US, SAF, Eddy – oder alles was geht…

Von Ostidald Wucker

Die Patientin kam nach den fruchtlosen Behandlungen bei mehreren Kollegen zu uns. Geraten hatte es ihr mehrere Zahnärzte (7!) aus der Verwandtschaft. Sie hatte ihre Praxis  geschlossen, da sie nicht mehr arbeiten kann wegen der starken Beschwerden.

Die Schmerzen kann sie  nicht lokalisieren. Unten rechts ist es. Am Zahn 47 wurde vom Vorbehandler ein fakturiertes Inlay notdürftig repariert.
Die klinischen Befunde: 44,45,46,47 sensi positiv. Distal 47 erhöhte Sondierungstiefen (5mm). 44-46 keine erhöhten Sondierungstiefen. 17,16,15,14 sensi positiv, keine erhöhten Sondierungstiefen. Lockerungsgrade waren 0.
Der Schmerz lässt sich mit Kälte oder Wärme nicht provozieren. Die sequentielle Anästhesie in intraligamenterer Injektionstechnik im Unterkiefer ergab kein eindeutiges Bild.
Die Beschwerden waren nach der Anästhesie 46 etwas besser. Waren aber doch noch irgendwie vorhanden. Die Anästhesie an 47 zeigte noch weitere leichte Verbesserung. Die Anästhesie 17,16,15,14 brachte keine Veränderung. Nach einer Leitungsanästhesie im UK rechts waren die Schmerzen verschwunden. Es wurde ein DVT angefertigt.

Diagnosen: VD nicht im 2D detektierbare intraradikuläre Pathologie 46, Wurzelrest 48, Diff.-D. / VD Paro Endoläsion 47 mit Pulpanekrose, Sekundärkaries 47, 45, 16, 15

Das DVT zeigte ein apikal verbreitertes parodontales Ligament am Zahn 47. 46 war sehr schwierig zu beurteilen. Die mesiolinguale Wurzel zeigte apikal eine mögliche kleine Pathologie. Der PA Spalt war bis auf diese Stelle durchgehend verfolgbar.

Wir entschlossen uns am Zahn 47 zunächst die Karies zu entfernen und den Zahn adhäsiv aufzubauen für eine mögliche endodontische Behandlung. Nach der Kariesentfernung zeigte sich die punktuell eröffnete Pulpa klinisch als durchblutet. In Absprache mit der Patientin versuchten wir einen Versuch der Vitalerhaltung mit Natriumhypochloritdesinfektion und Abdeckung der Pulpa mit MTA.

Die Beschwerden waren am nächsten Tag noch stärker. Eine vollständige Anästhesie gelang nicht mehr, weder intraligamentär noch intrapulpal. Die Berührung der pluralen Gewebe war unmöglich. Nach einer lokalen Applikation von Ledermix auf die eröffnete Pulpa waren die Beschwerden endlich erträglich geworden.

Das c-förmige Kanalsystem wurde mit Profile und Mtwo Instrumenten aufbereitet. Die Desinfektion und Spülung erfolgte mit Zitronensäure 10% und Natriumhypochlorit 3% unter Einsatz von Ultraschallstahlfeilen NSK und SAF in der ersten Sitzung.
In der zweiten Behandlungssitzung brach die Ultraschallstahlfeile beim ersten Einsatz in der Kavität sofort ab. Eine optische Darstellung war unmöglich. Röntgenaufnahmen zeigten die ständige Lageveränderung des Fragmentes. Eine Entfernungsversuch mit ultraschallaktivierter Spüllösung gelang nicht. Die Patientin wurde über den Umstand aufgeklärt und darauf hingewiesen, daß für die Entfernung die optische Darstellung mit einem erhöhten Substanzverlust einhergeht.
Die Patientin wollte die unbedingte Entfernung. Die 7 verwandten Zahnärzte wollten alle nicht in meiner Haut stecken. Sie waren auch zu weit weg – NRW. Leider nicht weit genug um Tipps abzugeben.

In der nächsten Sitzung habe ich mich entschieden vor dem Substanzverlust noch einen Versuch mit dem Eddy und Natriumhypochlorit und Zitronensäure zur “Blindentfernung” des Fragmentes zu unternehmen. Nach 10 minütiger Beschallung sprang das Fragment aus dem Kanalsystem. Das war pures Glück.
Die weitere Aufbereitung erfolgte mit Profile Instrumenten bis 30.04 und 35.04. Abschließend erfolgte noch die SAF 2.0.
Die elektronische Längenmessung zeigte mir häufig unterschiedliche Längen an, so daß ich die Masterpointaufnahme mit 1mm kürzer Arbeitslänge durchführte. Die distalen Kanalstrukturen habe ich mittels Sqirrttechnik gefüllt, da die Masterpointspitzen nicht mehr auf Arbeitslänge gelangten – sie verbogen sich immer wieder anders an der Spitze. (Wahrscheinlich auf Grund der apikalen Anatomie.)
Mesial wurde mit gewohnter Obtruationstechnik gefüllt.
Die apikalen Verzweigungen im Röntgenbild haben mich dann in ihrer Häufigkeit überrascht. Das Risiko einer apikalen Extrusion von Sealer oder WF Material war bei der gewählten Wurzelfülltechnik sehr groß, daß es so ausging, war noch mal Glück.

