Was tun bei vorhandener Ankylose?

Von Bonald Decker

Heute möchte ich Ihnen den Fall der jungen Charly (10,4Jahre) vorstellen und wieder einmal um Ihre Meinung hinsichtlich möglicher Behandlungsoptionen bitten…

Zur Vorgeschichte:

Gemeinsam war Kind und Mutter letzten Sommer aufgefallen, dass der linke grosse Schneidezahn „auf sich warten liess“.

Das von der Hauszahnärztin angefertigte OPG zeigte eine deutliche Infraposition des Zahnes.

ankylose-001

Es erfolgte die Überweisung zu einer Fachzahnärztin für Kieferorthopädie.

Die dort daraufhin eingegliederte Apparatur zur Gaumennaht-Erweiterung führte dazu, dass der Zahn zumindest etwas in die Mundhöhle durchbrach.

Es folgte eine Bebänderung der Oberkieferfrontzähne 12-22 mit dem Ziel der weiteren Zahnextrusion von 21.

Nach circa vier Monaten wurde dieses Vorhaben abgebrochen, da es nicht zu der gewünschten Extrusion des Zahnes 21, sondern vielmehr zu einer Intrusion der Nachbarzähne (mit daraus resultierendem frontal offenen Biß) kam.

ankylose-002

Daraufhin würde bei einem konsultierten MKG-Chirurgen ein DVT der Region angefertigt. Hier zwei Screenshots sowie ein Desktop-Mitschnitt der Aufnahme:

ankylose-003

ankylose-004

Klinisch zeigt sich der Zahn wie folgt:

ankylose-005

Die Untersuchungen zeigten keine (unerwarteten) Besonderheiten (Vipr +, BOP-,Lockerungsgrad=0,Klopfschall hell…,anamnestisch ist kein Trauma bekannt)

Wie lautet Ihre Diagnose und welche Therapieoption(en) sehen Sie?

Für Ihre Meinungen und Feedback wäre ich Ihnen seeeehr dankbar…

 

16 Gedanken zu „Was tun bei vorhandener Ankylose?

  1. Guten Morgen,
    es gibt meines Erachtens – und das ist mittlerweile Standardtherapie in unserer Abteilung und in der Kooperation mit der Kieferorthopädie – nur eine sinnvolle Therapieoption: Transplantation eines Prämolaren.
    Lücke noch etwas erweitern, transplantieren bei etwa 50-70 % Wurzelbildung und vor Erreichen des Okklusion-Niveaus. bei Anhalt für Deck-/Tiefbiß mit Kieferorthopäden Bißhebung angehen.
    Überlebensraten: etwa 90 %/Erfolgsraten: etwa 83 % – nach mehr als 26 Jahren Beobachtungszeit.
    Und zwar über alle transplantierten Zähne, soll heißen: von Anfang an/inklusive Lernkurve. (Czochrowska et al , Am J Orthod Dentofacial Orthop 2002;121:110-9 und Tagung Sopot, Polen 2016).

    • Ok. Transplantation sehe ich auch als Option. Wobei sich ja dann eine neue „Problemstelle“ auftut, oder nicht. Ein KfO-Platzproblem hat diese Pat ja wohl eher nicht. Denke Sie es wäre möglich die knöcherne Einwachsung bukkal (und palatinal) mechanisch zu entfernen und den Zahn so wieder „beweglich“ /bewegbar zu machen? Halten Sie eine Art chirurgische Extzusion und Schienung in der neuen (=korrekten) Position für denkbar? Oder ist das ein zu gewagtes Unterfangen?
      vg ck

      • Lieber Herr Kaaden,
        haben Sie schon einmal einen solchen ankylosierten Zahn gesehen? Wie üblich, dürften auch hier die Röntgenbilder rund 25 % untertreiben..
        Nein, ich habe zwar schon viel gesehen, inklusive Extraktion, tiefer setzen, Re-Ankylose, Extraktion, tiefer setzen, Re-Ankylose, raus.
        Ich habe zig dieser Zähne versucht, per chirurgischem Aufbrechen (Extraktionsbewegungen) der Ankylose, mit und ohne Replantation, mit und ohne Emdogain zu erhalten, es ist meines Wissens immer schief gegangen…

        Für mich gibt es daher nur Dekoronation, kieferorthopädischen Lückenschluss oder Transplantation in diesen Fällen. In Übereinstimmung mit unseren Kieferorthopäden in umgekehrter Reihenfolge, sofern verfügbar. In perfekt gelagerten Situationen gegebenenfalls einflügelige Adhäsivbrücken, diese jedoch vornehmlich für seitliche Schneidezähne und erst, wenn die bleibenden Zähne in Position stehen.

