der apikalen Parodontitis zurückzuführen war.

Sensibilitätsstörungen, die auf eine akute endodontische Infektion zurückzuführen sind, habe ich ausschließlich im Bereich des N. mentales und/oder des N. alveolaris inferior vorgefunden. Angesichts der knöchernen und nicht ausdehnungsfähigen Umgebung dieser Strukturen kann eine Volumenzunahme durch entzündlich bedingtes Exsudat offensichtlich die Minderung oder den vollständigen Verlust der Sensibilität im betroffenen Gebiet nach sich ziehen.

Um bleibende Schäden der betroffenen nervalen Strukturen zu verhindern, ist ein rasches (Be)Handeln geboten. Neben der vollständigen Aufbereitung und bestmöglicher Desinfektion der Kanalsysteme der verursachenden Zähne verordne ich immer eine begleitende systemische Antibiose.

Wichtig erscheint mir zudem, die genaue Ausdehnung der betroffenen Areale zu erfassen und zu (foto)dokumentieren. Dazu benutze ich zwei gerade zahnärztliche Sonden, die ich mit zwei Händen in spitzem Winkel über die Haut führe. Eine Sonde auf der nicht betroffenen und eine Sonde auf der betroffenen Seite. Sobald die Sensiblitätsstörung  wahrgenommen wird, wird mit einem Faserschreiber (nicht wasserlöslich) ein Punkt markiert. Von nun an genügt eine Sonde, die in gleicher Weise über das betroffene  Gebiet geführt wird. Dabei ist wichtig, sich vom sicher normal sensiblen ins Richtung des sensibiltätsgestörten Areal zu bewegen. Sobald die Einschränkung wahrgenommen wird (mehrfaches Wiederholen verschafft Sicherheit) erfolgt die nächste Markierung. Auf diese Weise hat man nach maximal 5 Minuten die Ausdehnung der Störung erfasst und kann diese fotodokumentieren. Eine Einschätzung der Remission der Sensibilitätsstörung fusst somit auf leicht reproduzierbaren Befunden.

Im vorliegenden Fall zeigte sich bereits 8 Tage nach meiner ersten Intervention eine deutliche Verkleinerung des betroffenen Areals. Zudem hatte sich die vollständige Anästhesie in eine Hypästhesie umgewandelt. Interessante Randnotiz: bei allen derartigen Behandlungsfällen dauerte die Remission der Störung im Bereich des Überganges inneres zum äusseren Lippenrot und hier besonders im Mundwinkelbereich am längsten.

Die Obturation der Kanalsysteme erfolgte erst, nachdem der Patient 4 Wochen nach dem ersten Termin in unserer Praxis das vollständige Abklingen der Sensibilitätsstörungen telefonisch berichtet hatte.

Ein, vor allem für den Patienten, mehr als erfreulicher Behandlungsverlauf.

Vergleiche ich die präoperativen Bilder mit den postoperativen Bildern, muss ich jedoch kritisch anmerken, dass der letztlich resultierende Hartsubstanzdefekt erheblich ist. Radiologisch täuscht zwar die zweidimensionale Betrachtung, da die bukkale und linguale Wand vollständig erhalten sind, angesichts der Unversehrtheit vor Behandlungsbeginn ist der Substanzabtrag ein Wermutstropfen in der ansonsten erfolgreichen endodontischen Behandlung.

Immer schön skeptisch bleiben 3

von Ronald Wecker

Die Vorgeschichte liess verschiedene Deutungsmöglichkeiten zu:

Zahn 14 war aufbissempfindlich und zeigte eine deutliche palpatorische Druckdolenz. Bis zur Erstvorstellung in unserer Praxis erfolgten alio loco vier Behandlungen. Um die nicht abklingenden Beschwerden zu verringern erfolgte letztlich eine vestibuläre Inzision.

Das präoperativ angefertigte DVT zeigte neben einer fehlenden knöchernen Begrenzung bukkal (das bukkale Kanalsystem mündete quasi im Periost) im axialen Schnitt eine fast kreisrunde interradikuläre Aufhellung. Da die ersten vier, alio loco durchgeführten Behandlungen unter dem Mikroskop erfolgt waren, hielt ich eine Perforation für möglich, aber eher unwahrscheinlich.

Die Behandlung wurde zweizeitig durchgeführt. Nach Entfernung der intrakanalären Medikation wurde offensichtlich, dass in beiden Kanalsystemen die apikale Konstruktion fehlte. Bukkal waren geringe Anteile des Medikaments nach periapikal gelangt.

Angesichts der fehlenden knöchernen Begrenzung kann auch der Kontakt mit Spüllösung zu der deutlichen vestibulären Druckdolenz geführt haben.

