Mit Navigation zum Erfolg


von Jörg Schröder

Der Titel des Beitrags ist eventuell ein wenig ungenau. Denn das was ich im Folgendem beschreibe, ist keine Navigation im Sinne einer schablonengeführten Navigation wie bei der Guided Endo oder der navigierten Implantation mit Hilfe von Bohrschablonen.

Es ist navigiertes Behandeln und am besten zu vergleichen mit navigiertem Autofahren. Der Fahrer (Behandler) hat eine Karte (DVT)  auf seinem Bildschirm (Monitor) und gleicht das reale Bild (das Mikroskopbild) mit dem Karten-(DVT-)Bild ab. Ständig.

Er weiß zum Beispiel, dass es in 150 Metern eine enge Rechtskurve geben wird und er die Geschwindigkeit reduzieren muss. Zumal nach der Kurve eine Einmündung zweier weiterer Straßen erfolgt.

Die mittlerweile mögliche Abbildungsgenauigkeit kleinvolumiger DVT versetzt den Behandler*in heutzutage in die Lage, bei der Aufbereitung komplexer Anatomie in ähnlicher Weise von seinem “Kartenwissen” zu profitieren.

Das Vorhandensein eines Middle Mesial war im heute vorgestellten Behandlungsfall beim Durchfahren des achsialen Schnittes sofort ins Auge gefallen. Aus einem koronal schlitzförmigen Kanaleingang mesiolingual gabelt sich nach ca. 3 mm der MM vom ML ab, um im unteren Wurzeldrittel mit ML und MB zu konfluieren.

Eine tiefe Aufgabelung in D war ebenfalls präoperativ bekannt.

Worin liegt nun der Vorteil der dreidimensionalen Diagnostik? Reicht nicht mein Mikroskop alleine aus, um diese Fallstricke zu erkennen? Vielleicht ja. Aber anstatt mich zögernd im Bereich des Pulpakammerbodens nach unten zu bewegen, da ich ja erst beim Präparieren sehe, was als nächstes kommt (Aufgabelung, tiefer Isthmus, Konfluation oder Kommunikation), kann ich mit dem Wissen aus dem DVT meine Instrumente von Beginn an gezielt und effizient einsetzen.

Der Isthmusbereich zwischen MB und ML wurde von Beginn an mit Munce-Bohrern absteigender Größe bearbeitet. Aus dem schmalen schlitzförmigen Eingang mesiolingual wurde mit dem kleinsten Munce-Bohrer innerhalb weniger Sekunden die Aufgabelung von MM und ML freipräpariert.

Die initiale Instrumentierung erfolgte in üblicher Weise mit ProFile-Instrumenten 15/04, 20/04 15/06 bis ca. 1 mm fern des zu erwartenden apikalen Endpunktes. Diesen hatte ich mir bereits vor Behandlungsbeginn am DVT ermittelt. Der Verlauf des ML im koronalen Schnitt war harmonischer und weniger abrupt. Also erfolgte die Aufbereitung zunächst in diesem. Dann die des MB. Dieser krümmte sich stärker von bukkal nach lingual, als es der ML von lingual nach bukkal tat. Da der gemeinsame Kanalverlauf bereits vom ML aus aufbereitet war, musste das Instrument im MB apikal keine Klemmung befürchten.

Erst jetzt wurde der MM in vollrotierender Weise instrumentiert. Ein Scouten mit Handinstrumenten war nicht notwendig. Der Verlauf der Kanäle ja bereits bekannt.

Benutzt man zudem noch die Spanräume seiner Instrumente als Informationsträger, kann man seine Annahmen zum Kanalverlauf und der Lage der Kommunikation überprüfen. Der in den Spanräumen gefangene Debris gibt Auskunft darüber, wo das Instrument formatfüllend Wandkontakt hatte.

Auch ist das Wissen darüber, welche Aufgaben zu lösen sind, hilfreich, um das Behandlung-Setup perfekt vorbereiten zu können.  Meine Mitarbeiterinnen konnten alles vorbereiten, was im Verlauf der Behandlung zum Einsatz kommen würde.

