von Jörg Schröder
Die 45-jährige Patientin stellte sich bei uns vor, weil sie in den zurückliegenden Wochen mit der Zunge an Zahn 21 – versorgt mit einer vollkeramischen Krone- eine geringe Schwellung der palatinalen Gingiva wahrgenommen hatte. Der überweisende Kollege übersandte folgendes aktuelle Einzelbild.
Anamnestisch war ein lange zurückliegendes Frontzahntrauma zu eruieren, von dem die Zähne 11 und 21 betroffen waren. Zahn 11, mittlerweile durch eine implantatgetragene Krone ersetzt, zeigte sich im Jahre 2008 wie folgt:
Klinisch zeigt sich der Zahn 21 bis auf die gering ausgeprägte Schwellung der palatinalen Gingiva vollkommen symptomlos. Die Sondierungstiefen sind nur im Bereich der Schwellung mit 3,5 mm etwas erhöht und liegen ansonsten innerhalb normaler physiologischer Bereiche. Der elektrische Sensibilitätstest verlief positiv. Der Zahn war weder perkussionsempfindlich noch erhöht beweglich. Der Klopfschall war physiologisch.
Das leider etwas bewegungsunscharfe DVT der Region 21 zeigt die Ausdehnung des Resorption Geschehens sehr deutlich.
Nachdem die Patientin eine Zahnentfernung mit anschließender implantologischer Versorgung nur durchführen lassen wollte, wenn es keine erfolgversprechende Behandlungsalternative geben sollte, wurde ein kleinvolumiges DVT angefertigt. Die dreidimensionale Ausdehnung des intrakoronalen Hartsubstanzdefektes beurteilen zu können ist für die Entwicklung einer vorhersagbaren Behandlungsstrategie unerlässlich.
Das DVT zeigt eine scharf abgegrenzte intraradikuläre Aufhellung mit einer Perforation der Aussenkontur nach palatinal. Während der Pulpakammerhohlraum koronal vollkommen obliteriert erscheint, zeigt sich der Kanalquerschnitt im mittleren und unteren Wurzeldrittel deutlich erweitert. Im axialen Schnitt sind trotz der durch die Nähe zum Implantat in Regio 11 verursachten Artefakte fingerartige Ausläufer der Aufhellung zu erkennen.
Die Auswertung des DVT ergibt gemeinsamen mit dem klinischen Erscheinungsbild die Diagnose einer externen Invasion zervikalen Resorption.
Die Therapie wurde zweizeitig durchgeführt.
In der ersten Behandlungssitzung wurde die palatinale Gingiva an Zahn 21 nach intrasulkulärer Schnittführung abgelöst. Die sichere Hämostase mittels entsprechend adrenalinhaltigem Anästhetikum und unter Zuhilfenahme von adrenalinhaltigen Racelette-Pellets war die Grundvoraussetzung für den adhäsiven Verschluss der Wurzelperforation.
Nach Präparation der Zugangskavität und Exkochleation des Großteils des Resorptionsgewebes mittels scharfem Exkavator erfolgte die weitere Ausräumung des Weichgewebes mit langschaftigen Munce-Rosenbohrern.
Nachdem die Eintrittspforte des resorptiven Geschehens ca. 1 mm unterhalb des Limbus alveolaris lokalisiert war, erfolgte mittels rotierender Instrumente eine kleine palatinale Osteoplastik um eine sichere Konditionierung der freigelegten Dentinareale und das spätere adhäsive Verschliessen zu ermöglichen.
Der apikale Pulpastumpf wurde zunächst mit CaOH2 bedeckt. Das Überschichten mit einem lichhärtenden CaOH2-Präparat (Ultrablend) ermöglicht nachfolgend das problemlose Ansätzen und Konditionieren der Hartsubstanzen.
Zur Rekonstruktion der intraradikulären Unterschnitte wurde ein lichthärtendes Flow-Komposit mit normaler Viskosiät verwendet. Die Ausformung der neuen palatinalen Wurzelwand erfolgte mit einem tixotropen Komposit (Estelite, Low-Flow). Dieses lässt sich mit einem Microopener perfekt an die Originalaussenkontur adaptieren. Die tixotropen Eigenschaften verhindern dabei das schwerkraftbedingte “Weglaufen” des Füllungsmaterials.
Um die Wundheilung nicht durch das Anlegen eines Kofferdams zu beeinträchtigen (Einzelzahnklammer, Ligatur, potentieller Kontakt mit NaOCl) erfolgte die Behandlung zweizeitig. Über das lichthärtende CaOH2-Präparat wurde ein Schaumstoffpellet platziert, welches wiederum mit Cavit überdeckt wurde. So wird der endodontische Zugang in der zweiten Behandlungssitzung wesentlich erleichtert.
Der Nahtverschluss erfolgte mit monofiler Naht der Dimension 7/0.
Nach 4 Tagen erfolgte die Nahtentfernung, nach weiteren 10 Tagen die Obturation des Kanalsystems mit BC Sealer und Guttapercha. Ein wenig gewöhnungsbedürftig ist der Look der WF-Kontrolle. Durch die resoptionsbedingten Irregularitäten wird ein Lufteinschluss vorgetäuscht, der aber nach dreimaliger Nachverdichtung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden konnte.
Das Recall in 6 Monaten wird zeigen, wie vor allem die Parodontose Heilung vorangeschritten ist. Eine erhöhte Sondierungstiefe im Bereich des Adhäsion Verschlusses ist dabei zu erwarten.
Guten Morgen Jörg,
Ich mag deine temporäre Pulpotomie.
Ich habe schon überlegt ob in dieser Art von Fällen dies auch eine Therapieoption ist.
Dagegen spricht das die Pulpotomie nicht aseptisch durchzuführen ist. Aber dafür daß man die Pulpa apikal erhalten könnte. Im dvt gibt es auch keinen Anschein das diese bakteriell infiziert ist.
Gerade bei externen Resorptionen wird ja die Pulpa selbst nicht geschädigt.
Bin gespannt was du schreibst.
Einen guten Start in die Woche
Georg
Guten Morgen, Georg.
Ich habe mehrere dieser Behandlungen durchgeführt, die bislang keiner nachfolgenden endodontischen Therapie bedurften. Keine meiner Pulpotomien habe ich je mit steriler Wasserkühlung durchgeführt. Anschließende Desinfektion mit NaOCL scheint auszureichen. Ich sehe, wie Du, mehr die Chance, als das Risiko, da letzteres im Rahmen der bekannten Erfolgsquoten beherrschbar erscheint.
LGJ
Ich möchte demnächst einen ähnlichen Fall versorgen. Vielen Dank für die strukturierte Anleitung.
Ein Gedanken hatte ich gestern: warum nicht nach Entfernung des resorptiven Areals die vitale Pulpa im Kanal mit MTA abdecken und auf die komplette WK verzichten?
Liege ich komplett daneben?
Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.
Danke
Till
Das ist sicherlich eine Option, die ich in anderen Fällen genauso durchgeführt habe. Im konkreten Behandlungsfall hat den Ausschlag gegeben, dass ich für eine später notwendige endodontische Behandlung eine lange Strecke bis zum sehr kurzen apikalen Kanalabschnitt durch eine entsprechend dicke Komposit-Schicht hätte zurücklegen müssen. LGJ