Von Mücken und Elefanten

von Hans – Willi Herrmann

Wie immer, wenn es neue Entwicklungen in der Endodontie, wie auch generell in der Zahnmedizin gibt, finden sich kritische Stimmen.
So wie diese hier zum DVT.
Der Kollege Rüdiger Osswald schreibt (als Kommentar zu diesem Beitrag von Ronald Wecker)

„Sehr geehrter Herr Wecker,
Sie zeigen gelegentlich wirklich sehr interessante Fälle. Aber bei allem Respekt, in Ihren Berichten entwickeln Sie die Tendenz, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen: Von “dem ganzen Ausmaß der knöchernen Destruktion” kann hier doch wirklich keine Rede sein. Hier ist gar kein Knochen zerstört. Es handelt sich vielmehr um eine einfache Aufhellung, will heißen, der Knochen ist teilweise entzündlich demineralisiert, die Knochenstruktur jedoch in allen Bereichen noch sehr gut erkennbar. Das DVT übertreibt wie üblich. “

Tatsächlich ist es genau umgekehrt.
Das konventionelle Röntgenbild (gleich ob Zahnfilm oder OPG) untertreibt.

Es macht also gewissermaßen, um beim Zitat zu bleiben, aus einem Elefanten eine Mücke. Wir wissen das seit 1961, seit den legendären Artikeln von Bender und Seltzer (Roentgenographic and direct observation of experimental lesions in bone).
Als Jene Unterkiefer großzügig von Songiosa befreiten, dieses Vorgehen im Röntgenbild jedoch unerkannt blieb, sofern man  die Kompaktaschicht des Knochens intakt liess.

Und jeder, der WSR´s durchführt, weiss, dass ein scheinbar kleiner Defekt im Röntgenbild in Wirklichkeit als ein großer raumfüllender Prozess sich herausstellen kann.
Oder wir entdecken nach Extraktion eines Zahnes ein „Granulom“, an der Wurzelspitze hängend, dessen Existenz oder wahre Größe im 2D- Röntgenbild nicht auszumachen war.

Wer also ist näher an der Wahrheit ?
Das DVT oder der Zahnfilm ?

Das DVT.  Und – es wird sich durchsetzen.

Weil es etwas kann, was wir auf konventionellem Wege nicht adäquat erreichen können. Weil es einen Mehrwert bietet, uns nämlich in die Lage versetzt, in den Kiefer hineinzuschauen.

Auch das Dentalmikroskop konnte sich etablieren.
Es hat  15 Jahre gedauert, aber es ist geschehen.
Ein bemerkenswerter Erfolg, wenn man bedenkt, welche Investitionssummen hier im Raum stehen. Und dass man per se mit dem Dentalmikroskop kein Geld verdienen kann und CEREC – Gerät und Dentallaser, obwohl früher gestartet und als zusätzliche lukrative Einnahmequelle von den Herstellern angedient,  es bis heute nicht geschafft haben, ihre Daseinsberechtigung nachdrücklich zu beweisen.

Meine Prognose ?
In 10 Jahren ist das DVT Röntgenstandard in der Zahnarztpraxis.
Es wird dann vermutlich keine Neueinrichtung endodontisch oder implantologisch Tätiger geben ohne DVT.

Für mich ist das DVT eine wichtigere Neuerung als digitale Zahnfilme oder das OPG per se.

Warum ?
Ob digital oder analoger Zahnfilm, die Unterschiede, die Diagnostik betreffend, mögen vorhanden sein, aber rechtfertigen sie allein schon den Umstieg ?

Und ein OPG mag eine einfache und schnelle Röntgenmöglichkeit des gesamten knöchernen Kauapparates ermöglichen, aber in der überwiegenden Zahl der  Fälle liefern Zahnstaten aus Einzelfilmen mindestens adäquate Befundungsmöglichkeiten. Geht nur nicht so schnell und komfortabel.

Das DVT hingegen gibt uns neue Einblicke.
Für die Implantologie, für die Endodontie.
Für Diagnose, Fallauswahl, Therapieplanung, Kontrolle.

Es wird unser Arbeiten in Zukunft ein stückweit neu ordnen, ihm seinen Stempel aufdrücken, es prägen, vielleicht sogar für eine Reihe von Dingen unentbehrlich werden.

Der Amerikaner beschreibt das als „game changer“, was sagen wir ?
Akzente setzen, die Spielregeln verändern ?

Ganz egal, wie wir es nennen, es bleibt spannend.
2022 wissen wir mehr.

5 Gedanken zu „Von Mücken und Elefanten

  1. Hallo Ha-Wi,

    das DVT kann schon übertreiben ;-) bei falscher Einstellung der Röntgenparameter geht das auch. Die Programmautomatiken verhindern jedoch die Überstrahlung zuverlässig, wenn man diese denn eingeschaltet hat. Bei rein manueller Programmierung könnte das vorkommen….

    Aber: da muss schon eine grobe Fehlbedienung vorliegen und ich habe das auch noch nicht gesehen.

    Insofern kann man getrost davon ausgehen, dass wir es auch nicht sehen werden…

    Herzliche Grüsse
    Oscar

  2. Die Frage ob DVT oder nicht stellt, sich m.E. nicht mehr. Die Frage ist, wann ist der optimale Einstiegszeitpunkt. Werden die Preise noch weiter fallen?
    Ist fast wie an der Börse…. ;-)

  3. Hallo Herr Herrmann, das Operationsmikroskop hat sich durchgesetzt? Haben Sie Zahlen? Ich habe bisher vermutet, daß das Operationsmikroskop ein Minderheitengerät ist und bleiben wird. Für das DVT vermute ich das gleiche, sofern nicht bei den Patienten in den nächsten Jahren der Reichtum ausbricht, was ich angesichts deutscher Vermögenstransfers in andere Euro-Länder doch sehr bezweifeln möchte. Der Nutzen des DVTs konnte wissenschaftlich bislang nicht nachwiesen werden:
    Petersson A, Axelsson S, Davidson T, u. a. Radiological diagnosis of periapical bone tissue lesions in endodontics: a systematic review. International Endodontic Journal. 2012. Available at: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22429152. Zugegriffen März 27, 2012.

    • Ich schrieb „etabliert“, Herr Logies. Durchgesetzt sicherlich noch nicht, aber ich finde schon mal bemerkenswert, dass es überhaupt seinen Platz in der Zahnmedizin gefunden hat in vergleichsweise kurzer Zeit. Der Kofferdam wartet schon fast 150 Jahre auf eine adäquate Akzeptanz ;-)

      • Kofferdam bei Endo ja, bei vielen anderen Dingen ist „Isolite“ bequemer und sicherer, aber leider auch ordentlich teurer!

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