Die Mutter aller WF – Revisionen – Recall nach 5,5 Jahren

von Donald Becker

Den nachfolgenden Fall habe ich immer „die Mutter aller WF – Revisionen“ genannt, weil er eigentlich alle Schwierigkeiten, die es im Rahmen einer WF Revisionen geben könnte, auch wirklich enthält.

11 an der Zahl.

Der überwiesene Patient, GKV versichert, hatte , nachdem wir den Zahn 37 wurzelkanalbehandelt hatten, mehrmals nachdrücklich darum gebeten, den vor etwa 8 – 10 Jahren endodontisch behandelten und zeitweilig symptomatischen Zahn 36 mit

  • Fistel
  • Apikalen Aufhellungen
  • Lateraler Aufhellung
  • Interradikulärer Aufhellung
  • Wurzelstift
  • Via Falsa / Perforation
  • Vorhandenes Instrumentenfragment
  • insuffizienter Wurzelfüllung
  • Stufen, Verblockungen,Obliterationen
  • 9 mm Tasche

durch eine Wurzelkanalrevision zu erhalten.

Ich hatte dies, mit Hinweis auf ein Implantat als in diesem Fall vorhersagbarerer und sichererer Versorgungsform 3 mal nacheinander abgelehnt, aber der Patient kam immer wieder, so dass ich schließlich in den Versuch des Zahnerhaltes einwilligte.

Mittlerweile sind 5,5 Jahre seit WF vergangen.
Die Zähne 37 und 36 sind mit Metallkeramikkronen und der Zahn 35 ist mit einer direkten Kompositrestauration versehen.

Das aktuelle Kontrollröntgenbild von vorletzter Woche zeigt eine vollkommene knöcherne Ausheilung aller ehemals vorhandener Knochendefekte.

Ein schönes Ergebnis und ein wirklicher Grund zur Freude für Patient und Behandler.

Nur eines macht mich nachdenklich.
Wäre es nicht fair, wenn der Patient, der die gesamte endodontische Behandlung aus eigener Tasche gezahlt hat, von seiner Krankenkasse angesichts des Heilungserfolges den Teil der Kosten übernommen bekäme, der in der der GKV für die endodontische Behandlung eines solchen Zahnes vorgesehen ist ?

15 Gedanken zu „Die Mutter aller WF – Revisionen – Recall nach 5,5 Jahren

  1. „Wäre es nicht fair, wenn der Patient, der die gesamte endodontische Behandlung aus eigener Tasche gezahlt hat, von seiner Krankenkasse angesichts des Heilungserfolges den Teil der Kosten übernommen bekäme, der in der der GKV für die endodontische Behandlung eines solchen Zahnes vorgesehen ist ?“

    Definitiv nicht! Die „Kasse“ hat ja (u.a. von meinen Beiträgen) schon einmal einen „Erfolg“ bezahlt (außer die erste WKB am 36 wurde „ehrenamtlich“ durchgeführt).

    Wäre es nicht fairer, wenn der Verursacher des verschissenen Misserfolges

    1. die vermutlich der „GKV“/KZV in Rechnung gestellte WKB zurück erstatten müsste
    2. für die durch sein unprofessionelles Herumgewurzel entstandenen Schäden haften würde?

    Sprich: der Patient bekommt von der „GKV“/KZV den vom Erstbehandler zurückerstatteten „Kassenanteil“ und vom Verursacher der Komplikationen den Differenzbetrag für das zahnärztliche Honorar für die Revision.

    Viele Grüße

    K. Wieland

    • Hallo Herr Wieland,

      dass heißt, sie vertreten die Meinung,

      1. die Krankenkassen sollten einem Patienten, unabhängig von der Qualität der ehemals durchgeführten Wurzelkanalbehandlung, eine Revision auf Krankenversichertenkarte verweigern ?
      2. Bei einem Misserfolg soll die Krankenkasse den Behandler in Regress nehmen und er muss ausserdem für die Folgekosten aufkommen ?

      Herzliche Grüße

      H.W. Herrmann

      • Sehr geehrter Herr Herrmann,

        nur für’s Protokoll und fachfremde Mitleser:

        Krankenkassen geben für Wurzelkanaltherapien kein Geld an Zahnärzte, sondern stellen ein Budget für die Zahnärzteschafft (KZV), aus dem die Selbstverwaltung nahezu ungeprüft an die Zahnärzte auszahlt. Den Krankenkassen weise ich hier ausnahmsweise mal keine Schuld zu!

