Schwarzes Gold …

von Ronald Wecker

… so nennen Studienkollegen meines Praxispartners ein paraformaldehydhaltiges Devitalisierungsmittel.

Weil es die klinischen Symptomatik einer akuten irreversiblen Pulpitis vorhersagbar beseitigt. Und das ohne endodontische Therapie.

Oder wie es in der Werbung lautet: Lege artis angewendet erleichtert …  die Behandlung und die Einhaltung der Termine.

Wie es ausgehen kann, wenn ein Devitalisierungsmittel auf einen suboptimalen temporären Verschluss trifft, zeigt das Beispiel dieser 13-jährigen Patientin.

16 26 D.001

Die Zähne 16 und 26 wurden „notfallmässig“ versorgt, wobei sich die Frage aufdrängt, ob der Notfall erst nach der offensichtlich ungenügend durchgeführten Ausführung der Erst-„Therapie“ ausgerufen werden muss.

Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass Eltern und behandelnde Person ein gutes freundschaftliches Verhältnis pflegen. Da stellt sich bei mir spontanes Kopfschütteln ein.

Gingivanekrose nach medikamentöser Einlage

von Donald Becker

Montag ist unser langer Start in die Woche.
Gestern noch mal 2 Stunden länger als normal – Anruf eines Ehemannes für seine Frau. Sie habe starke Schmerzen, Wurzelkanalbehandlung wurde am Donnerstag durch den Hauszahnarzt durchgeführt, die Schmerzen seien aber unverändert, das Zahnfleisch sei nun blau schwarz und löse sich ab.

In vivo zeigt sich dann ein Zahn 37 mit trepaniertem Cavitverschluss okklusal und unvollständigem Cavitverschluss vestibulär im Bereich einer subgingival reichenden Perforation. Die Patientin weist eine Gingivanekrose im Bereich der vestibulären Gingiva 37 und im Bereich der  – der Perforation aufliegenden – distalen Wangenschleimhaut auf. Der nekrotische Bereich ist nicht schmerzempfindlich, die angrenzenden Gingivabereiche dafür um so mehr.

Zum Einsatz kam zur Schmerzauschaltung „etwas ganz Neues“, sagte die Patientin. „Schlangengift“.

Als dieses bis Samstag keine Wirkung zeigte, beschloss der Behandler, dieses wieder zu entfernen, daher rührte vermutlich die Trepanation des Cavits, die den Blick auf ein Wattepellet freigab, die Schmerzproblematik jedoch nicht reduzieren konnte.

Was tun ?
Ich bitte, die Patientin in Erfahrung zu bringen, worum genau es sich bei besagtem Schlangengift handele. Vielleicht ist „Schlangengift“ ja nur eine Metapher, sage ich ihr.

Sie kontaktiert den Behandler und es stellt sich heraus, dass besagtes „Schlangengift“ keine neuartig innovative, sondern eine in der Zahnmedizin weithin bekannte Substanz ist, die zur Devitalisierung von Zähnen eingesetzt wird.

Ich entferne das Cavit und Wattepellet. Es zeigt sich eine pechschwarze fasrige Substanz mit einem eigentümlichen leicht metallischen Geruch.
Ich entferne auch diese sowie die vorhandene Karies und baue, nachdem ich das Pulpakavum mit Guttapercha aus dem BeeFill ausgeblockt habe, den Zahn mit einer dentinadhäsiven Restauration auf.

Anschließend lege ich Kofferdam, trepaniere, entferne die Guttapercha und stelle unter dem Dentalmikroskop die Kanaleingänge dar. Danach Spülung, Kathederisierung von 3 Wurzelkanälen, initiale reziproke Aufbereitung und abschließend eine Calciumhydroxideinlage und Verschluss der Trepanationsöffnung mit Glasionomerzement.

Und jetzt hoffe ich, dass die Schmerzen der Patientin zurückgehen und der Zahn erhalten werden kann.

