“Sequenzielle Infiltrations-Anästhesie” – Vorgehen bei der Anästhesie – insbesondere bei Kindern

Von Christoph Kaaden

Im Rahmen dieses Beitrags ging es kürzlich um unser Vorgehen bei der Lokalanästhesie (insbesondere bei Kindern).

Obgleich unser Procedere sicher kein Geheimnis ist, möchte ich dennoch ein paar Punkte hier vorstellen.

Ich betonte ausdrücklich, dass dieser Beitrag meine persönliche Meinung widerspiegelt und ich nicht den Anspruch erhebe, dass meine Meinung der Weisheit letzter Schluß ist…

ich möchte einfach nur vorstellen, worauf wir bei der Lokalanästhesie achten…

Grundsätzlich muss man sich in meinen Augen (nicht nur bei Kindern) vor Augen führen, dass die aller-allermeisten Patienten ANGST vor der SPRITZE haben.

Zum Teil panische Angst.

Warum?

Weil sie in der Vergangenheit schlechte bzw. sehr Erfahrungen gemacht haben…

Warum?

Weil Sie ggf. an einen Behandler oder eine Behandlerin geraten sind, die diesem Behandlungsschritt nicht die notwendige Bedeutung und Beachtung schenken.

Ich denke das “Problem” Lokalanästhesie beim Zahnarzt beginnt schon in der Ausbildung.

Dort sind nämlich zumeist die Mund-Kiefer-Gesichts- bzw. Oralchirurgen damit betraut den Studenten diese Thematik “beizubringen”…

Rückblickend und mit 20+ Jahren Berufserfahrung muss ich für mich festhalten, dass dieser so wichtige Schritt der Lehre dort gänzlich falsch positioniert ist.

Viel besser wäre es hier z.B. von den Kinderzahnärzten zu lernen…

unser Ziel sollte es sein, jede Lokalanästhesie so anzugehen, als ob diese Maßnahme in diesem Moment ein “Leben retten” könnte.

Gerade in einer Zuweiserpraxis ist es die beste vertrauensbildende Maßnahme überhaupt, wenn der Patient von der Applikation des Anästhetikums mehr als positiv überrascht wird…

Was aber tut eigentlich ggf. weh?

Hier sind in meinen Augen primär drei Punkte zu nennen:

Aus diesem Grund verwenden wir als ersten Schritt ausnahmslos immer ein Oberflächenanästhetikum.

Nicht direkt intraoral appliziert (wie es einer meiner Mitarbeiterinnen bei einem unserer Top-Zuweiser erfahren hat und so die ganze Mundhöhle “eingenebelt” wurde), sondern auf einem Wattepellet.

Schon dieser Schritt ist in meinen Augen nicht (an eine Mitarbeiterin o.ä.) deligierbar und wird von dem ausgeführt, der auch die Anästhesie gibt.

Bei Kindern verwenden wir zwei Oberflächenanästhetika hintereinander, weil ich subjektiv den Eindruck habe, dass so eine noch bessere Wirkung erzielbar ist.

Somit lässt sich der Einstichschmerz bei der Penetration der Gingiva eliminieren.

Dann folgt der nächste mögliche Schmerzmoment…

die Applikation des Anästhetikums.

hier kann es aufgrund des pH-Wertes und der Gewebeverdrängung zu einem Missempfinden kommen.

Daher appliziere ich nach dem vorsichtigen Einstich ein oder zwei Tröpfchen Articain und verweile einen Moment.

Fünf bis zehn Sekunden später hat die erste Wirkung eingesetzt und ich kann nun laaaaangsam das weitere Anästhetikum applizieren. Ferner arbeite ich mich langsam mit der Kanüle Richtung Wurzelspitze vor und applizieren immer wieder kleine Depots und warte zwischendurch.

Aufgrund der sehr guten Haptik benutze ich bei diesem Vorgehen das Citoject System.

Außerdem wackle ich die ganze Zeit mit dem Spiegel der die Lippe abhält, um eine gewisse Reiz-Überlagerung zu erzielen.

Und natürlich vermeide ich unter allen Umständen zu jedem Zeitpunkt den Kontakt der Kanülenspitze mit dem Periost. Dies ist bei der Infiltrationsanästhesie unnötig und eliminiert diesen ggf. sehr schmerzhaften Part.

Sind diese Schritte bewältigt, folgen zwei kleine Depots in die Papillen des betreffenden Zahnes, um dann final auch an der marginalen Gingiva palatinal zu infiltrieren.

So gelingt dann auch die sichere Kofferdamklammer-Applikation bei ggf. unvollständig durchgebrochenen Zähnen.