        Zu 1 (Vergütung e. Rev. durch KK):

        Wann wird denn eine Revision durchgeführt? Wenn alles top ist? Oder eher wenn bei der Vorbehandlung ein Fehler unterlaufen ist?

        Wohl letzteres. Wenn der Fehler von mir begangen wurde, bringe ich diesen selber in Ordnung. Das sehr lästig ist und kostet sowohl meine Zeit als auch mein Geld. Bei diesem Anspruch reduzieren sich Fehler sehr schnell, vorausgesetzt, man ignoriert keine Fehler und guckt fleißig weg (was ja offensichtlich bei der Erstbehandlung Ihres Falles passiert ist).

        Wenn ich weiß, dass ich eine Situation nicht beherrsche, beginne ich die Behandlung erst gar nicht. Das würde so manchem Kollegen/Kollegin vermutlich auch ganz gut zu Gesicht stehen. Erst nach Fortbildung geht es dann wieder weiter.

        In der Ausgangssituation Ihres Falles wurde die Wurzelkanäle nicht vollständig aufbereitet (weit davon entfernt), dafür jedoch ein Instrument frakturiert. Der Röntgenbefund hat zu keiner Zeit irgendeiner Vorgabe der KZV bezüglich einer Ergebnisqualität entsprochen. Als ob das noch nicht reichen würde, wurde fahrlässig ein Stift gesetzt. Um das alles noch zu topen der Zahn überkront. Fundament grausam bestellt und danach „hochwertig“ (also teuer) versorgt, wobei der Randschluss der Krone im Rö-Bild einen sehr bescheidenen Eindruck macht. Aber im Prinzip verwundert das nicht. Es ist ein und die selbe Handschrift, konsequent schlecht.

        Wenn die Erstbehandlung kostenlos und weder zu Lasten des Patienten noch der KZV/PKV durchgeführt wurde, ist das zahnmedizinisch immer noch schlecht, jedoch differenziert zu betrachten.

        Allerdings halte ich jede Wette, dass alles in Rechnung gestellt wurde, obwohl eben nicht richtlinienkonform.

        Zum Glück konnten Sie den Zahn retten und erhalten und präsentieren uns ein wirklich tolles Ergebnis! (Um so mehr verwundert es mich, dass Sie ein Implantat empfehlen würden…). Natürlich ist das eine sehr aufwändige Behandlung, die angemessen Vergütet werden muss. Keine Diskussion. Aber von wem? Die KZV wurde bereits bei der Erstbehandlung um einen gewissen Betrag geprellt und soll nun nochmals bezahlen? Verstehe ich nicht. Die KZV könnte die korrekte (Ihre) Therapie bezahlen und sich den vom Vorbehandler unkorrekt in Rechnung gestellten Betrag wieder holen. Dann wäre es o.k. Aber so funktioniert das System nicht.

        Zu 2 (Regress durch Zahnarzt):

        Wenn offensichtlich so ein Schluder vorliegt wie bei der vorgestellten Erstbehandlung, ich zitiere:

        „Via Falsa / Perforation
        Vorhandenes Instrumentenfragment
        insuffizienter Wurzelfüllung
        Stufen, Verblockungen, Obliterationen“

        Ganz klar: ja! Von einem Tag auf den anderen hört dann das Geschludere auf. Oder wir gehen den amerikanischen Weg und Patienten fangen an zu klagen. Das ist sicher der teurere Weg…

        Der Zahnarzt vorher hat doch mit jedem Kontrollröntgenbild gesehen, dass er die Sache verschlechtert. Trotzdem hat er die „Therapie“ bis zur Krone durchgejagt… Das darf doch nicht belohnt werden. Da ist doch nirgendwo Schicksal im Spiel (Lentulo eventuell, aber auf den kann man eigentlich verzichten). Natürlich ist jede zahnmed. Therapie immer ein Kompromiss, da eine rest. ad integ. nicht realisierbar ist. Aber in der gezeigten Häufung von Fehlern das Schicksal als Erklärung heranzuziehen, scheint mir unangemessen. Also bleibt die Schuld beim Behandler. Der hätte die „Therapie“ ja auch abbrechen können:

        Kanäle nicht vollständig sondierbar -> Therapieabbruch!

        Nein, weitergemacht.

        Lentulo frakturiert -> Therapieabbruch!

        Nein, weitergemacht.

        (zwangsläufig) Insuffiziente Wurzelfüllung -> Therapieabbruch!

        Nein, weitergemacht.

        Wurzelstift gebohrt, perforiert -> Therapieabbruch!

