Beinahe übersehen …

… hätte ich bei diesem 45 den Umstand, dass dieser Zahn statt, wie im DVT auf den ersten Blick vermutbar, zwei, in Wirklichkeit drei Kanalsysteme aufweist.

Das vom überweisenden Kollegen übermittelte OPG nach initialer endodontischer Therapie, lässt bereits aufgrund des nach distal von der Mittelachse abweichenden Medikaments den Verdacht nach einem weiteren, lingual gelegenen, Kanalsystem aufkommen.

Mit dieser Vermutung im Hinterkopf habe ich daraufhin das DVT betrachtet. Klar zu sehen war das bislang uninstrumentierte linguale Kanalsystem. Achtung: Offensichtlichtskeitsfalle!

Den bereits im DVT vorhandenen Hinweis auf die tatsächliche Anatomie habe ich erst intraoperativ wahrgenommen. Der Anlass war eine taktile Rückmeldung, als die nicht perfekt in den bukkalen Kanal eingeführte ProFile 15/04 im Pulpakammerboden „klebte“ anstatt mir eine harte Rückmeldung zu geben, wie es passiert, wenn man in solidem Dentin arbeitet.

Nachdem sich dieses Gefühl zwei Mal wiederholte, habe ich mir das DVT noch einmal genauer betrachtet und bemerkte, dass in der horizontalen Ansicht zwei kleine Einpressungen von medikamentöser Einlage zu erkennen waren. Auch im frontalen Schnitt war dieser Umstand zu erkennen. Zwei Minuten später war der bisher unentdeckte MB-Eingang dargestellt, indem ich den kleinen Überhang mit einer 20’er U-File entfernt hatte.

Zwar hauchten einige ProFiles 15/04 und 15/06 ihr Leben aus, aber nach ca. 20 Minuten waren alle Kanalsysteme patent.

Eine weitere Besonderheit kam nach der schallunterstützten Spülung zum Vorschein: alle Kanalsysteme konfluierten apikal. Der Flüssigkeitsaustausch zwischen den Kanälen zeigte dies klar an. So überraschte es nicht mehr, dass der Sealer – zunächst in L eingebracht – kurz darauf auch in MB und DB auftauchte.

Meine Lehre aus diesem Fall? Immer schön skeptisch bleiben und auch kleinste Abweichungen von der Symmetrieachse verfolgen. Denn obwohl das X800M in diesem Fall mit einer Auflösung von 8/100 Millimeter erstellt worden war, konnte es den unwesentlich kleineren Hohlraum im achsialen Schnitt nicht darstellen.