Von Jörg Schröder
Der nachfolgende Fall ist in vielerlei Hinsicht lehrreich.
Die alio loco durchgeführte initiale endodontische Behandlung dieses 26 einer ZFA liegt schon einige Jahre zurück. Nun entwickelte der Zahn vor 2 Jahren zunehmend Beschwerden, die sich innerhalb einer Woche so steigerten, dass die Patientin arbeitsunfähig war.
Da ich keine sofortige Behandlung anbieten konnte, wurde die initiale Revisionsbehandlung – die ersten beiden klinischen Bilder stammen aus dieser – bei einer Kollegin durchgeführt, die seit zwei bis drei Jahren unter dem Mikroskop arbeitete.
Einen Tag nach dieser Behandlung hatten die Beschwerden nochmals zugenommen. Also kurzerhand den Arbeitstag verlängert und den Zahn eröffnet.
Aus keinem der Kanalsysteme war das ursprüngliche Obturationsmaterial vollständig entfernt worden. Bei der Entfernung desselben zeigte es sich als deutlich biofilmbesetzt. Welche Lehre ist daraus zu ziehen?
Entweder lasse ich einen Kanal vollkommen unangetastet (was wirklich nur bei koronal optisch suffizientem Randschluss der Obturationsmaterialien zu empfehlen ist) oder ich entferne ALLE vorhandenen Obturationsmassen. Ansonsten kommt es sehr wahrscheinlich zu Störung des Gleichgewichtes unter den verschiedenen Bakterien-Spezies und nachfolgend zu einer Exazerbation.
Die präoperativ bestehende knöcherne Lyse ist beeindruckend groß. Es bestehen apikale Aufhellungen an allen Apizes. Interradikulär ist der Knochen bukkal nicht mehr vorhanden. Das DVT zeigt apikal-distal in der distobukkalen Wurzel einen 90 Grad nach distal abzweigenden Seitenkanal mit entsprechender knöchernen Lyse.
Nach Entfernung aller Obturationsmaterialien wurden die Kanäle chemo-mechanisch so weit aufbereitet, dass eine Obturation theoretisch möglich gewesen wäre. Der schmale Isthmus zwischen MB1 und MB2 wurde zum Aufbereiten der Kommunikation vollständig erweitert.
Die endometrische Längenmessung wurde anhand einer Röntgenmessaufnahme verifiziert. Ein Punkt, über den immer einmal wieder diskutiert wird. Gerade bei akuten apikalen Parodontitiden und bei irreversiblen Pulpitiden kann es durch Eintreten von Flüssigkeit aus dem periapikalen Raum zu einer falsch positiven Beeinflussung der ELM, die im weiteren zu einer zu kurzen Aufbereitung führen würde.
Ausserdem erfolgte eine laserunterstützte Irrigation, um auch den Seitenkanal in DB möglichst gut reinigen zu können. Die medikamentöse Einlage erfolgte mit CaOH2.
Bereits am darauffolgenden Tag war das klinische Beschwerdebild deutlich rückläufig.
Die zweite Behandlung erfolgte im Rahmen eines klinischen Arbeitskurses, sodass das gesamte Behandlungsteam unter besonderer Beobachtung stand. ;)
Nach erneuter laser- und schallunterstützter Irrigation und endometrischer Überprüfung der Arbeitslänge wurden die Kanalsysteme mit einem biokeramischen Seller und Guttapercha obturiert.
2 Jahre postoperativ wurde zur Bewertung des Behandlungsergebnisses ein DVT erstellt. Da es eine zusätzliche endodontische Fragestellung an 12 gab, wurde ein DVT des Oberkiefers erstellt.
Und das Ergebnis überraschte mich positiv. Bis auf einen gering verbreiterten Parodontalspalt distal der mesialen Wurzel und distal des Seitenkanals in DB ist der präoperativ vorhandene Knochendefekt vollständig ausgeheilt. Geradezu beeindruckend das “Comeback” des Knochens interradikulär. Nun gilt es nur noch abzuwarten, ob die Ausheilung eine vollständige sein wird.
Die Qualität des DVT konnte durch den Einsatz der seit kurzem eingesetzten modifizierten Kopf-Kinnstütze an unserem X800 M nochmals sichtbar verbessert werden. Und das, obwohl eine Darstellung 8×4 cm nur mit einer 180-Grad-Rotation erfolgte.