Squirting-Technik für die tiefe Aufgabelung in D,  laserunterstützte Irrigation bei tiefer Konfluation von MB, MM und ML. Hyflex-Instrumente für die gekrümmten mesialen Kanalsysteme. Da das DVT präoperativ angefertigt wird, konnte sogar der Kostenplan die spätere Behandlungssituation exakt abbilden.

Auch wenn es einer gewissen Romantik entbehrt, zu wissen, was nach der nächsten Kurve kommt, vermisse ich das Fahren “ohne” nicht eine Sekunde.

 

 

4 Gedanken zu „Mit Navigation zum Erfolg

  1. Hallo Jörg,
    danke für den wie immer schönen Fall. Kurze Frage: wenn distal Squirting-Technik, wieso dann einen Masterpoint? Heißt Squirting-Technik nicht ausschließlich mit erwärmter Guttapercha?
    LG, Harald.

    • Hallo Harald, den nehme ich immer mit hinein, um zu wissen, wie weit der hinab reicht. Daraus kann ich ableiten, welcher Plugger, wie tief eingebracht werden kann. Das Einbringen des Sealers erfolgt auch mit dem eingebrachten Masterpoint, dann kommt der Extruder. LGJ

  2. Hallo Jörg,
    die guided Endo erleichtert uns ohne Frage die präoperative Planung, Abschätzung der Prognose, Kostenplanung, ggf. substanzschonende Präparation und das Erkennen von Limits.
    Nach wie vor stellt sich bei mir jedoch immer wieder die Frage der gerechtfertigten Indikation. Oftmals erfolgt ein DVT erst als erweiterte Diagnostik bei unklaren mikroskopischen- und 2D-Röntgen-Befund. Sicherlich werden in der Praxis nicht standardmäßig präoperative DVTs angefertigt. Vielleicht kannst du einen kurzen Einblick in eurer Vorgehen geben?
    Besten Dank !

  3. Hallo Antonio,
    mit jedem DVT, dass ich angefertigt habe, habe ich dazu gelernt. Ich habe oftmals Befunde erfasst, die ich erst anschließend im 2D Bild erahnt habe. Umgekehrt eher weniger. Mein Tagwerk besteht zu 95% aus Revisionsbehandlungen, zu 3 % Traumabehandlungen und der Rest sind Erstbehandlungen.

    Die rechtfertigende Indikation stellt sich, wenn für die Behandlung relevante Details, die z.B. die grundsätzliche Durchführbarkeit oder Sinnhaftigkeit in Frage stellen, im 2D-Bild nicht erkannt werden können. Hinzu kommen externe und interne Resorptionen, periapikal befindliches Fremdmaterial, die Lage fakturierter Instrumente jenseits von Krümmungen und/oder im apikalen Drittel, Behandlungsgfälle mit Irritationen des N.alv.inf. mit einhergehenden Sensibilitätsstörungen und die Bestimmung der räumlichen Beziehung zu den Apizes der zu behandelnden Zähnen, sichere Abklärung des Zustandes der periapikalen Gewebe vor prothetischer Neuversorgung, Verdacht auf aberrante Anatomie (Radix entomolaris, Den invaginatus, Middle mesial, oder ganz simpel tiefe Aufgabelungen. Iatrogene Stufen und Perforationen. Da sind sicher nicht alle Indikationen genannt. Aber alle die, in denen ich im 2D-Bild selbst nach der dritten abweichenden Projektion nicht ansatzweise die Information erhalte, die das DVT mir gibt. Insofern schult der Gebrauch des DVT auch die Einschätzung, wann ein solches wichtig ist. Unsere Patienten erwarten eine vorhersagbare Therapie von uns. Eine belastbare Aussage, ob die Behandlung sinnvoll ist und erfolgversprechend durchführbar ist. Ob sich die Investition in den Zahnerhalt lohnt. Und all diese Fragen, technische, wie prognostische kann ich mit dem DVT erheblich präziser beantworten, als ohne. Benötige ich bei einem oberen mittleren Schneidezahn nach geringer lateraler Dislokation ein DVT? Eher nicht. Besteht der Verdacht auf eine begleitende Horizontalfraktur? Dann eher schon. Insofern scannen wir nicht jeden Zahn. Aber definitiv mehr, als zu Beginn des Einsatzes des DVT.

    Herzliche Grüße

    Jörg

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