Traumaspätfolge

von Ronald Wecker

Der Patient stellte sich in unserer Praxis 11 Monate nach einem an den Zähnen 11 und 22 erlittenen Trauma aufgrund einer Fistelung in regio 11 vor.

R1

Zahn 21 wurde an einer deutschen Universitätszahnklinik 8 Wochen nach dem Trauma endodontisch behandelt. Die restaurative Behandlung – adhäsive Versorgung der unkomplizierten Kronenfraktur der Zähne 11 und 21 – war ebenfalls in dieser Klinik erfolgt.

De Kronenwurzelfraktur des Zahnes 21 wurde erst am Tag nach der Erstversorgung erkannt, da der Röntgenentwickler den Zahnfilm über Stunden nicht freigeben wollte.

Bei der Erstvorstellung in unserer Praxis zeigte sich an Zahn 11 eine labial gelegene aktive Fistelung, die nach Aussagen des Patienten dort seit ungefähr 4 Wochen bestand. Der palatinal gelegene kieferorthopädische Retainer hatte sich an 11 gelöst. Aus den mitgebrachten Kopien der Behandlungsunterlagen war ersichtlich, dass Zahn 11 in den ersten Monaten nach dem Trauma reproduzierbar positiv auf Kältereiz reagiert hatte.

Der durchgeführte Kältetest und der elektrische Sensibilitätstest fielen für Zahn 11 negativ aus. Zahn 21 wies eine Kompositrestauration der klinischen Krone auf. Distobukkal an Zahn 22 betrug die Sondierungstiefe 3 mm. Die Gingiva war in der Mikrostruktur blumenkohlartig verändert, jedoch ohne entzündliche Zeichen.

Das angefertigte Einzelbild liess an 11 eine ausgeprägte apikale Aufhellung sowie Anzeichen einer vermutlich entzündlich bedingten externen Resorption der Wurzel erkennen. 21 zeigte apikal ebenfalls eine Aufhellung. Die Wurzelfüllung erschien inhomogen und insbesondere im koronalen Anteil nicht wandständig.

Um den Verlauf des Bruchspaltes der Kronen-Wurzelfraktur beurteilen zu können sollte ein DVT erstellt werden. Da die vorhandenen Obturationsmaterialien zu Artefakten im DVT führen können, wurde geplant das DVT erst nach Entfernung des KFO-Retainers und der intrakanalären Fremmaterialien in Zahn 21 anzufertigen.

Nach initialer endodontischer Therapie an Zahn 11 erfolgte in der ersten Behandlungssitzung die Entfernung der Wurzelfüllung in Zahn 21. Die koronalen Anteile des Füllmaterials wiesen erhebliche Kontaminationsspuren auf. Der Kanalquerschnitt schien überwiegend mit Sealer gefüllt zu sein. Bei der Entfernung des apikalen Anteils der Wurzelfüllmasse wurde versehentlich ein kleines Stück nach periapikal verbracht. Aufgrund der nachlassenden Anästhesiewirkung, der damit auftretenden Missempfindung und der zunehmenden Blutung von periapikal, wurde nach temporären Verschluss der ungefüllten Kanäle das DVT erstellt. Anschliessend erfolgte die Einlage von CaOH2 und der adhäsive Verschluss der Zugangskavitäten. Das periapikal befindliche Material sollte in der zweiten Behandlungssitzung entfernt werden.

Aufgrund der aus 21 aufsteigenden Blutung konnte kein homogenes Einbringen des CaOH2 realisiert werden.

Das DVT lässt distolabial an Zahn 21 eine ca. 4 mm unter Knochenniveau endende Kronen-Wurzelfraktur erkennen. Klinisch war intrakanalär keine Rissbildung zu erkennen. Apikal des Foramens und leicht mesial davon ist deutlich der nach periapikal evrbarchte Guttapercharest zu erkennen.

Zahn 11 weist einen fast vollständigen Verlust der labialen Knochenlamelle und eine ausgedehnte apikale Lyse auf.

In der zweiten Behandlungssitzung war die Fistelung an Zahn 11 abgeheilt. Die Entfernung des Guttaperchastücks gelang innerhalb kurzer Zeit mittels Microdebrider und Ultraschallansätzen.

Da beide Zähne periapikale knöchere Krypten aufwiesen, wurde vor Obturation mit MTA je ein periapikales Widerlager angelegt.

Langfristig stellt die ästhetische Versorgung sowie die parodontale Prognose im Bereich der Kronen-Wurzelfrakturdes Zahns 21 eine große Herausforderung dar.

12 Gedanken zu „Traumaspätfolge

  1. Frage zu der Messaufnahme: wurden die Feilen auf elektrometrische Länge eingestellt? Wurden die irgendwie vor dem Auslösen verschoben? Besonders 11 sieht zu lang aus… Vielleicht ein Messfehler wegen der apikalen Lassen? Wie genau wurde das Guttaperchastück apikal entfernt?

