Tücke des Details

von Ronald Wecker

Fragt man im Kollegenkreis herum, so gelten endodontische Behandlungen an oberen mittleren Schneidezähnen  als “No-Brainer”. Gerader Kanalverlauf, weite Kanäle und guter Zugang.

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Gründe für einen nicht erfolgreichen Verlauf gibt es jedoch offensichtlich viele.

In vorliegendem Behandlungsfall erfolgte nach der alio loco durchgeführten Erstbehandlung zwar eine Reduktion der massiven Beschwerden. Zahn 21 blieb jedoch weiterhin deutlich perkussions- und palpationsempfindlich.

Das präoperativ angefertigte Einzelbild liess eine schwach radioopak wirkende medikamentöse Einlage vermuten. Die apikalen 4 mm schienen wenig Bearbeitungsspuren aufzuweisen. Der erkennbar aufbereitete Kanalanteil endete abrupt.

Die Patientin berichtete darüber, dass die Längenmessung endometrisch erfolgt war; aus der überweisenden Praxis wurde mitgeteilt, dass die initiale Aufbereitung bis ISO 40 durchgeführt wurde.

Nach teilweiser Entfernung der Verschlussfüllung fiel sofort das kontaminierte Pulpakavum auf. Zudem versperrte ein palatinal gelegener Dentinüberhang den Blick nach apikal. Nach Optimieren der Zugangskavität konnte im unteren Drittel eine iatrogene Stufe an der labilen Kanalwand visualisiert werden. Die apikal davon gelegenen ca. 4 mm Kanalanteil enthielten putride zerfallene Gewebereste.

Der Überhang lenkt das eingeführte, vermutlich nicht vorgebogene, Handinstrument nach labial ab. Die Stufe wird präpariert. Die Endometrie kann bei weiten Foramina mit putrider Exsudation falsch positive Ergebnisse zeigen. Eine Messaufnahme hilft, diese Fehlerquelle auszumerzen. Eine offensichtlich nicht volumenstabile medikamentöse Einlage ermöglicht die Rekontamination bereits desinfizierter Kanalanteile.

Einfache Zähne gibt es offensichtlich doch nicht.

 

4 Gedanken zu „Tücke des Details

  1. Guten Morgen Herr Wecker,
    was war denn der Grund für die endodontische Therapie?
    Nekrose nach Trauma?
    Das war jedenfalls eine sehr lieblose Primärbehandlung des Überweisers.
    Eine ordentliche Reinigung der Trepanationsöffnung/Zugangskavität sollte vor Endometrie schon stattfinden.

    Viele Grüße und ein schönes Wochenende

    • Die Patientin konnte kein Trauma erinnern, räumt jedoch ein, dass es beim regelmässigen Basketballspielen durchaus zu einem unerwünschten Zusammenstoss gekommen sein könnte. Es gab ein zunehmendes Diskolorieren im Laufe des vergangenen Jahres. Herr Wecker denkt an eine Konkussion oder ein Trauma im Sinne einer Lockerung (früher Subluxation) mit nachfolgender Pulpanekrose.

      Herzliche Grüße

      Jörg Schröder

  2. Danke Ronald,
    und auch hier gilt die alte Endo-Weisheit: “Der nächste Zahn ist immer der Schwerste.”
    Die Weckersche-Regel halt… ;-)
    Beste Grüße,
    Thomas

  3. Selbstverständlich ist das hier ein einfacher Zahn.
    Es wurden lediglich die elementaren Grundregeln der endodontischen Zugangskavitätengestaltung nicht beachtet. Man kann jetzt darüber spekulieren, ob diese nicht bekannt waren oder aber ob hier wider besseres (zumindest ehemals vorhandenes) Wissen gehandelt wurde.

    Beides ist gleichermaßen unbefriedigend.

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