        Nein, weitergemacht.

        Krone draufgesetzt.

        Das soll die KZV/PKV/der Patient/die „Kasse“ bezahlen????
        Nein. Hat sie aber. Ironie des Schicksals, dass das Geld, das zur Verfügung stand dafür locker gemacht wird Schludre zu vergüten und dann für die um Welten bessere Therapie nicht mehr zur Verfügung steht.

        Die Therapie iatrogener Schäden sollte „iatrogen“ vergütet werden.

        Viele Grüße

        K. Wieland

        p.s.: Vielleicht bin ich aber auch einfach nur neidisch, weil ich für die (gefühlt) viele Mühe, die ich mir gebe, dass gleich Honorar bekomme wie die Zahnmediziner, die den Kompensationsspielraum des Organismus effizienter ausreizen und beim Ergebnis größere Kompromisse eingehen.

        • Bei einem ähnlichen Fall (Revision notwendig nach 10 Jahren) gab die Kasse(GKV!!!) auf Anfrage gekannt, dass diese Revision wie eine normale Endo abgerechnet werden kann! Vielleicht war die Sachberarbeiterin sehr nett, aber auf jeden Fall wurde der Zahn erhalten.

          Zu dem Thema was im „PS“ genannt wurde: ich bezweifele immer meine Sachkenntnis oder Fähigkeiten, wenn ich z.B. für eine schöne Füllung in Komposit 30min und länger brauche, und Helferinnen (zum Probearbeiten aus anderen Praxen) erzählen wie es bei denen läuft. Die letzte „Probearbeiterin“ war erstaunt wieviel Zeit ich mir z.B. für ein Cerec nehme, und nicht wie in ihrer Praxis, wo die KOMPLETTE Arbeitszeit für eine Restauration 30min beträgt (präparieren, scannen, ausschleifen, einkleben). Ist mein Verhalten unwirtschaftlich? Ja! Aber das ist mein Problem wenn ich „so langsam bin“, ich stehe aber hinter jeder meiner Arbeiten. Warum bezahlt mich die Kasse/KZV nicht so, das ich gute Medizin leisten kann und gleichzeitig wirtschaftlich bin? Wir leben im Kapitalismus und (hoffentlich) auch in der Realität. Irgendwo hatte mal einer treffend erwähnt:“ Eine Ä3 muß mind. 10min dauern, ist aber nach 6min unwirtschaftlich…Was soll der Quatsch?“

          Ich gebe aber auch offen zu: ich bin neidisch! Neidisch auf super Umsatz- & Gewinnzahlen, riesen Patientenansturm und die Fähigkeit mit ruhigem Gewissen bei gemachtem Pfusch schlafen zu können.
          Ein paar Beispiele aus Praxen die sich NICHT retten können vor Zulauf: 180€=15min PZR (aber nur mit Air-Flow „Classic“!!); F2 in Amalgam ohne Matrizen; Kompositfüllungen die auf GIZ („wegen der Feuchtigkeitsintoleranz von Kunststoff, GIZ hat mit Nässe überhaupt kein Problem“) gelegt, und NICHT poliert werden („schleift sich doch eh alles glatt“) von einem Kollegen, der mit seinem Fachwissen diese Fehler eigentlich nie machen dürfte, aber mit genau diesen „Titeln“ Patienten anlockt… Nimmt man die einzig nehmbaren Größen – den Erfolg nach außen und den Gewinn in Euro – zur Beurteilung, so sind diese Praxen die mit den besseren „Behandlern“, alles andere ist subjektiv, und wurde glaube ich hier im Blog schonmal angesprochen…

          In dem Sinne: frohes Arbeiten, viel Erfolg, Spass und zufriedene Patienten…

          Gruß Gregor

        • Hallo Kollege,
          stimme im Grossen und Ganzen zu.
          Allerdings möchte ich zu bedenken geben, dass eine weitergehende (als derzeit zumindest im Rahmen der GKV, hinsichtlich möglicher Abrechnungsfehler) Kontrolle der durchgeführten Behandlungen nicht wirklich realistisch ist.
          Wer sollte das bezahlen, wie sollten eventuelle Sanktionen gegen „falsch“ behandelnde Kollegen aussehen, wer würde darüber entscheiden?
          Wenn eine Fehlbehandlung vorliegt, wie sollte Ihrer Ansicht nach eine Entschädigung aussehen?
          Um Missverständnissen vorzubeugen, es geht mir keineswegs darum mässige Motivation seitens einiger (?) Kollegen zu entschuldigen, noch darum solche Kollegen in Schutz zu nehmen. Genau wie Sie empfinde ich teils Frustration, wenn ich sehe, wie wenig Mühe sich mitunter gegeben wird, und trotzdem recht schamlos Rechnungen gestellt werden, unter anderem daran krankt ja auch unser System.

