von Jörg Schröder
Pulpanekrose. Ein ganz normaler Behandlungsfall. Und ein gutes Beispiel für den Nutzen des DVT.
Die Erstbehandlung dieser Patientin erfolgte in der Praxis der überweisenden Kollegin. Der palatinale Kanal erschien irgendwie anders zu sein, sodass die Patientin nach der initialen Schmerzbehandlung zur Weiterbehandlung überwiesen wurde. Einfacher Fall. Eigentlich.
Das präoperative DVT lässt erkennen, dass der palatinale Kanal über keine Konstruktion verfügt und sich apikal trichterförmig erweitert. Die umgebende apikale Lyse ist groß. MB1 liegt nicht mittenzentriert, sodass es koronal einen MB2 geben muss. Es gibt Hinweise auf eine infektionsbedingte externe Resorption der Apizes.
Welche Folgen haben diese Erkenntnisse? Viele.
Die Wahrscheinlichkeit einer extraradikulären Infektion schätze ich höher ein, als bei einer kleinen dezenten Parodontalspalterweiterung. Diese Aufhellung und die zu Grunde liegende Nekrose besteht sehr viel länger als 4 Wochen. Die Aufklärung hinsichtlich der möglichen Erfolgsaussichten wurde entsprechend angepasst. Ebenso der Hinweis auf einen eventuell späteren chirurgischen Eingriff.
Die Entscheidung ob ein- oder zweizeitig behandelt wird, möchte ich erst intraoperativ treffen. Klinisch war der Zahn bei der Erstbefundung symptomlos und beschwerdefrei gewesen. Sollte es aber zu einer deutlichen Exsudtion aus dem Periapkalbereich kommen, habe ich der Patientin ein zweizeitiges Vorgehen nahegelegt.
Insofern erfolgte die Terminplanung mit einem möglichen Reservetermin 2-3 Wochen nach dem ersten Behandlungstermin. Wie Christoph Kaaden immer so schön sagt: “Vorher gesagt ist aufgeklärt, hinterher gesagt ist herausgeredet”.
Besonderes Augenmerk ist auf den im DVT nicht erkennbaren MB2 zu richten. In vorliegendem Fall entsprang er einem sehr feinen Isthmus der vom tropfenförmigen Querschnitt des MB1 nach palatinal hin verlief. Zudem ist im unteren Kanaldrittel die Konfusion von MB1 und MB2 zu erwarten, da dort der Kanalquerschnitt mittenzentriert in der Wurzel liegt.
Wie kann der weite palatinale Kanal bestmöglichst und ohne massive Extension gefüllt werden? MTA? Biokeramischer Seller und Guttaperch? Expoxidharzsealer und Guttapercha? Ich habe mich, nach Überprüfung der Resilienz der periapikalen Weichgewebe mit einer sterilen Papierspitze ISO 50 (Foramendurchmesser ISO 60) gegen einen MTA Verschluss entschieden, da es apikal zu wenig Gewebewiderstand gegeben hat und die peripkale Lyse eine große laterale Ausdehnung zeigte.
Die Guttaperchaspitze auf Größe ISO 60 getrimmt liess sich etwas zu weit in den Kanal einbringen, sodass ich diese zur radiologischen Einprobe auf ISO 70 trimmte. Das Ergebnis war nicht zufriedenstellend, sodass ich die ISO 60 Guttaspitze nach Verwendung des TipSnippers und Einprobe mittels steriler Skalpellklinge so weit eingekürzt habe, bis bei eingestellter Arbeitslänge ein perfekter TugBack erzielt werden konnte.
Bei ausgedehnten apikalen Aufhellungen beobachte ich, dass die initial bestimmte Arbeitslänge häufig um wenige Zehntel Millimeter zu kurz angezeigt wird.Grund dafür dürfte in den apikalen Kanal eindringende periapikale Flüssigkeit sein, die zu einer fslch positiven Messung führt. (Die Aussagen aller Endometriegerätehersteller, dass ihr Produkt in allen Flüssigkeiten immer fehlerfrei anzeigt, möchte ich an dieser Stelle in das Reich der Fabeln verweisen.)