Depulpin®-Einlage zur Devitalisierung eines Zahnes – Chronologischer Ablauf einer Knochen- und Schleimhautnekrose

von Volker Wettlin

Der Patient, männlich 48 Jahre alt, mit gutem Allgemeinzustand, konsultierte am 30.9.2009 wegen starker Beschwerden am Zahn 38 eine Medeco-Klinik in Berlin. Der Zahn 38 wurde dort trepaniert, und es erfolgte eine Einlage mit Depulpin® von Voco.

Der Patient wohnt abwechselnd in Berlin und auf Sylt. Er suchte mich 8 Tage später wegen heftiger Beschwerden in der Regio 38 auf. Mesiolingual des Zahnes 38 hatte sich eine ausgedehnte Nekrose gebildet (Bild 1). Ich habe die sehr insuffiziente provisorische Füllung entfernt. Darunter lag eine große Portion des Devitalisierungsmittels. Es wurde kräftig gespült und eine neue Med mit CaOH2 eingelegt, mit anschließendem erneuten festen Verschluß mit Fuji LC®. Auf Grund des sehr ausgedehnten Würgereizes war leider kein Einzelfilm-Rö anzufertigen, auf dem die gesamte Region 38 zu erfassen war.

Da es mein letzter Tag vor dem Urlaub war, musste ich den Patienten an einen Kollegen verweisen. Dort wurde der Zahn richtiger Weise Mitte Oktober 2009 entfernt (OPG vor der Extraktion – Bild 6; die Praxis ist nicht in der Lage, es mir besser zu mailen…)

Zurück aus dem Urlaub sollte ich die Naht entfernen. Die Nekrose heilte nur sehr langsam ab (Bild 2). Der Patient spülte täglich mit CHX 0,2%.

Anfang November brachte der Patient zur Kontrolle zwei Sequester in einem Röhrchen mit, die vor zwei Tagen von alleine abgestoßen worden waren (Bild 3 & 4). Die Heilung hatte sehr deutliche Fortschritte gemacht.

Der Patient war dann für eine lange Zeit in Berlin. Daher konnte ich ihn erst wieder Anfang Januar 2010 sehen. Es war in der Zwischenzeit zur vollständige Heilung gekommen (Bild 5).

Am 26.10.2009 meldete ich den Zwischenfall über das Formblatt in den ZM an die Arzneimittelkommission der BZÄK/KZBV. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich den genauen Präparatenamen noch nicht. Ich meldete eine „blaue Devitalisierungspaste“. Die BZÄK teilte mir mit Datum 16.11.2009 mit, daß sie den Fall an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) weitergeleitet hätten. Mit Datum 26.11.2009 fragte das BfArM, ob ich das genaue Präparat wisse. Erst am 21.12.2009 konnte ich den Patienten fragen, in welcher Berliner Medeco-Klinik er war (ich wusste zum Zeitpunkt des ersten Besuches nicht, daß es mehrere Medeco-Kliniken in Berlin gibt). In einem sehr unhöflichen Telefonat erfuhr ich dort von der Anwendung des Präparates Depulpin®. Meine Informationen zu diesem Fall wurden mit größter Ignoranz beantwortet….

Durch die Rückmeldung ans BfArm rief mich am 5.1.2010 ein wissenschaftlicher Mitarbeiter der Firma Voco an und erkundigte sich nach dem gesamten Verlauf  des Geschehens. Ich berichtete ihm alles. Da es sich um eine nicht sachgemäße Anwendung handelte, würde weiter nichts veranlasst werden.

Toxavit – Was in der Zeitung steht, stimmt, oder ?

von Hans – Willi Herrmann

von Hans – Willi Herrmann

Ich wollte vorgestern die (zahnmedizinische) Zeitung, die in der Post war,  schon ungelesen wegwerfen, aber dann hab ich doch zumindest mal durchgeblättert.

Und bin auf den Artikel über Toxavit gestossen, in dem ein Zahnarzt den Nutzen dieses Medikamentes ausdrücklich hervorhebt.

