Anatomie unterer Molaren (5) – Radix entomolaris

von Bonald Decker

In der Vergangenheit haben wir wiederholt Beiträge über die Anatomie unterer Molaren verfasst. Nachzulesen hier: A.u.M 1, 2, 3 & 4

Heute möchte ich aus gegebenem Anlass auf die Radix entomolaris eingehen. Schliesslich kommt es nicht häufig vor, dass man diese Laune der Natur bei einem Patienten zweimal antrifft…

Eine solche zusätzliche dritte Wurzel wurde erstmals von Carabelli in der Literatur erwähnt. Findet sich diese distolingual, so wird sie als Radix entomolaris (Re) benannt. Sehr klein ausgeprägte Formen werden auch als Radiculae appendiciformes bezeichnet. Sie kann im koronalen Drittel teilweise oder auch vollständig mit der distalen Wurzel verschmolzen sein. Ihre Form reicht von einer lediglich sehr gering ausgeprägten kurzen konischen Form bis hin zu einer normal ausgebildeten  Wurzel regulärer Länge. Als Kanalkonfiguration findet sich in aller Regel ein Typ I nach Vertucci.

Eine zusätzliche (mesio-)bukkal lokalisierte Wurzel wird als Radix paramolaris (Rp) bezeichnete.

Carlsen und Alexanderson haben die Re in Abhängigkeit ihrer Zervikalregion in 4 Typen unterteilt:

Typ A: distal lokalisierter Anteil der RE mit drei Anteilen, die lingual, medial und fazial angeordnet sind.

Typ B: distale Anordnung von zwei (quasi) gleichgroßen Wurzelanteilen, die lingual und fazial angeordnet sind.

Typ C: mesial lokalisierter zervikaler Anteil

Typ AC: zentrale Position zwischen den mesialen und distalen Wurzelanteilen

De Moor et al. klassifizierten die Re in drei Untergruppen in Abhängigkeit der Wurzelkanalkrümmung:

Typ I: gerade Wurzel/Wurzelkanal

Typ II: initial gekrümmter Kanal, der sich im weiteren Verlauf gerade fortsetzt

Typ III: Initiale Krümmung im koronalen Drittel gefolgt von einer zweiten Krümmung, die sich vom mittleren bis ins apikale Wurzeldrittel erstreckt.

De Souza-Freitas et al. weisen darauf hin, dass supplementäre Wurzeln bei Asiaten häufiger distal und nur sehr selten mesial vorkommen, während mesiale überzählige Wurzeln bei Europäern häufiger sind als distale. Das Auftreten einer separaten Re bei ersten Unterkiefermolaren ist besonders mit bestimmten ethnischen Gruppen vergesellschaftet. Bei afrikanischen Völkern wird eine Häufigkeit von 3% angegeben während in Eurasien und Indien die Zahl unter 5% liegt. In Bevölkerungsgruppen mit mongolischen Merkmalen (wie z.B. Chinesen und Eskimos) wird von einem Vorkommen von bis zu 30% ausgegangen. Die Re gilt daher als eumorphe Wurzelmorphologie.

Bei kaukasischen Bevölkerungen ist das Auftreten einer Re selten und hat eine maximale Prävalenz von 3,4 bis 4,2%.

Schäfer et al. untersuchten das Patientengut einer deutschen Zahnklinik und konnten eine Prävalenz von 1,35% feststellen. Diese Seltenheit erklärt, warum die Re in diesen Bevölkerungsgruppen als dysmorphe Form angesehen wird.

Während Loh ein vermehrtes Auftreten der Re im 3. Quadranten beschreibt, konnten Schäfer et al. in ihrer Studie keinen statistisch signifikanten Unterschied finden. Von einem bilateralen Auftreten ist in 50 bis 67% der Fälle auszugehen.

Grundsätzlich gilt, dass eine Re bei allen UK Molaren vorkommen kann, wobei sie bei 2. Molaren am seltensten ist. Die Prävalenz ist bei den Geschlechtern ist geschlechtsunspezifisch.

Weiterführende Literatur zu dieser Thematik findet sich hier


In dem gezeigten Fall handelte es sich im Übrigen um einen Patienten asiatischen Ursprungs.