Gingivanekrose nach medikamentöser Einlage

von Donald Becker

Montag ist unser langer Start in die Woche.
Gestern noch mal 2 Stunden länger als normal – Anruf eines Ehemannes für seine Frau. Sie habe starke Schmerzen, Wurzelkanalbehandlung wurde am Donnerstag durch den Hauszahnarzt durchgeführt, die Schmerzen seien aber unverändert, das Zahnfleisch sei nun blau schwarz und löse sich ab.

In vivo zeigt sich dann ein Zahn 37 mit trepaniertem Cavitverschluss okklusal und unvollständigem Cavitverschluss vestibulär im Bereich einer subgingival reichenden Perforation. Die Patientin weist eine Gingivanekrose im Bereich der vestibulären Gingiva 37 und im Bereich der  – der Perforation aufliegenden – distalen Wangenschleimhaut auf. Der nekrotische Bereich ist nicht schmerzempfindlich, die angrenzenden Gingivabereiche dafür um so mehr.

Zum Einsatz kam zur Schmerzauschaltung „etwas ganz Neues“, sagte die Patientin. „Schlangengift“.

Als dieses bis Samstag keine Wirkung zeigte, beschloss der Behandler, dieses wieder zu entfernen, daher rührte vermutlich die Trepanation des Cavits, die den Blick auf ein Wattepellet freigab, die Schmerzproblematik jedoch nicht reduzieren konnte.

Was tun ?
Ich bitte, die Patientin in Erfahrung zu bringen, worum genau es sich bei besagtem Schlangengift handele. Vielleicht ist „Schlangengift“ ja nur eine Metapher, sage ich ihr.

Sie kontaktiert den Behandler und es stellt sich heraus, dass besagtes „Schlangengift“ keine neuartig innovative, sondern eine in der Zahnmedizin weithin bekannte Substanz ist, die zur Devitalisierung von Zähnen eingesetzt wird.

Ich entferne das Cavit und Wattepellet. Es zeigt sich eine pechschwarze fasrige Substanz mit einem eigentümlichen leicht metallischen Geruch.
Ich entferne auch diese sowie die vorhandene Karies und baue, nachdem ich das Pulpakavum mit Guttapercha aus dem BeeFill ausgeblockt habe, den Zahn mit einer dentinadhäsiven Restauration auf.

Anschließend lege ich Kofferdam, trepaniere, entferne die Guttapercha und stelle unter dem Dentalmikroskop die Kanaleingänge dar. Danach Spülung, Kathederisierung von 3 Wurzelkanälen, initiale reziproke Aufbereitung und abschließend eine Calciumhydroxideinlage und Verschluss der Trepanationsöffnung mit Glasionomerzement.

Und jetzt hoffe ich, dass die Schmerzen der Patientin zurückgehen und der Zahn erhalten werden kann.

Toxavit – Was in der Zeitung steht, stimmt, oder ?

von Hans – Willi Herrmann

von Hans – Willi Herrmann

Ich wollte vorgestern die (zahnmedizinische) Zeitung, die in der Post war,  schon ungelesen wegwerfen, aber dann hab ich doch zumindest mal durchgeblättert.

Und bin auf den Artikel über Toxavit gestossen, in dem ein Zahnarzt den Nutzen dieses Medikamentes ausdrücklich hervorhebt.

Seine Intention ?

Vermutlich ein Gegengewicht schaffen zu den kritischen Stimmen, dieses Mittel betreffend.
Kernaussagen seines Beitrags: Das berühmte Zitat von Paracelsus, jedes Ding sei Gift, es sei alles nur eine Frage der Dosierung und  – richtig angewandt, sei das Risiko, das dem Mittel ausgehen könne, extrem gering, demnach vernachlässigbar, oder akzeptierbar im Hinblick auf den Nutzen, den dieses Mittel biete.

Folge ich dieser Kausalkette, dann ist:

1.Der Hersteller  für Schäden, die durch das Präparat entstehen, nicht verantwortlich.

Denn diese Schäden entstehen nur bei unsachgemäßer Anwendung. Dafür kann das Präparat ja nichts, oder ?

2. Wenn Schäden entstehen sollten, dann ist demnach der Anwender dafür verantwortlich.

Und verantwortlich heißt dann aber auch, er muss diese Schäden und die negativen Konsequenzen für den Patienten, die daraus entstehen, verantworten. Dafür geradestehen.

Und solche Schäden treten auf.

Tag für Tag in Deutschland.

Nicht ohne Grund gehören  die Toxavit –  Artikel die meistgelesenen Artikel dieses Blogs.

Gerade mal einen Tag später wird in einer zahnmedizinischen Mailingliste folgender Fall eingestellt:

Der Kollege, auf einer berühmten Nordseeinsel beheimatet, schreibt: „Der Patient, Rollstuhlfahrer,  ist auf Urlaub hier. Schmerztherapie vor 7 Tagen in einer Berliner Klinik am Zahn 38 .“

Die Fotos zeigen eine massive Gingivanekrose (für den Laien, das Zahnfleisch ist abgestorben) nach Einsatz eines Devitalisierungsmittels (auf Hinweis der Firma „Lege Artis“ weise ich an dieser Stelle ausdrücklich darauf hin, dass es sich nicht um   Toxavit handelt). Es kann mit ziemlicher Sicherheit davon ausgegangen werden, dass auch der darunterliegende Knochen von der Nekrose betroffen ist.

In einer idealen Welt, das stimme ich dem Autor zu, hätte es diesen Schaden für den Patienten nicht gegeben.

Aber in der realen Welt, in der wir leben, passiert dies Tag für Tag.

Und DIES müsste nicht sein.
Wer die Verantwortung hierfür übernimmt, ob Hersteller oder Behandler,  ist mir egal.

Aber einer muss es tun.

Ihr Zeuge, Herr Kollege.