Seine Intention ?

Vermutlich ein Gegengewicht schaffen zu den kritischen Stimmen, dieses Mittel betreffend.
Kernaussagen seines Beitrags: Das berühmte Zitat von Paracelsus, jedes Ding sei Gift, es sei alles nur eine Frage der Dosierung und  – richtig angewandt, sei das Risiko, das dem Mittel ausgehen könne, extrem gering, demnach vernachlässigbar, oder akzeptierbar im Hinblick auf den Nutzen, den dieses Mittel biete.

Folge ich dieser Kausalkette, dann ist:

1.Der Hersteller  für Schäden, die durch das Präparat entstehen, nicht verantwortlich.

Denn diese Schäden entstehen nur bei unsachgemäßer Anwendung. Dafür kann das Präparat ja nichts, oder ?

2. Wenn Schäden entstehen sollten, dann ist demnach der Anwender dafür verantwortlich.

Und verantwortlich heißt dann aber auch, er muss diese Schäden und die negativen Konsequenzen für den Patienten, die daraus entstehen, verantworten. Dafür geradestehen.

Und solche Schäden treten auf.

Tag für Tag in Deutschland.

Nicht ohne Grund gehören  die Toxavit –  Artikel die meistgelesenen Artikel dieses Blogs.

Gerade mal einen Tag später wird in einer zahnmedizinischen Mailingliste folgender Fall eingestellt:

Der Kollege, auf einer berühmten Nordseeinsel beheimatet, schreibt: „Der Patient, Rollstuhlfahrer,  ist auf Urlaub hier. Schmerztherapie vor 7 Tagen in einer Berliner Klinik am Zahn 38 .“

Die Fotos zeigen eine massive Gingivanekrose (für den Laien, das Zahnfleisch ist abgestorben) nach Einsatz eines Devitalisierungsmittels (auf Hinweis der Firma „Lege Artis“ weise ich an dieser Stelle ausdrücklich darauf hin, dass es sich nicht um   Toxavit handelt). Es kann mit ziemlicher Sicherheit davon ausgegangen werden, dass auch der darunterliegende Knochen von der Nekrose betroffen ist.

In einer idealen Welt, das stimme ich dem Autor zu, hätte es diesen Schaden für den Patienten nicht gegeben.

Aber in der realen Welt, in der wir leben, passiert dies Tag für Tag.

Und DIES müsste nicht sein.
Wer die Verantwortung hierfür übernimmt, ob Hersteller oder Behandler,  ist mir egal.

Aber einer muss es tun.

Ihr Zeuge, Herr Kollege.

Toxavit – Auf Anhieb in die Top 3

von Hans – Willi Herrmann

Dieser Internet – Blog basiert auf WordPress als Kommunikationsplattform und man findet dort nicht nur Werkzeuge zum Erstellen und Auditieren der Beiträge, sondern darüber hinaus bekommt man auch Infos, mit welchen Stichworten als Suchbegriff unser Blog „WURZELSPITZE“ aufgesucht wurde.

Ein Stichwort taucht auffallend häufig auf: „Toxavit“.

Es vergeht seit Einstellen der Beiträge zu diesem Thema kaum ein Tag, an dem nicht nach „Toxavit“gesucht wird.
Und so ist der Beitrag „Toxavit -Nekrose“ innerhalb kürzester Zeit in der Hitliste der meistangeklickten Beiträge bereits auf Platz 3 vorgerückt.
Alle anderen Beiträge haben, um in diese Regionen vorzustossen, wesentlich länger benötigt oder konnten auf eine besondere Erwähnung an anderer Stelle zurückgreifen.

Offensichtlich scheint also ein nicht unerhebliches Interesse zu bestehen an Infos zu „Toxavit“.

Aber von wem geht es aus ?
Von den Zahnärzten ?
Eher unwahrscheinlich.
Die kennen sich mit diesem Material aus. Insofern ist hier meines Erachtens das Interesse nicht sonderlich hoch.