12 Gedanken zu „US, SAF, Eddy – oder alles was geht…

  1. Hui, also so dicht vor dem Nervus alveolaris inferior hätte ich mir bei der Squirt oder anderer Warmtechnik dreimal in die Hose gemacht. Respekt für den Ausgang!
    Frage: Sieht Regio 36/37 für euch nicht auch komisch aus wenn man weiß wie es bei interradikulär am 46 aussah?

    • Hallo Gregor, die Squirttechnik ist sicher eine sensitive WF-Technik. Das Problem der massiven Sealerüberpressung ist durchaus vermeidbar.
      Herzliche Grüße
      Ostidald

  2. Hallo Ostidald,

    Klasse Fall, super gelöst und hoffentlich eine jetzt schmerzfreie, zufriedene und dankbare Patientin.
    Eine Frage zum Thema Unterkiefer-Leitungsanästhesie. Ich habe zum Glück sehr selten Probleme mit Unterkieferanästhesien. Wenn diese auftreten, dann aber überdurchschnittlich oft an unteren zweiten Molaren mit pulpitischen Symptomen.
    (Ausnahme: Vor 2 Tagen wurde ein Mann mit einem unteren ersten Prämolaren mit internem Granulom vorstellig, der erst nach 50min Einwirkzeit von 3 Leitungsanästhesien (von 2 Behandlern), einer Infiltration und einer Intraligamentären komplett schmerzfrei war).
    Wie ist die Erfahrung bei den Kollegen? Wie helfen sich die Kollegen in solchen Fällen?
    Der Autor schreibt hierzu: „Nach einer lokalen Applikation von Ledermix auf die eröffnete Pulpa waren die Beschwerden endlich erträglich geworden.“
    Wie lange musste diese einwirken. Wurde ein zweiter Termin vereinbart? Die Literatur empfiehlt hier ja eine mehrwöchige Applikation (s.a. Probleme in der Endodontie, Hülsmann, Schäfer et.al.)

    Grüße

    ZA Christoph Mahlke

    P.s.: „Die Patientin wollte die unbedingte Entfernung.“ …des Wurzelrestes, oder? ;)

    • Hallo Christoph,
      in diesem Fall haben wir Ledermix ca. 5 Tage belassen.
      Die Patientin wollte die unbedingte Entfernung des Fragmentes.
      Herzliche Grüße
      Ostidald

      • Ich habe durchaus mitunter mit Schwierigkeiten hinsichtlich der nötigen Anästhesietiefe zu tun. Meiner Einschätzung nach öfters bei funktionell stark traumatisierten, hyperämischen Zähnen. Aus meiner Erfahrung ist Ledermix sehr hilfreich zur Stabilisierung der Beschwerden, wenn vollständige Exstirpation unmittelbar nicht möglich ist. Für die nächste Sitzung verschreibe ich dann i.d.R. präoperativ nichtsteroidale Antiphlogistika (meist IBU 600 2-3x/d für ein bis zwei Tage). In der Kombination ist die Weiterbehandlung deutlich komplikationsloser möglich.

  3. Das liest sich wie ein Krimi.
    Da lagen wahrscheinlich mehrmals die Nerven blank.
    Wie lang war denn schlußendlich die gesamte Behandlungszeit für diesen Fall?
    Müßten vier Sitzungen gewesen sein, oder?
    Ist die Patientin selber Zahnärztin?
    Schöne Ostern

  4. Es waren 5 Sitzungen + DVT mit Auswertung. Die Patientin kommt nicht aus dem zahnmedizinischen Bereich.
    Herzliche Grüße
    Ostidald

  5. Sehr schöner Fall mit wie gewohnt spitzenmäßiger Dokumentation. Meine Frage: würden Sie bei kommenden Fällen wieder einen (Teilweisen-) Vitalerhalt versuchen oder direkt die Wurzelkanalbehandlung einleiten?
    Schönen Gruß

    • Ostidald, würde immer einen Vitalerhalt in Absprache und Zustimmung des Patienten bevorzugen.
      Es ist sicher schwierig zu bestimmen in welchem Stadium die Pulpitis sich befindet aber es gibt ein Reihe von Fallvorstellungen, welche den Vitalerhalt zeigen.
      J Am Dent Assoc 2008;139;305-315
      George Bogen, Jay S. Kim and Leif K. Bakland
      Aggregate: An Observational Study

        • Das hängt von vielen Faktoren ab und ist nicht so einfach zu beantworten. Bsp.weise:
          1. Welcher Art Schmerz?
          2. Ist der Schmerz genau zu lokalisieren?
          3. Wie ist die Sensibilität elektronisch und temperaturabhängig?
          4. Wie kariös war/ist der Zahn?
          5. Wie lange und wie oft sind die Beschwerden schon.
          6. Wie stellt sich die Pulpa klinisch dar?
          7. Wie ist die Blutung der Pulpa, ist diese stillbar?
          etc.

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