          Leider sehe ich keine Möglichkeit solche unrechtmässigen Behandlungen zu grundsätzlich zu verhindern. Daher kann ich nur vor meiner eigenen Haustür kehren und das so gut ich eben vermag (mit dem Wissen, dass auch bei mir nicht alles Gold ist, was glänzt)

          Marcus Pittrof

  2. Die Instrumentenfraktur wurde nicht mit aufgezählt :D… Wurde das Fragment (Lentulo?) belassen und seitlich passiert? Was würden Sie heute bei einem ähnlichen Fall anders machen (Protokolländerungen)?

    Danke und Gruß,

    Gregor

    • Hallo Herr S.,

      Ich habe gehört, Donald Becker hat versucht, das Fragment zu entfernen, ohne Erfolg. Plan B ist dann immer der Versuch des Bypassing, der wie zu sehen, gelang.
      Was er anders machen würde heute ? Nichts. Ich denke, er würde alles genauso wieder machen, insbesondere wieder versuchen, den Patienten zu überzeugen, dass in solchen Fällen ein Implantat die vorhersagbarere Alternative darstellt.

  3. Hallo Herr W/B/Decker,

    eine sehr schöne Dokumentation!

    Zur Fairness: die KK würde entgegen halten: scheinbar nicht „vergeigbare“ Wurzelbehandlungen müssen, sollte der Behandlungserfolg ausbleiben, rückerstattet werden- so wie es bei der ersten WKB der Fall war.

    Trauriges Beispiel aus dem Notdienst: Zahn 37 mit WKB, eine Woche zuvor bei völlig unauffälligen klinischen Verhältnissen abgefüllt, danach vollkommen beschwerdefrei und dann doch wegen einer Wurzelfraktur nach Nussgenuss extrahiert. Würden Sie das KZV-Honorar zurückerstatten?

    Könnte man alle Risiken ausschliessen, würden Ihnen sicher viele Kollegen zustimmen. Bonus-Malus-Regelungen halte ich für schwierig, denn wer soll objektiv urteilen (können)?

    Viele Grüße,

    KT

    • Hallo Herr T,

      der Arzt schuldet dem Patienten die regelgerechte Durchführung seiner Arbeit, aber nicht den Behandlungserfolg. Das Honorar ist also immer Ausdruck der geleisteten Arbeit. Und dies gilt insbesondere in dem von Ihnen geschilderten Fall der Nussfraktur nach Endo im Notdienst, denn es fehlt der kausale Zusammenhang. Andere Baustelle, gleiche Problematik zur Verdeutlichung: Herzstillstand im OP, erfolgreiche Wiederbelebung, der Patient wird eine Woche später aus dem Krankenhaus als geheilt entlassen und verunglückt tödlich bei einem Autounfall auf dem Weg nach Hause. Hier kämen sie ja auch nicht auf die Idee, dem Anästhesisten das Honorar für seine erfolgreiche Wiederbelebung abzuerkennen. Warum also bei ihrem Nussunfall ?

      Herzliche Grüße

      H.W. Herrmann

      • Hallo Herr Herrmann,

        können wir bei den Abkürzungen bleiben? ;)

        Ich habe den Notdienst-Fall eben aus dem gleichen Grund gewählt wie Sie den Fall mit dem Krankenhaus- ich finde die Idee nämlich auch absurd und gefährlich. An diesem Punkt sollte es keine Diskussion über die bestehende Rechtssicherheit einer Behandlung für den behandelnden Zahnarzt geben, sondern einfach die Erkenntnis stehen, dass die Rahmenbedingungen für alle Zahnärzte gleich bleiben sollten. Fachliche Diskussion: ja, parajuristisches Geplänkel: nein.

        Viele Grüße,

        KT

  4. Lieber Donald,
    bei mir riss so ein Zahn mit einer derartigen Kanalerweiterung nach – 6 Jahren:-( Das wird das einzige Risiko bleiben. Biologisch ist der Kerl ausgeheilt, toll!
    HG Stefan

  5. Gibts nicht inzwischen deswegen die Tedenzen von „Pay for Performance“ (P4P) in den USA“? Scheint da ja auch nicht zu klappen…

Schreibe eine Antwort zu Kevin WielandAntwort abbrechen