Oder doch von den Patienten, die in Kontakt mit dem Material gekommen und gegebenenfalls sogar unangenehme Erfahrungen damit gemacht haben? Darauf deuten zumindest Suchbegriffe wie „Toxavit Liegedauer“ und „Toxavit Nekrose“ hin. Anbei Suchanfragen von heute.

Wenn dem so wäre, dann gibt es offensichtlich doch häufiger Probleme mit Toxavit oder die Patienten stellen zumindest hinsichtlich der Natur des Materials Nachforschungen an.

Das sollte jeden Toxavit – Anwender nachdenklich machen.

 

Toxavit Suchworte

Toxavit – Nekrose

von Hans – Willi Herrmann

Gestern habe ich einer Patientenbroschüre folgenden Satz gelesen: „Wenn bei einem stark entzündeten Zahn Schmerzen vorhanden sind, legt man ein Medikament in den Zahn ein und wartet ein paar Tage ab, dann kann man die Behandlung schmerzfrei durchführen“.

Ich kann nur hoffen, dass nicht Toxavit als Medikament gemeint ist, denn nachfolgender Fall aus einem unserer letzten Notdienste ist mir nachhaltig in Erinnerung geblieben.

Die  Patientin, eine junge Frau um die Zwanzig suchte mit starken Schmerzen unsere Praxis auf. Wenige Tage zuvor war ein Zahn 24 anbehandelt worden, der Zahn war mit einer provisorischen Füllung, vermutlich Cavit oder einem ähnlichen Material verschlossen.

Auffällig war eine interdentale Nekrose des Zahnfleisches, die sich bei dieser jungen Patientin nur an dieser Stelle in ihrem parodontal absolut einwandfreien Gebiss wiederfand.

Nach Entfernung der provisorischen Füllung zeigte sich eine schwarze fasrige Masse.
Toxavit war vom Behandler in den Zahn eingelegt worden, hatte sich seinen Weg durch eine bestehende Karies und Undichtigkeiten zwischen Zahn und Füllung in den Interdentalraum geschaffen und dort eine Nekrose des Zahnfleisches und des in diesem Bereich befindlichen Knochens ausgelöst.

Wir konnten die Patientin von ihren starken Schmerzen befreien.
Der Verlust an Zahnfleisch und Knochen war jedoch nicht mehr rückgängig zu machen.

Was auf den Bildern dem Laien noch vergleichsweise harmlos erscheinen mag, ist nur der Vorbote eines im Laufe der nächsten Tage und Wochen noch deutlich zunehmenden Zerstörungsprozesses, der schlimmstenfalls sogar zum Verlust von Zähnen führen kann. Da die Patientin nur im Rahmen einer Notdienstbehandlung zu uns kam, liegen uns keine Fotos des weiteren Krankheitsverlaufes vor.

Einen ähnlichen Fall hatte ich in meinem ersten Notdienst als Zahnarzt überhaupt, im Mai 1991.

Damals musste ich einem Patienten einen Zahn mit Toxavit – Nekrose entfernen und hatte die Gelegenheit (der Patient war so dankbar, dass ich ihn nachts um halb drei von seinen starken Schmerzen befreite, dass er  6 Wochen lang 60 KM pro Fahrtstrecke immer wieder zu mir zur Nachsorge kam), den weiter fortschreitenden starken Knochenverlust in diesem Kieferbereich zu verfolgen.

Ich hatte bis dato noch nie Toxavit verwendet und für mich war seit dieser Zeit klar, dass ich diesen Material auch nie verwenden werde.

Ich kann nur an jeden Kollegen appellieren, ebenso zu verfahren, zumal heutige Anästhesie – Techniken eine Schmerzauschaltung auch in Fällen starker Entzündung ermöglichen und daher niemand mehr routinemäßig auf paraformaldehydhaltige Medikamente zurückgreifen muss.