von Ronald Wecker
… liegt im Detail.
5 Wochen nach einem Fahrradunfall stellte sich diese Patientin bei uns vor. Die Versorgung der verunfallten Zähne 22, 21 und 11 erfolgte zeitnah durch den überweisenden Kollegen.
22 hatte eine unkomplizierte Kronenfraktur erlitten und wurde dentinadhäsiv aufgebaut. Die Zähne 21 und 11 erschienen nach palatinal disloziert. 21 deutlich mehr als 11. Bei der Erstvorstellung in unserer Praxis war der TTS-Splint- nach 4 Wochen in situ – bereits entfernt.
Die Zähne 13,12, 22 und 23 reagierten reproduzierbar positiv auf elektrischen Reiz. 21 und 11 zeigten keine Reaktion. Die Beweglichkeit der OK-Frontzähne lag im physiologischen Bereich. Die Sondierungstiefen waren nicht erhöht. Der Patient berichtete über eine allmählich zunehmende Druckmissempfindung an Zahn 21.
Das eigene Einzelbild bestätigt den Verdacht einer schräg verlaufenden Horizontalfraktur an 11. Zur Klärung einer Aufhellung im Bereich des Bruchspaltes und der weiteren Behandlungsplanung wurde ein DVT erstellt.
Dieses zeigt einen unregelmässig breiten Bruchspalt an 11, sowie den exakten Verlauf der Frakturlinie. Eine Aufhellung im Bruchspaltbereich war nicht zu erkennen. Zahn 21 weist einen deutlich verbreiterten Pa-Spalt auf. Dies weist zusammen mit der fehlenden Sensibilität auf den elektrischen Reiz auf eine Pulpanekrose hin. Bei genauerer Betrachtung fällt an 21 im unteren Wurzeldrittel ein horizontal verlaufender Seitenkanal auf, der im weiteren Behandlungsverlauf noch eine Rolle spielen soll.
Bei der endodontischen Behandlung des 21 wurde nachdem die ELM reproduzierbare Werte anzeigte eine Messaufnahme angefertigt. Diese zeigt, dass das Instrument deutlich vor dem radiologischen Apex positioniert war. Das Ende des Kanalsystems? Möglich.
Nach mehreren intensiven schallunterstützten Irrigationsvorgängen wurde erneut gemessen. Und siehe da, das Ende des Kanalsystems im DVT und die Lage des Masterpoints, sowie die nun erneut durchgeführte ELM stimmten überein. Auch der im Kontrollbild abgemessene Abstand des Seitenkanals zum radiologischen Apex stimmt mit den im DVT gemessenen Abstand überein.
Eine Messaufnahme ist in keinem Fall nötig? Ich persönlich finde sie in vielen Fällen sehr hilfreich, da die Tücke der Endometrie … , siehe oben.
Im regelmässigen Recall wird sich zeigen, ob es Zahn 11 “schaffen” wird. Mit einem Wiederaufleben einer Sensibilität auf elektrischen oder Kältereiz ist nicht zu rechnen.
Toller Fall mit interessanten Details – Vielen Dank !
Ich finde es in dem Zusammenhang wichtig zu sehen, dass im Einzelbild an 21, 5 Wochen nach Trauma, apikal eine Aufhellung höchstens zu vermuten ist. Im DVT sieht man diese schon deutlich ausgeprägt. Die therapeutische Relevanz, nicht auf wiederkommende Sensibilität zu warten, wird durch das DVT vorgegeben.
Ja? Mit 75% PN bei lateraler Dislokation bereits bei korrekter Reposition?
Da diese hier offenbar nicht so gut gelungen ist (Position 21 im Vgl. zu 11: Apex und Krone mesial), ist der erweiterte PA-Spalt wohl eher Ausdruck einer noch unvollständigen Ossifikation des traumabedingt “leeren” Alveolenfundus… Aufklärung könnte nur der “Trepanator” geben (Status Pulpa bei Trep).
Bei zunehmender Missempfindung (Klinik ist leitend) hätte ich genauso behandelt wie angegeben – ohne DVT zu entsprechenden Kosten.
Ja, ich weiß, die Indikation für das DVT war hier eine andere. Aber auch diese ist wohl eher zweifelhaft, denn ob mit oder ohne DVT heißt es ja wohl: “Wir sind so schlau als wie zuvor”.