        Alle anderen Behandlungsversuche enden in mehr oder weniger einer Katastrophe:
        Extraktion: Verlust der in der Regel nur noch rudimentär vorhandenen vestibulären Lamelle. Augmentation (kann sehr umfangreich werden, und auch bei deutlich <30, je nachdem, ob man der Basler Schule anhängt oder nicht, Implantation mit Erfolgsraten in der Oberkieferfront von ?? bis ??%, typischerweise mit den Erfolgskriterien nach Buser, d.h. ohne Berücksichtigung der Ästhetik. Wichtig für die Kosten: jahre- bis jahrzehntelanger Interimsersatz.
        Zu den Aussichten der anderen Therapien (s.o.): in meinen Händen nix gut.

        Zu den anderen Anfragen:
        Langes Veneer: Wie lange ging das gut? Was dann?

        Ja, ankylosiert auch der Prämolaren, dann ist es natürlich ziemlich Mist. Aber: Chance Ankylose <>90%…
        Und da in der Regel die Donorlücke kieferorthopädisch geschlossen wird, und dadurch die heutzutage in der Regel retiniert und verlagert liegenden Weisheitszähne in der Regel durch diesen Platzgewinn in die Mundhöhle durchbrechen können und nicht entfernt werden müssen, gibt es de facto noch nicht einmal einen Zahnverlust mehr zu beklagen…

        Kieferkammnachentwicklung: bei regulärer Einheilung ist das nie ein Problem, entweder spontan oder mit KFO-Hilfe. das ist ja gerade das schöne an der Transplantation:
        1. fehlender Knochen wird regeneriert, es sind mir auch bei wirklich viel (d.h. >>90%) fehlendem Knochen, also quasi in der Luft hängenden Zähnen, keine Misserfolge bekannt
        2. man muss nicht, wie in der Implantologie, super exakt arbeiten. Wenn ein Implantat irgendwo steht, da steht es dort, unverrückbar. Und wenn es einen halben Millimeter zu weit links oder rechts steht, dann auch. Nach Transplantation muss in der Regel sowieso der Kieferorthopäde ran, manchmal zur Stellungsoptimierung, und eigentlich immer zum Lückenschluss…

        Einziges Problem, das ich sehe: das erheblich jüngere Patientenalter für einen solchen chirurgischen Eingriff (=Narkosehäufigkeit ca. 50 %, alle Doppeltransplantationen plus einige Einfachtransplantationen).

        Viele Grüße
        Yango Pohl

        • Oh Schreck,
          da hat mir meine Spracheingabe einen gehörigen Streich gespielt.
          Es muss heißen:
          „Augmentation (kann sehr umfangreich werden, <30 Jahren, je nachdem, ob man der Basler Schule anhängt oder nicht, in situ etwa 92-94% über 10 Jahre, Erfolgsraten ca. 85-90%, i.d.R. Kriterien nach Buser, d.h. funktionell, ohne Berücksichtigung der Ästhetik)“
          „Ja, ankylosiert auch der Prämolaren, dann ist es natürlich ziemlich Mist. Aber: Chance Ankylose <>90% korrekter Heilung.“

          Sorry, war keine Absicht. Hoffe auf sonstige Fehlerfreiheit… Bei so blödsinnigem Text bitte ich alle Miträtselnden herzlich um Ansprechen desselben…

          Herzlichst,
          Yango Pohl

          • Oh nein, Fehler n der Fehlerbereinigung:
            „Augmentation (kann sehr umfangreich werden),
            Implantation (Wartezeit bis zum Alter von 18/20 oder >30 Jahren, je nachdem, ob man der Basler Schule anhängt oder nicht, in situ etwa 92-94% über 10 Jahre, Erfolgsraten ca. 85-90%, i.d.R. Kriterien nach Buser, d.h. funktionell, ohne Berücksichtigung der Ästhetik)“

    • Bei einer Ankylose bei Kindern sicherlich eine sehr gute Möglichkeit. Hier ist leider eine recht ausgeprägte Infraposition. Falls der transplantierte Prämolar zusätzlich noch ankylosiert, wäre das Ergebnis auch nicht so toll. Wie schätzen Sie die Möglichkeit der Kieferkammnachentwicklung mit dem transplantierten Prämolaren ein?

  2. Guten Morgen! Wir hatten einen ähnlichen Fall mit einem sehr langen Compositveneer versehen weil die Patientin eine sehr niedrige Lachlinie hatte. Vorher hatten wir noch über laterale Knochenschlitzung und KFO von dem ganzen Knochenblock mit Zahn ( ein paar Ideen http://www.ijss-sn.com/uploads/2/0/1/5/20153321/ijss_feb-09.pdf) nachgedacht, aber es bestehen schon Risiken. Auf die Vorschläge der Kollegen bin ich auch gespannt…

    Gruß Gregor S.

