Immer schön skeptisch bleiben 2

von Ronald Wecker

Häufig genügt uns schon ein Blick auf ein Röntgenbild, um den Kern eines (Behandlungs-) Problems erfassen zu können.

Mitunter urteilen wir aber anhand des Röntgenbildes vorschnell und wählen eine Therapie, die bei Kenntnis des tatsächlichen Sachverhaltes die zweitbeste gewesen wäre.

In vorliegendem Fall erscheint die Obturation überwiegend homogen, wenngleich sie apikal ausserhalb der Wurzelkontur endet. Die ausgeprägte apikale Aufhellung lässt auch einen von apikal nach koronal voranschreitenden Riss in Frage kommen.

Die klinische Inspektion zeigte ein fehlen jeglicher Symptomatik bei gesunden paradontalen Verhältnissen. Eine Druckdolenz war nicht vorhanden. Ein klarer Fall für Zystektomie und Wurzelspitzenresektion? Sicher eine von 4 Möglichkeiten (Belassen, WSR, Extraktion oder Revision).

Die ausgeprägte knöcherne Lyse -die palatinale Lamelle ist teilweise nicht mehr vorhanden- ließe sich aber auch durch eine in der vestibulo-palatinalen Dimension unvollständige Wurzelfüllung erklären.

Da das „Begraben“ von Bakterien durch einen langen retrograden Verschluss jedoch, ehrlich gesagt, nicht zu meinen Therapiefavoriten zählt,  habe ich in diesem Fall zum Ausschluss einer Längsfraktur zur Revisionsbehandlung geraten. Auch wenn man einem vielleicht ein solches Geschehen angesichts der Länge und Dichte der Obturation als eher unwahrscheinlich erscheinen mag.

Klinisch kam es dann so, wie vermutet. Die kreisrunde Guttapercha hatte den tropfenförmigen Kanalquerschnitt nur unvollständig füllen können. Zwischen palatinaler Kanalwand und Guttapercha gelang es mühelos einen Microopener über zwei Drittel der Kanallänge nach apikal zu führen.

Die Entfernung der extrudierten Guttapercha erfolgte in bewährter Weise mit endometrisch auf 0,0 eingebrachten Hedströmfeilen beginnend bei ISO 15. Wichtig ist es hierbei , den Durchmesser der Hedströmfeilen allmählich zu steigern, um ein Verbringend er kontaminierten Obturationsmassen nach periapikal zu vermeiden. Kurz darauf kam es zu einer spontanen putriden Exsudation.

Insbesondere Sealer und das apikale Guttaperchastück waren deutlich verunreinigt.

Nach chemo-mechanischer Irrigation erfolgte in gleicher Sitzung das Einbringen von CaOH2 und der adhäsive Verschluss der Zugangskavität.

14 Tage später wurde das Kanalsystem nach erneuter Irrigation und Anlegen eines kollagenen Widerlagers apikal mit MTA und weiter Korona mit warmer Guttapercha gefüllt.

Ich bin schon auf das Recall gespannt, wünsche ein schönes Wochenende und rate immer ein klein wenig skeptisch zu bleiben.

 

 

4 Gedanken zu „Immer schön skeptisch bleiben 2

  1. Sehr schöner Fall Herr Wecker und ich gebe zu, auch primär chirurgisch gedacht zu haben.
    Ich bin ebenfalls auf die Recallbilder gespannt, ob sich die Skepsis auszahlt.

    Beste Grüße,

    Markus Thiele

    • Da die Zähne 13 und 14 nicht in den Schnittbildern, sondern nur in den Volume-Rendering-Abbildungen dargestellt sind, geht Ronald davon aus, dass sich Ihre Aussage auf diese Darstellung beziehen. Das gerenderte 3D-Bild kann in der Software bearbeitet werden und entspricht nicht den radiologischen Schnitten. Die radiologischen Schnitte zeigen einen durchgehenden Parodontalspalt an 13 und 14, sind jedoch im Beitrag nicht abgebildet, da die Schnittebenen an Zahn 12 ausgerichtet wurden.

    • Volume renderings oder surface renderings von DVT Datensätzen sind in der Regel recht weit von der anatomischen Realität entfernt und zumeist eher eine nette Animation. Zur primären Diagnostik sollte man sie nicht heranziehen, da sie weder volumetrisch noch linear eine adäquat genaue Repräsentation der untersuchten Anatomie aufweisen. Beste Grüße, Marc Semper

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