Und nun? Bei nicht wiederkehrender Sensibilität und unverändertem Zahnfilm? Bei verändertem Zahnfilm? (Cave, Polemik:) Müsste dann auch in Zukunft alle 5 Wochen ein DVT gemacht werden??? Denn die Aufhellung im Frakturbereich wird morgen genauso klar oder unklar sein, und die Weichgewebe-Perfusion lässt sich mit DVT um keinen Deut besser abbilden als mit einem Zahnfilm. Macht etwa 11 DVT im Jahr. Aussagewert Null, Therapierelevanz Null. Kosten pervers…
Auf einer Tagung meinte ein Kollege, man sollte nur therapieren, wenn es den Patienten einen großen Schritt nach vorne bringen würde. Ich denke, dass der Kollege recht hat – aber dass dieses Prinzip genauso für unsere Diagnostik zu gelten hat.
Sehr geehrter Herr Pohl,
darf ich Ihre Aussage “Ja, ich weiß, die Indikation für das DVT war hier eine andere. Aber auch diese ist wohl eher zweifelhaft, denn ob mit oder ohne DVT heißt es ja wohl: „Wir sind so schlau als wie zuvor“.”” so werten, dass Sie in der Lage sind, im zweidimensionalen Röntgenbild erkennen zu können, ob es im Bereich der diagonal verlaufenden Horizontalfraktur eine Aufhellung gibt, oder nicht? Somit also im 2D-Bild sicher sagen können, ob eine endodontische Behandlung des koronalen Anteils des horizontal fakturieren Zahnes indiziert ist, oder nicht?
Sehr geehrter Herr Kollege Schröder,
so einfach Ihre Frage zunächst zu sein scheint, so komplex ist sie zu beantworten:
1. Ja, auf dem von Ihnen mitgelieferten Zahnfilm kann ich keine Aufhellung im Bereich des Frakturspaltes erkennen. Und ja, eine bestehende Aufhellung hätte ich natürlich erkennen können auf dem Zahnfilm.
2. Selbst unter der Annahme, dass ein DVT eine solche Aufhellung früher zeigen könnte als ein Zahnfilm, dürfte es sich allenfalls um einige Tage bzw. vielleicht ein bis 2 Wochen handeln.
3. Eine Aufhellung zeigt sich typischerweise dann, wenn es zu einer infizierten Nekrose der Pulpa gekommen ist. Bei einer Wurzelfraktur ohne Kronenverletzung ist davon zunächst nicht auszugehen, möglicherweise auf Dauer nicht.
4. Ist die Pulpa infiziert, und zeigen sich demnach im Frakturspalt Aufhellungen, dann stecken die Bakterien und andere Mikroorganismen bereits längst in den Dentinkanälchen. Ob sie dann anschließend eine Endo ein paar Tage früher oder später beginnen – wenn überhaupt – ist das nicht völlig irrelevant?
5. Wenn es wirklich einmal unklar sein sollte bei einer Wurzelfraktur: dann variieren Sie doch bitte einmal den Strahlengang für Ihren Zahnfilm (in der Vertikalen!), spätestens nach dem 2. Zusatzzahnfilm kann man dann den Bruchverlauf so darstellen, dass er adäquat beurteilbar wird. Macht höchstens 3 Zahnfilmaufnahmen im Wert von etwa 15 € gegenüber einem DVT im Wert von ?? Euro.
6. Eine Heilung – hier: Revaskularisation der Kronenpulpa – läuft oft genug über eine Erweiterung des apikalen bzw. im Frakturbereich gelegenen Zugangs zur Pulpa. Damit einher geht auch immer eine gewisse Resorption umgebenden Knochens. Radiologisch ist dies als Aufhellung zu erkennen, histologisch bedeutet es Heilung. Dies ist als “(transient) apical breakdown“ in der Literatur bekannt. Eine Aufhellung könnte aber auch natürlich als infektionsbedingt angesehen werden. Radiologisch nicht voneinander zu unterscheiden. 5 Wochen nach Trauma ein DVT zur Diagnose von ??
Halte ich für rausgeschmissenes Geld.
Mit besten Grüßen
Yango Pohl