von Nestaf Cherv
Oft stellen sich pathogene apikale Veränderungen dar, die sich in Zusammenhang mit einer kontaminierten Wurzelfüllung bringen lassen. Die Therapie der Wahl stellt oft eine Wurzelkanalrevisionsbehandlung dar, die den Kanal von Bakterien befreien und dicht verschließen soll. Schwieriger wird es, wenn ein Stift den Zugang orthograd zu dem Wurzelkanal versperrt oder verblockt. Im vorliegenden Fall besaß dieser zudem noch eine bis fast an den Apex reichende Länge.
Die Stiftentfernung mittels Ultraschall ist eine bewährte Methode; mir persönlich jedoch birgt sie bei sehr langen und voluminösen Stiften die Gefahr, daß letztlich doch zu viel Kraft mittels Ultraschall oder mittels Kräften , die den Stift zum Bewegen bringen sollen, übertragen werden und zu Rissen führt.
Der vorgestellte Fall zeigt einen fistelnden Zahn 21 mit einem Stift, der den gesamten Kanal bis fast zum Apex ausfüllte. Ich sah eine Stiftentfernung als indiziert an, um die Kanalinfektion zu beseitigen. Eine alleinige WSR hätte kontaminierte Anteile über eine zweifelhaft dichte retrograde Füllung belassen. Ich habe mich daher zum Entfernen durch Herausbohren mittels eines langschaftigen Munce Rosenbohrers des kleinsten verfügbaren Durchmessers entschieden. Nach Entfernen der Krone bohrte ich unter der Sicht des Mikroskops langsamdrehend einen mittigen Kanal in den Stift, bis die letzte Schicht des Metalls fast erreicht war. Das weitere Vordringen wurde alternierend von der vorsichtigen Entfernung der seitlichen Stiftanteile neben dem mittigen Hauptbohrkanal mittels Muncebohrers begleitet.
Für die letzten 2 mm reichte dann eine Aktivierung über die Endo Chuck Nadel und das Stiftende verließ seinen Platz. Nach der medikamentösen Einlage und dem Verschluß des koronalen Einganges mit Cavit wurde der Zahn mittels Komposit als „direkte plastische Krone“ aufgebaut.
Die Wurzelfüllung wurde durch die trepanierte „direkte plastische Krone“ mit MTA durchgeführt und anschließend wurde in 2. Sitzung ein Glasfaserstift inseriert.
6 Monate stellten sich auf dem 2 dimensionalen Röntgenbild ausgeheilte Verhältnisse dar.
Werter Herr Cherv,
sehr schön, wie wäre es in vorliegendem Fall mit einem vorhandenen Keramikstift gewesen?
Viele Grüße aus dem Spreewald Jacqueline
Hi Jörg, Nestaf ist sich sicher, daß es ein silberfarbener Stift war – aufgrund der apikalen Form ein konfektionierter. Vielleicht ein angussfähiger , sicher kein Stahlstift. Nestaf hat gerade noch seine Mitarbeiterin gefragt: es war EIN fabrikneuer Munce und ein langschaftiger normaler Rosenbohrer. Metall bohrt man in der Feinmechanik langsam und mit einem Öl. So hat er es auch gemacht. Herzliche Grüße Stefan
Hallo Frau Franzke,
ich habe mit Nestaf gesprochen und das sind seine Überlegungen:
Sie kommen ja aus dem Fontaneland: Fontane hat einen wunderbaren allseits und allzeitig geltenden Satz geschrieben: “…das ist ein zu weites Feld” , als daß man eine allgemein gültige Empfehlung geben kann. Man muß für sich selbst gewichten.
Warum?
Es gibt viele Faktoren: Länge des Stiftes, Elastizität des Stiftes und des toten, spröden Zahnes, Volumen, Restwandstärke, Klebbarkeit an einem z.T. stark sklerosiertem Dentin, Verbund Stift mit Zement.