      • Und nach Distraktion? Gerade in diesem Alter wird ein Zahn innerhalb von 3-7 Jahren komplett resorbiert – wenn er denn überhaupt infektionsfrei bleibt. Meist kommt es jedoch zu einer infektionsbedingten Resorption, die zu einem erheblichen Knochenverlust führen kann. Aber auch ohne diese dürfte die meist folgende Implantation nicht ohne Augmentation möglich und doch recht aufwändig sein…
        Einmal abgesehen davon, dass eine Distraktion erst nach Denudation des Knochens von vestibulär und einem Durchtrennen des Knochens von vestibulär bis nach palatinal möglich ist – mitsamt der Durchtrennung der Gefäße für die Pulpa…
        Demgegenüber kann die Transplantation nicht nur jetzt und sofort helfen, sondern auf Dauer.

  3. Lieber Bonald,
    was die Diagnose betrifft, nach Ansicht des DVTs habe ich den Eindruck, dass hier eher eine externe zervikale Resorption vorliegt, als eine Ankylose. Bukkal scheint tatsächlich knöchernes Gewebe im Resorptionsdefekt lokalisiert zu sein.
    Was möchtest Du für diesen Zahn noch tun? Ein sinnvoller Therapievorschlag ist meines Erachtens gemacht worden.
    Herzliche Grüße
    Narc

    • Marc, man hat versucht den Zahn Kieferorthopädisch zu extrudiertes. Null Erfolg. Im Gegenteil. Imho liegt hier eine ankylose als „folge“ der ecir vor (und keine aufgrund einer ersatzersorption) oder verstehe ich den Begriff ankylose falsch? Was hälts du von der Idee die knöcherne einwachsung zu entfernen und zu schauen, ob er dadurch beweglich wird. Einen parodontalspalt sieht man ja auf großen Strecken. Ggf könnte man ja dies versuchen und intraop bei misslingen auf die Transplantation umschwenken. Wie löst man dann aber die Prämolaren Lücke? Einseitiger Lückenschluss ist in der kfo mäßig „beliebt“…oder?

        • Guten Abend, Bonald,
          Ich erkenne in dem DVT keine Ersatzresorption, Bonald, sprich Fusion von Knochen und Zahn, respektive Ersatz von Parodontalgewebe, Zement und Dentin durch Knochen. Das würde ich bei einer Ankylose voraussetzen. Der Parodontalspalt ist im DVT fast durchgehend zu erkennen. Deshalb interpretierte ich den Scan im Sinne einer externen Resorption, invasiv, zervikal gelegen.
          In einen Defekt einsprossendes knöchernes/fibröses Gewebe oder Kalzifikationen würde ich in diesem Fall per se nicht als Ankylose bezeichnen und ist typisch für diese Resorptionsform im fortgeschrittenen Stadium.
          Mit der Terminologie ist das so eine Sache. ECIR ist meines Wissens nicht mehr gebräuchlich, zumindest wenn man dem Glossary of Endodontic Terms folgt. Ein deutschsprachiges Glossar ist mir nicht bekannt.
          Das Ausmaß der Läsion läßt nach meinem Dafürhalten einen Erhaltungsversuch wenig sinnvoll erscheinen, weil ich keine Option sehe, wie die Resorption unter diesen Umständen gestoppt, bzw. behandelt werden soll. Extraoral und intentionell replantieren wäre eine Idee ;-)
          Wenn Autotransplantation, dann bilaterale Extraktion, das sehe ich aus Erfahrung mit „meinen“ Kieferorthopäden genauso.
          Ich würde den Fall noch ein oder zwei Spezialisten auf diesem Gebiet präsentieren. Halte uns auf dem Laufenden.
          LGM

          • Zur radiologischen Diagnostik:
            Andersson et al. 1989(?) vergleichende tierexperimentelle Studie Histologie/Klinik/Radiologie
            erst ab Ankyloserate der Wurzel von 20 % klinisch sichere Diagnostik nach 8 Wochen. Röntgen (kein DVT, Zahnfilm): fifty-fifty in diesem Szenario.

            Und:
            Ich kann mich noch gut an Jens Andreasen erinnern, wie er aufgeregt zwischen Dia-Projektor und Dia hin- und herrannte, das er mit und ohne Brille beguckte. Das Dia war ein Röntgenbild eines avulsierten Zahnes, der nach Denudation und Emdogainapplikation einen deutlichen Parodontalspalt zeigte. Es kam aus der Gruppe Kenny (Toronto?).
            Später zeigte sich, dass alle so behandelten Zähne ankylosiert waren: eine sehr dünne Schicht Knochen war direkt auf der Wurzel abgelagert und ließ sich von dieser nicht differenzieren. Der „Parodontalspalt“ ergab sich durch eine an diese Knochenschicht angrenzende schmale Spongiosaschicht, der wiederum kompakterer Knochen folgte.
            Auch hier gilt: Kein DVT, sondern Zahnfilmaufnahme…

            Wie das hier zu sehen ist, ich wage es nicht zu entscheiden.

            Beste Grüße
            Yango Pohl

Schreibe eine Antwort zu Christoph KaadenAntwort abbrechen