Starker distaler Knocheneinbruch – Lohnt der Versuch eines Zahnerhaltes ?

von Donald Becker

Screenshot 2016-05-16 19.35.54

 

Oben gezeigter Fall (Ausschnitt aus einem OPG) wurde im Dezember 2015 in einem deutschsprachigen Email- Forum zur Diskussion gestellt. Der Kollege richtete sich mit nachfolgender Mail an das Plenum:

„Der 40jährige Patient stellte sich gestern mit Beschwerden UK re vor. 47 ist zweifelsfrei vital, leicht perk-, stark kälte-empfindlich, etwas gelockert.
Distal ist eine Tasche, die bis zum Apex sondierbar ist, mit etwas Pus-Entleerung.
Auf dem von mir erstellten OPG zeigt sich eine ausgedehnte periradikuläre Aufhellung an 47 
Die 8er-Op ist laut Angabe des Pat. mehr als 10 Jahre her. Danach gab es nie Probleme. Vor drei Jahren wurde Zahn 17 von der Vorbehandlerin mit einer NEM-Krone versorgt.

Der Pat sagt, dass die Krone von Beginn an viel zu hoch war und auch nach wiederholter Einschleif-Therapie die Okklusion nie vernünftig gestimmt hat.

Ich habe zunächst einen massiven Vorkontakt beseitigt, die Tasche gespült, CHX-Gel eingelegt und ein AB verordnet.

Was meint die Listen-Kompetenz?
Ist ein Okklusionstrauma die naheliegende Ursache?
Lohnt ein Erhaltungsversuch?
Bisher habe ich noch nicht mit einer Endo begonnen, da der Zahn ja vital ist.“

Auf die Frage: Lohnt ein Erhaltungsversuch ? antwortete ich: „Unbedingt !“

Ich wollte ein Plädoyer für den Erhaltungsversuch solcher Zähne abgeben, da aus meiner Erfahrung heraus auch solche prognostisch ungünstigeren vertikalen Knocheneinbrüche zuverlässig ausheilen, vorausgesetzt das keine vertikale Wurzelfraktur die Ursache des Knocheneinbruches darstellt. Was sich aber im vorliegenden Falle eines distal endständigen Knocheneinbruchs mittels Dentalmikroskop überprüfen liesse.

„Die massive Knochentasche bis Apex irritiert Dich bei der Einschätzung nicht ?“, wurde ich auf Grund meiner Einschätzung gefragt.

Ich antwortete:

„Vorausgesetzt die Ursache liegt nicht in einer vertikalen Wurzelfraktur, was abzuklären wäre, irritiert mich die Knochentasche in der Tat nicht, dafür habe ich schon genügend davon abheilen gesehen.

Eine geduldige Desinfektion mit einem potenten Medikament ist im Übrigen hilfreich bis obligat, aber daran sollte es ja nicht scheitern.
Grundvoraussetzung ist allerdings auch, dass man PA- Heilungsversuche durch Kürettage unterlässt, weil dies das bindegewebige Attachment eventuell unwiderruflich zerstört.BTW auch vom positiven Vitalitätstest würde ich mich nicht zu stark irritieren lassen…“

Jedoch wie beweisen, dass ein Erhaltungsversuch in der Tat Sinn macht ???

Jeder Fall ist anders, aber letzte Woche kamen  2 Fälle kurz nacheinander in den Recall, die mich spontan an die oben aufgeführte Situation erinnerten.

Ich möchte diese Fälle kurz hier vorstellen und apellieren, bei wie im Röntgenbild dargestellten Knochendestruktionen nicht automatisch die Zange zu ziehen.

Fall 1
Zahn 36

Es gibt nicht viel zu diesem Fall zu sagen. Größerer apikaler und distaler Knochendefekt.
Standardsituation. Nach 6 Monaten schon erfreulich deutliche Knochenregeneration, vor allem auch distal, was für den weiteren Verlauf optimistisch stimmt

 

Fall 2
Zahn 37

Der Patient war uns wegen eines anderen Zahnes zugewiesen worden. Nach erfolgreichem Abschluss unserer Behandlung bat der Patient (der im Unterkiefer im 4. Quadrant bereits 2 Implantate im ersten Jahr nach Implantation verloren hatte) um den Versuch des Zahnerhaltes von Zahn 37 (devital, tiefe Wurzellkaries bis in den Furkationsbereich hinein, große apikaler und distaler Knochendefekt). Der Hauszahnarzt hatte für die Extraktion des Zahnes plädiert.

Die Röntgenbilder zeigen den Zahn 37 vor endodontischer Behandlung, unmittelbar nach WF und 7 Monate sowie 18 Monate post WF. Nach 7 Monaten schon apikal weitestgehend vollständige Knochenregeneration, nach 19 Monaten sowohl apikal als auch distal vollständige Knochenregeneration.

 

2 Gedanken zu „Starker distaler Knocheneinbruch – Lohnt der Versuch eines Zahnerhaltes ?

  1. Hallo Donald,

    Danke für die eindrucksvollen Fälle, die bestätigen das Versuche auch erfolgreich sein können. Wie erklärt sich Donald denn bei Fall 2 die „Verkürzung“ der WF im apikalen Bereich der distalen Wurzel?

    Liebe Grüße

    Carsten

    • Keine Ahnung, was Donald antworten würde, aber ich vermute periapkalen Sealer lingual oder vestibulär innerhalb der Wurzelkontur gelegen. Das erweckt den Eindruck intrakanalären Sealers und erklärt, warum im Recall (nach Resorbtion des extraradikulären Sealeranteils) die Wurzelfüllung verkürzt erscheint.

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