Ein sehr langer Stift schwächt die Wände im konisch verjüngenden Wurzelbereich und überträgt Kräfte genau in diesen Bereich – Nestaf hat für seine Rekonstruktionen beschlossen, dieser Theorie Glauben zu schenken und möchte möglichst kurze Stifte haben, die die Kraft dann eher in Wurzelwand stärkere Bereiche , also im mittleren Drittel, überträgt. Wenn der Stift kürzer wird, kann die Retention weniger über die retentive Stiftlänge im Kanal erzielt werden, sondern muß über die Verklebung und Mikroverankerung bewirkt werden. Die Verklebung an der Dentinwand ist problematisch, funktioniert jedoch trotz aller vorhandenen Widrigkeiten klinisch doch gut. Somit bleibt die Frage, ob der Stift mit dem Klebematerial gut verbunden ist. Zirkondioxid sollte durch Sandstrahlen aufgeraut werden. Dies erhöht die Retention erheblich. Er muß also konditioniert werden, was Nestaf einfach zu umständlich und mit zusätzlichen Fehlerquellen behaftet erscheint. Kleber der Wahl ist dann Panavia, das ohne weitere Konditionierung an Zirkondioxid mit seinen Phosphatgruppen haftet. Panavia ist ein adhäsiver Kleber – in wieweit er besser oder schlechter haftet an derartigen Zähnen als andere Adhäsivsysteme , bleibt wahrscheinlich eine akademische Frage. Studien glaubt Nestaf da nur bedingt, weil sie nicht unbedingt übertragbar sind. Quintessenz bleibt, daß man kleben sollte, auch wenn es Studien gibt, wo z.B. GIZ als Befestigungszement nicht schlecht abgeschlossen hat. Aber da sind wir schon wieder im berühmten “weiten Feld” – vielleicht belassen wir es hier mit der Feststellung, daß man mit adhäsiver Verankerung wahrscheinlich immer ein Stückchen mehr Retention, Dichtigkeit und Mundbeständigkeit erzielen wird. Die von Nestaf verwendeten Glasfaserstifte DT light SL Stifte haben eine industriell aufgebrachte MMA Schicht, die kompatibel mit allen gängigen Befestigungskomposits auf BisGMA oder UDMA Basis ist. Es entfällt ein Konditionieren der Stifte, der Klebeverbund mit dem adhäsivem Zement ist sehr gut – Nestaf vertraut diesem Verbund, der einfach und durch industrielle Vorkonditionierung vorprogrammiert ist, mehr als dem Zirkondioxid- Sandstrahl – Panaviaverbund, der schwierig herzustellen ist und wahrscheinlich auch bei bester Konditionierung dem Glasfaserstiftverbund unterlegen ist. Warum schwierig, wenn es auch einfach geht? Somit bleibt eigentlich nur noch eine Fragestellung, ob ein industriell vorkonditionierter Glasfaserstift stabiler ist oder ein Zirkondioxidstift. Zirkondioxid ist sicher biegefester un d bricht somit sicher später als ein gleichdimensionierter Glasfaserstift. Dies birgt für mich genau ein weiteres Risiko: der Zirkonstift wird eher nicht brechen, dafür spaltet er den Zahn – je tiefer gesetzt, desto einfacher. Der Glasfaserstift bricht oft eher als der Zahn – das sind Nestafs Erfahrungen. Und somit ist der Zahn nochmals versorgbar, ein Zirkondioxidstiftzahn ist wie ein Metallstiftzahn bei einem Veritkalriss ein Extraktionsgrund.
Wie sollte man also ein Glasfasersystem anwenden, damit es optimale Ergebnisse erzielen kann?
Gerade bei einem Frontzahn sollte der Glasfaserstift eine ausreichende Dimension haben – oft erlaubt das Kanallumen einen starken Stiftdurchmesser. Man kann sich auch behelfen, wenn man den Stift von apikal kürzt, so wird der Durchmesser auch koronal groß und stabil. Der Stift sollte eine MMA Beschichtung haben und nicht mehr in der Praxis konditioniert werden müssen, weil man ihn dadurch unkontrolliert verändert. Er sollte geklebt werden mit einem adhäsiven Zement. Und man sollte den Patienten anweisen, daß er ein wenig Gefühl für seine Zähne entwickelt. Ein Wurzelkanal behandelter Zahn ist doof – ihm fehlt die Rückmeldung, wenn er koronal bricht. Aufgrund seiner Glasfasern bricht ein Glasfaserstift manchmal nicht VOLLSTÄNDIG; so bemerkt man von aussen ggf. nur eine erhöhte Beweglichkeit. Wenn der Patient dann nicht den ZA aufsucht, kann bei hohem Kariesrisiko eine fulminate Karies die Restlockerung bewirken und dem ZA die Arbeit abnehmen… Ein aufgeklärter Patient wird daher bei Unsicherheit einer eventuell erhöhten Beweglichkeit rasch den ZA aufsuchen…er wird halt für seinen doofen Zahn mit seinem Cortex mitdenken:-)
In dieser Hinsicht ist Zirkondioxid sicherer: ein bewegliches Zwischenstadium mit Kariesanfälligkeit gibt es eher nicht, weil der Zahn ganz bricht…
Herzliche Grüße aus dem verregneten Berlin Stefan
Aus welchem Material war der Stift? Wieviele Munce Bohrer wurden verschlissen?
Sehr gut Kontrolle der Achsenrichtung.
Wow, lieber Herr Verch,
vielen dank für die ausführliche Antwort. Auch ich verwende vorkonditionierte Stifte
(von Komet).
Meine Frage zielte aber eher auf den Ausgangsbefund. Was wäre, wenn es statt des Metall- ein Keramikstift gewesen wäre? Hat man da neben Ulltraschall noch eine Chance?
Ich bin hier übrigens auch im Graf-Pückler-Land, schöne Grüße
Jacqueline