    Danke und Gruß,
    Gregor

    • Die Feilen werden von Herrn Wecker immer so ausgewählt, dass sie mit deutlicher Friktion sitzen. Die Einprobe erfolgt nachdem zuvor mit einer nicht klemmenden Feile mehrfach die Länge endometrisch bestimmt wird. Betrachtet man die Ausgangssituation mit der apikalen Resorption ist auch denkbar, dass die lateral der Feile gelegenen Wurzelareale in der Aufnahme nicht zu erkennen sind, da die Feile ja einen großen Durchmesser aufweist. Ein Verschieben der Feile ist theoretisch denkbar wird aber mit obigem Vorgehen so gut wie in allen Fällen verhindert.

      Die apikale Läsion sollte keine Verfälschung der Messung hervorrufen können. Die Endometriegeräte ab der 4. Generation messen nicht mehr die Gewebeimpedanz sondern die Elektrodenimpedanz. Apikal Lysen beeinträchtigen daher die Messung nicht mehr.

      Die Guttapercha wurde zunächst im DVT lokalisiert. Anschliessend ein verlängerter Microdebrider nach periapikal durch den „Gewebevorhang“ eingebracht und das Stück visualisier. Die Entfernung gelang, nachdem anschliessend die Guttapercha mittels Endosonorefeilen im Umfang reduziert wurde. Der Rest konnte hier mit einem Capillary-Tip entfernt werden (ansaugen).

      Herzliche Grüße

      Jörg Schröder

      • Danke für die Ausführung, bei genauerer Betrachtung der Bild an einem richtigen Computer (ich schaue Wurzelspitze-Beiträge meist auf einem Handy oder Tablet an, was neben schlechterer Optik manchmal auf wie oben zu sehen zu komischen Wortfindungen führt [ „Lassen“ statt „Läsion“]) kann man am 11 doch noch mehr Substanz erkennen und die Feile sieht auf Länge aus.
        Wurde nur CHX als Spülung verwendet bei der Angelaktion über den Apex hinaus?

        Bezüglich Endometrie: auch ich war ein Verfechter der Meinung “ Die Endometriegeräte machen keine Fehler, ich als Anwender mache Fehler“, aber inzwischen nach ein paar Fällen muß ich leider sagen, das manchmal Fehlmessungen stattfinden, auch bei apikalen Lysen (ich nutze das Raypex 5). Ich habe um Gerätefehler auszuschließen ein Gerät von MedicNRG besorgt und messe doppelt wenn die Werte nicht reproduzierbar sind oder irgendwie spinnen… Bisher klappt alles.

        Danke erneut,

        Gregor

        • Ja bei den periapikalen Aktionen spült Herr Wecker mit CHX.

          Ich persönlich bin nach Jahren des Messens mit einem Raypex 4 wieder auf das gute alte RootZX (jetzt Dentaport ZX) zurückgekommen. Misst sehr feinfühlig. (Vorschub korreliert mit dem Voranschreiten der Anzeige).

          Herzliche Grüße

          Jörg Schröder

          • Ich messe – entgegen der Herstellerangaben – gern mit physiolog Salzlösung gegen die Werte der anderen Spülflüssigkeiten. Und periapikal ist Jod auch ein gutes Mittel der Wahl: einzig die Allergeniserungsrate ist nicht so toll, aber Jod ist nicht ganz so zelltoxisch wie CHX.

      • Hi Jörg,
        für alle Resorba Fans: die Fa. bietet gute Prä OP Formulare zum Thema equiner Ursprung und BSE an zum Download.

        Ganz andere Frage: was geschah nun mit der Fraktur? Subgingival geglättet und Attachment dran wachsen lassen? Oder fandest Du sie subgingival so beeinträchtigend, daß Du sie mit viel mehr Aufwand behandeln willst? ( Extrusion…. etc.?) Gruß Stefan

        • Soweit ich weiss, hat Ronald Patient und Überweiser verschiedene Vorgehensweisen skizziert. Die Lage der Fraktur (4mm unter Knochenniveau) lässt ein Glätten/Entfernen und späteres Ergänzen als nicht vielversprechend erscheinen. Klinisch liegt die Sondierungstiefe bei 3 mm. Die Gingiva zeigt geringe Entzündungszeichen. Eine Extrusion durch Kieferorthopädie mit begleitendem Durchtrennen der cervikalen Bindegewebsfasern und die Versorgung des Zahnes nach Exterusion mit einer laborgeferigten Restauration erscheint Ronald die sinnvollste Variante. 1 Jahr nach Fraktur ist das klinische Ergebnis akzeptabel. Die Langzeitprognose wird an 21 sicher am meisten von einer gesunden parodontalen Situation beeinflusst werden.

          Herzliche Grüße

          Jörg

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