Nach dem Anlegen der Zugangskavität fiel eine dünne, gewebegefüllte Rinne auf, die vom buckeln Kanal nach palatinal verlief. Trotz intensivem Spülen verblieb an dieser Stelle ein kleiner heller Punkt auf dem Pulpakammerboden, der sich mit einem nach palatinal gebogenem Microopener sondieren ließ. Mittels Endometrie wurde die Arbeitslänge dieses sehr ungewöhnlich gelegenen furkalen Seitenkanals bestimmt. Nach Erreichen der Arbeitslänge entleerte sich eine kleine Menge putriden Exsudats.

Nach medikamentöser Einlage und temporärem Verschluss, sowie adhäsiver Befestigung der provisorischen Krone erfolgte die erneute chemo-mechanische Aufbereitung und die Obturation 2 Wochen später. Der Zahn war mittlerweile vollkommen beschwerdefrei.

Da sich palatinal ein Masterpoint mit ausreichender Friktion einpassen liess, wurde hier in warmer vertikaler Kompakten gefüllt. Aufgrund der fehlenden knöchernen Begrenzung wurde in B auf ein sealerbasiertes Füllmaterial/- verfahren verzichtet und der Kanal mit MTA gefüllt. Der furkale Seitenkanal wurde ebenfalls mit MTA obturiert und anschliessend mit Komposit überschichtet. Der koronale Anteil von B wurde dann mit warmer Guttapercha gefüllt.

Sicher ein ungewöhnlicher Prämolar, aber ein schönes Beispiel dafür, dass immer mit allem zu rechnen ist.

Immer schön skeptisch bleiben 2

von Ronald Wecker

Häufig genügt uns schon ein Blick auf ein Röntgenbild, um den Kern eines (Behandlungs-) Problems erfassen zu können.

Mitunter urteilen wir aber anhand des Röntgenbildes vorschnell und wählen eine Therapie, die bei Kenntnis des tatsächlichen Sachverhaltes die zweitbeste gewesen wäre.

In vorliegendem Fall erscheint die Obturation überwiegend homogen, wenngleich sie apikal ausserhalb der Wurzelkontur endet. Die ausgeprägte apikale Aufhellung lässt auch einen von apikal nach koronal voranschreitenden Riss in Frage kommen.

Die klinische Inspektion zeigte ein fehlen jeglicher Symptomatik bei gesunden paradontalen Verhältnissen. Eine Druckdolenz war nicht vorhanden. Ein klarer Fall für Zystektomie und Wurzelspitzenresektion? Sicher eine von 4 Möglichkeiten (Belassen, WSR, Extraktion oder Revision).

Die ausgeprägte knöcherne Lyse -die palatinale Lamelle ist teilweise nicht mehr vorhanden- ließe sich aber auch durch eine in der vestibulo-palatinalen Dimension unvollständige Wurzelfüllung erklären.

Da das „Begraben“ von Bakterien durch einen langen retrograden Verschluss jedoch, ehrlich gesagt, nicht zu meinen Therapiefavoriten zählt,  habe ich in diesem Fall zum Ausschluss einer Längsfraktur zur Revisionsbehandlung geraten. Auch wenn man einem vielleicht ein solches Geschehen angesichts der Länge und Dichte der Obturation als eher unwahrscheinlich erscheinen mag.

Klinisch kam es dann so, wie vermutet. Die kreisrunde Guttapercha hatte den tropfenförmigen Kanalquerschnitt nur unvollständig füllen können. Zwischen palatinaler Kanalwand und Guttapercha gelang es mühelos einen Microopener über zwei Drittel der Kanallänge nach apikal zu führen.

Die Entfernung der extrudierten Guttapercha erfolgte in bewährter Weise mit endometrisch auf 0,0 eingebrachten Hedströmfeilen beginnend bei ISO 15. Wichtig ist es hierbei , den Durchmesser der Hedströmfeilen allmählich zu steigern, um ein Verbringend er kontaminierten Obturationsmassen nach periapikal zu vermeiden. Kurz darauf kam es zu einer spontanen putriden Exsudation.

Insbesondere Sealer und das apikale Guttaperchastück waren deutlich verunreinigt.

Nach chemo-mechanischer Irrigation erfolgte in gleicher Sitzung das Einbringen von CaOH2 und der adhäsive Verschluss der Zugangskavität.

14 Tage später wurde das Kanalsystem nach erneuter Irrigation und Anlegen eines kollagenen Widerlagers apikal mit MTA und weiter Korona mit warmer Guttapercha gefüllt.

Ich bin schon auf das Recall gespannt, wünsche ein schönes Wochenende und rate immer ein klein wenig skeptisch zu bleiben.