Daher messe ich nach bestimmten Aufbereitungsgrößen und am Ende der Aufbereitung immer erneut mit dem zuletzt verwendeten Durchmesser im getrockneten Kanal nach.
Wie der Vergleich zwischen Messaufnahme und Masterpointeinprobe in DB zeigt, kann dieses Vorgehen durchaus sinnvoll sein.
Ein ganz normaler Behandlungsfall mit einer Vielzahl von Hürden, die aber bei entsprechender Diagnostik bereits im Vorfeld der Behandlung erkannt und mit einem minimalem handwerklichen Geschick in der Behandlung genommen werden können.
Im Vergleich zum Arbeiten ohne dreidimensionale Diagnostik bedeutet das virtuelle Durchführen der Behandlung eine erhebliche Reduktion des Stresslevels für mich und nicht zuletzt auch für meine Mitarbeiterinnen.
Hallo Jörg, wie immer phantastisch von dir gelöst. Hut ab. LG Oli
Danke für das Lob. LGJ
Auch von mir großes Lob und danke nochmal für den Hinweis mit der Arbeitslänge.
Ich dachte schon das geht nur mir so.
Dankeschön. Nein, das geht uns allen so. ;) Die Herausforderung ist es, herauszufinden, wann es so sein könnte. ;)
Hallo Jörg,
die immer wiederkehrende Qualität und das strukturelle Vorgehen all deiner Fälle lässt einen selber härter an sich arbeiten. Vielen Dank schon mal dafür.
Kurze Frage und ggf. Antwort:
Wie oft machst du das präop DVT bei:
Front – Molaren – Revisionen
Man könnte den Eindruck gewinne, nahezu immer?!
LGA
Gemeinsam spornen wir uns an. Das ist finde ich Klasse.
Dein Eindruck trügt nicht. Die Entwicklung nahm im Jahr 2011 ihren Anfang. Zunächst nur bei Molaren mit Zustand nach WSR zur Klärung der Lage der retrograden Materialien und bei Resorptionen sowie Zahnanomalien. Dabei blieb nicht aus, dass auch behandlungsbedürftige nachbarzähne im Volumen abgebildet waren, die zum Teil überraschende Anatomien aufwiesen, Diebin 2D so nichtbzu erkennen waren. Also lernte ich am 2D Bild die Hinweise auf diese Besonderheiten zu erkennen . Tiefe Gabelungen, seitenkanäle, abrupte Krümmungen. Das Wissen um diese Dinge lässt mich die Machbarkeit der Behandlung besser einschätzen. Und zunehmend Fälle erkennen die ich als nicht behandelbar erachte. Hinzu kommt, dass ich ca. 95% meiner Zeit Revisionsbehandlungen durchführe. Stufen, Perforationen, Lage von Instrumenten… Dann habe ich erkannt, dass ich z. B. Bei UK Molaren den der mesialen Kanäle identifizieren kann , der die geringere Bukko-linguale Krümmung aufweist und von dem aus ich zuerst das Foramendurchmesser erreichen möchte. Ich bin in der Lage meine Behandlungstaktik im Vorfeld zu planen. Und dann kommt noch dazu, dass uns zunehmend Fälle überwiesen werden, deren Komplexität im Vergleich zu früher höher liegt. Und Patienten, bei denen mehrere Zähne behandelt werden sollen, oder bei denen es bei der Erstbehandlung zu Komplikationen gekommen war. Bei Molaren fertige ich fast immer ein DVT an. Bei Prämolaren wenn die oben erwähnten Besonderheiten zu erkennen sind. Bei Frontzähnen bei Resorptionen, Wurzelfrakturen, Anomalien, Zustand nach Resektionen mit retrogradem Materialien, Verdacht auf Perforation und im 2D Bild erkennbarer vollständiger Obliteration um navigierte Aufbereitung zu ermöglichen. Lgj
Danke !!