Wer hat Angst vor’m bösen Stift? Teil 1 , Metallstift

von Jörg Schröder

Diesen Titel trugen in der Vergangenheit bereits mehrere Einzelbeiträge und auch einige 90-minütige Podiums-Vorträge waren so benannt.

Denn immer noch werden viele Stift- oder schraubenversorgte Zähne einer chirurgischen Intervention zugeführt, die aufgrund verschiedener Abweichungen vom Idealverlauf (keine retrograde WF nach WSR, nicht korrekt platzierte retrograde Füllungen, nicht aufbereitete Kanalsysteme) leider nicht erfolgreich enden.

Der jeweils vorhandene Stift lässt offensichtlich nur einen Schluss zu:

Wurzelspitzenresektion!

Unvorstellbar offensichtlich, dass ein Stift oder eine Schraube vorhersagbar orthograd entfernt werden könnte. Dabei kann es – auch in schwierigen Fällen – so einfach sein.

In vorliegendem Fall war die Resektion bereits erfolgt. Das kontaminierte Wurzelfüllmaterial verhinderte bei gleichzeitigem Fehlen einer retrograden Füllung das Ausheilen der periapikalen Pathologie.

Ein Werkzeug, welches ich seit Jahren schätze und nicht mehr missen möchte, ist das Thomas-Post-Puller-System. Dieses und die von Zeit zu Zeit notwendigen Ersatzteile beziehe ich seit Jahren bei Hofmeester Dental in Rotterdam.

Mit diesem aus Silikonscheiben, Trepanbohrern, Gewindeschneidern und einer Art rändelrad-betriebener Spreize bestehende Set kann jeder metallische Stift oder jede Wurzelschraube vorhersagbar entfernt werden.

Selbst im weit distalen Bereich ist eine Anwendung möglich.

Dazu musste in diesem Fall zunächst die vorhandene Krone entfernt und  ein präendodontischer Aufbau angelegt werden. Nur so konnte nach absoluter Trockenlegung der massive gegossene Aufbau bis auf den im palatinalen Kanal verankerten Stift reduziert werden. Anschliessend wurde der der Stiftgröße entsprechende Trepanbohrer unter Wasserkühlung eingesetzt, um nachfolgend den Gewindeschneider verwenden zu können. Dieser ermöglicht eine Kraftübertragung auf den verankerten Stift. Bereits nach den vorbereitenden Schritten liess sich der Stift gering im Stiftbett drehen. Eine Entfernung mit Handkraft gelang jedoch nicht. Daher wurde die Spreize eingesetzt, womit die Entfernung in unter 30 Sekunden gelang. Gesamtaufwand für Ekr, Aufbau und Stiftentfernung ca. 50 Minuten.

Die Aufbereitung der weiten Kanalsysteme bis zum Neoforamen gelang anschliessend problemlos. Aufgrund der fehlenden Konstruktion wurde in P und MB ein kollagenes Widerlager eingesetzt, bevor die Kanalsysteme mit MTA und warmer Guttapercha verschlossen wurde. DB wurde in warmer vertikaler Kompaktion gefüllt.

Und wer hat noch Angst vor’m bösen Stift? Niemand.

 

6 Gedanken zu „Wer hat Angst vor’m bösen Stift? Teil 1 , Metallstift

  1. Chapeau! Schöner Fall, sehr elegant gelöst.

    Bei mir schwingt in solchen Fällen immer die Angst mit, was noch von dem Zahn übrig bleibt und wie weit vorgeschädigt bzw. noch belastbar der Zahn ist. Wie handhabst Du diese Abwägung in der Therapieplanung und Aufklärung?

    Inwieweit unterscheidet sich dieses Thomas-Post-Puller-System vom Ruddle Post Remover?

  2. Das ist ein Punkt, den ich in jedem Fall mit den Patienten bespreche. Und dass ich selbst wenn kein Anzeichen eines Risses im Mikroskop zu erkennen ist, eine spätere Vertikalfraktur nicht ausgeschlossen werden kann und wahrscheinlicher ist, als bei einem weniger hartsubstanzreduzierten Zahn. Und stelle die Alternative “Implantat” anheim. Die, Einheilung vorausgesetzt, prognostisch bessere Statistikwerte aufweisen kann. Die Entscheidung ist dann von den Patienten zu fällen.

    Ich glaube, dass Thomas-System ist etwas günstiger. ;)

  3. Schön dokumentiert… vielen Dank! Ich muss gestehen, ich habe keinerlei Erfahrung mit Stiftentfernungsets, sollte ich vielleicht mal ändern ;). Zum Glück konnte ich bisher alle metallischen Stifte mit US-Technik entfernen. Etwas bedenken habe ich wegen dem möglichen Zahnsubstanzverlust durch den Trepanbohrer. Manche Stifte lockern sich ja schon, wenn sie den US-Ansatz von der Ferne sehen. Probierst Du zuerst auch US und wechselst dann gegebenenfalls zum Thomas-System?

    • Der Trepanbohrer arbeitet ausschließlich im Metall des Stiftes. Dazu muss dieser vorher beschleifend auf annähernd zylindrische Form gebracht werden. Das System wirkt rustikal ist aber eine echte Zeitersparnis. Ja, vorher arbeite ich fast immer mit US. Ob er sich nun löst oder nicht. Lgj

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