Zeitaufwand für diese Vorgehen…

geschätzt 5-8 Minuten (vom Oberflächenanästhetikum bis zum Ende der Infiltrationen)

In meinen Augen sehr sehr gut investierte Zeit…

Was haben Sie für Erfahrungen, Tipps und Empfehlungen bei der Lokalanästhesie -Anwendung?

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5 Gedanken zu „“Sequenzielle Infiltrations-Anästhesie” – Vorgehen bei der Anästhesie – insbesondere bei Kindern

  1. Hallo Christoph!
    Vielen Dank für die präzise Darstellung Deiner Technik!
    — Cytojet versus z.B. Aspiject Aktiv
    Trotz der sehr guten Miniportionierung des Anästhetkums des Cytojet nehme ich es nur für die intraligamentäre Anästhesie, denn ich mag die Cytojet-Mechanik nicht, da in meinen Händen
    – die Hebelbetätigung in manchen Winkeln zu viel Bewegungsrisiko der Nadelspitze bedeutet
    – das Geklickere eine schlechte Geräuschkulisse bildet und der Patient HÖRT: es passiert was.
    – Weiterhin fehlt mir bei Cytoject die Möglichkeit der Aspiration.
    –> lieber geräuschlos, mit ruhig liegender Nadelspitze und ganz wenig Kolbendruck (z.B. Aspiject Aktiv: https://www.aera-online.de/Asps/Artikel.asp?gArtikelID=545883&gRetURL=689534908)
    — Nachgefragt:
    1.) Sind vor der Anästhesie die Diagnose, Rö, ggf. eine Füllungs-MKV oder Endo-Kosten geklärt?
    2.) Läuft während den 8-10 Minuten Anästhesie also noch etwas parallel ab (z.B. Beratung/ s.o.) oder konzentrierst Du Dich auf die Anästhesie und lenkst den Patienten durch SmalTalk weiter ab?
    3.) Wie viele Minuten wartest Du nach der Anästhesie noch — 1, 2, 3, 4 oder 5 — bevor Du mit der Behandlung (wohl oft Kofferdamm anlegen) beginnst?
    – Wie lange dauert es für Dich, einen PA-Patienten in einem Kiefer(-hälfte) zu betäuben?
    — leider leidige Finanzierung: 360 €/ Std. – BEMA 40 unter 9 € – d.h. unter 1,5 Minuten Zeit —
    – Siehst Du Dein Vorgehen auch für einen Kassenzahnarzt mit wenig Zuzahlungen als regelmäßig umsetzbar an?
    LG, András

    • Hallo Andras,
      Dnake für Deinen Kommentar. Ist doch immer interessant, wie jeder es unterschiedlich wahrnimmt. Mit persönlich ist bei deiner Spritze der Hebel zu gross und das Ganze zu globig. Leitungsanästhesie würde ich mit einem Citoject nicht machen. Bei einer Infiltration aspiriere ich nicht, daher fehlt mir dies hier nicht. Das Klicken moderiere ich und erkläre, woher das Geräusch kommt. Tatsächlich ist dies wichtig. Ich hatte mal einen Pat der mit jedem Klick einen Einstich verbunden hat…
      Zu Deinen Fragen.
      Die Aufklärung über Diagnose, Therapie, Prognose und Kosten erfolgt immer in einem vorgeschalteten Schritt.
      Ich habe das Zeitfenster etwas korrigiert und denke wir brauchen 5-8 Min. In der Zeit mache ich nichts anderes. Den Luxus gönne ich dem Pat und mir.
      Daich rein endod. Arbeite und keine Kassenzulassung habe kann ich zu den BEMA Punkten nichts sagen. Mit ist aber klar, dass dies in der allg. Praxis mit einkalkuliert werden muss…

      • Hallo Christoph,
        welche Nadeln verwendest Du imm Cytoject? Dünne, kurze (0,3x 12-16 mm) oder etwas dickere, längere (0,4 x 21-25 mm) – die übliche Länge für Injektionen.
        – Mit den kurzen in tiefe Taschen intraligamentär wird es eng und ich habe es leider dabei einmal geschafft, die Lippe des Patienten in die Hebelmechanik einzuklemmen.

  2. Ich mache es wie Christoph, bis auf die papilläre Anästhesie. Hier anästhesiere ich, wenn bukkal die Anästhesie wirkt, intraligamentär in Richtung palatinal. Dann ist der Klammersitz kein Problem. Und es ist, wie Christoph es sagt/schreibt. eine bessere Eintrittskarte als eine schmerzfreie Anästhesie kann es nicht geben. LGJ

    P.S. Ich benutze fast ausschliesslich das normale aspirationsfähige “Normalogestell”.

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