von Ronald Wecker
im Herbst 2011 kam dieser Patient zum ersten Mal in unsere Praxis. 3 Jahre nach horizontaler Wurzelfraktur beider mittlerer Oberkiefer-Inzisivi. Die Ausgangssituation wurde hier bereits eingestellt.
Mittlerweile konnten beide Zähne initial behandelt werden. Die lange Zeit bestehenden Fistelungen heilten bereits 1 Woche nach Erstbehandlung ab.
Im Vorfeld der Behandlung wurden mit der Mutter des Patienten zwei Vorgehensweisen erörtert.
1. Nach ultraschallunterstützter Irrigation (NaOCl ) eine Einlage mit CaOH2 bis zur Abheilung der Fistelungen und anschliessende Obturation des koronalen Wurzelanteiles mit MTA. Beide Zähne könnten vorhersagbar in je zwei Behandlungssitzungen versorgt werden.
Für den schon bei der Erstvorstellung sehr ängstlichen kleinen Patienten (9 Jahre) schien dies zunächst das Vorgehen der Wahl zu sein. Als Nachteil ist zu nennen, dass es dabei mit Sicherheit zu keinem weiteren Wurzeldickenwachstum kommen würde. Angesichts der dünnen Wurzelwände und der daher stark erhöhten Frakturgefahr war es fraglich, ob so das primäre Behandlungsziel, die Zähne bis zum 18. Lebensjahr zu erhalten, erreicht werden würde.
2. Nach ultraschallunterstützer Irrigation mit NaOCl Einlage eines Antibiotikamixes bis zur Abheilung der Fistelungen und Versuch einer Regenerationstherapie. Verläuft diese erfolgreich, so ist mittelfristig mit einem Wurzeldickenwachstum und einer geringeren Frakturgefahr zu rechnen. Als Nachteil ist zu nennen, dass bei einem Fehlschlag dieser Therapie je Zahn ein weiterer Behandlungstermin erforderlich wäre. (Obturation mit MTA wie unter 1.)
Ausserdem ist das “Kreieren” des Blutkoagulums, das Abdecken desselben mit einer Kollagenmembran und die Erstellung eines MTA Verschlusses technisch aufwendig und aufgrund der Notwendigkeit mit einem Anästhetikum ohne Vasokonstringens zu arbeiten einem gewissen Zeitdruck ausgesetzt. Bei einem Patienten mit unsicherer Compliance zudem dem Risiko eines Behandlungsabbruches unterworfen.
Gemeinsam mit der Mutter wurde verabredet, die Therapie von der “Mitarbeit” des Patienten abhängig zu machen.
Nachdem die Anästhesie und das Anlegen des Kofferdams an 21 problemlos gelang wurde nach ultraschallunterstützter Irrigation das in Kapseln vorgehaltene Antibiotikumpulver mit steriler Kochsalzlösung angemischt und per Centrix-Kanüle blasenfrei in den Kanal eingebracht. Der Verschluss der Zugangskavität erfolgte adhäsiv.
Zur Behandlung des zweiten Zahnes war die Fistelung an 21 bereits abgeheilt. Die Erstbehandlung von 11 wurde in gleicher Weise wie bei 21 durchgeführt. Auch hier heilte die Fistelung innerhalb einer Woche ab.
Im dritten Termin wurde versucht entsprechend dem von Prof. Kenneth Hargreaves (San Antonio, Texas) auf der 10. DGEndo-Jahrestagung in Berlin vorgestellten Regenerationsverfahren Stammzellen aus der apikalen Papille bzw. der Hertwig’schen Epithelscheide dazu zu bewegen ein Wurzeldickenwachstum zu initiieren.
Wichtig dabei ist, dass weder eine Einlage mit CaOH2 erfolgt, noch mit CHX gespült wird, da diese Agentien Stammzellen schädigen können. Während in der ersten Sitzung nur mit NaOCl gespült wird, empfiehlt Prof. Hargraves in der 2. Sitzung nur EDTA einzusetzen.
Mittels eines Microopeners wird nach dem Entfernen der medikamentösen Einlage eine Blutung aus der Periapikalregion provoziert. Bei Verwenden eines vasokonstringensfreien Anästhetikums lässt sich dies einfach bewerkstelligen. Nunmehr wartet man das Ansteigen der “Blutsäule” bis zur Schmelzzementgrenze ab. Nach wenigen Minuten beginnt die Koagulation.
In der Zwischenzeit kann eine etwas 0,5- 0,7 mm dünne Kollagen-“abdeckung” zugeschnitten werden, die wie ein Deckel auf das Koagulum plaziert wird . Nach kurzer Zeit ist sie mit Blut gesättigt. Nun wird der koronale Abschluss mit MTA hergestellt. Die Kontrolle überschüssiger Flüssigkeit ist von großer Bedeutung, da es ansonsten zu einer starken Verdünnung des MTA und einem Wegschwemmen desselben kommt.
Nach Aushärtung des MTA (hier, MTA Angelus) erfolgt der dentinadhäsive Verschluss unter Verwendung eines Glasfaserstiftes als Makrofüller.
Die nachfolgenden Kontrollen werden zeigen, ob es wie beabsichtigt zu einem weiteren Wurzeldickenwachstum kommen wird.
Hallo Ronald
Sehr sehr schöne Dokumentation.
Allerdings wurde jedoch entgegen der Empfehlungen von Hargreaves CaOH2 eingesetzt. Wie sicher bist Du, das danach noch Regeneration funktioniert? Und der Antibiotikamix bzw. insbesondere die Bezugsquelle würden mich ebenfalls interessieren!!!
Auf das Recall bin ich gespannt.
Gruß
Carsten
Hallo Carsten,
habe noch einmal mit Ronald gesprochen: Es wurde definitiv kein CaOH2 eingesetzt. Das, was so aus sieht ist der DoubleMix aus Antibiotikum.
Kein CaOH2 und kein CHX.
Das Antibiotikum ist Metronidazol und Ciprofloxacin wurde als Reinstoff in einer teilbaren Kapsel von unserer Apotheke geliefert. Der Reinstoff ist teuer. Preis pro Kapsel ca. 25 Euro. Pro Zahn 2 Kaseln damit die Applikationskanüle der Centrix-Spritze ausreichend gefüllt ist.
Beim Gespannt Sein sind wir dann schon zu dritt. ;))
Herzliche Grüße
Jörg
Lieber Jörg,
ich freue mich mit dir, dass Ronald es mit einem regenerativen Ansatz versucht. Die Entscheidung war sicher nicht einfach. Kannst du Roland noch etwas zum MTA Platzieren befragen? Hast du oder Ronald schon einmal eine Membran bei einer regenerativen Therapie im Wurzelkanal benutzt? Wer gab ihm den Tip oder die Idee? Hat Kenneth Hargreaves das auch in Berlin vorgestellt? (Hoffe nicht, dass würde bedeuten ich hätte das überhört ;-) Es scheint mir enorm stressig und gleichzeitig “delikat” zu sein, dass so sauber wie Roland in so einem großen Lumen es geschafft hat zu platzieren. Würdest du, wenn es der Patient erlaubt, das nächste Mal etwas länger warten, bis das Koagel sich mehr stabilisiert hat?
Anyway 3 thumbs up!!! Ich bin enorm gespannt wie es weiter geht!!!
Grüße
Christian
PS: Zu deinem Nachtrag, ich habe gehört dass Medcem eine deutsch Partnerapotheke angeblich gefunden hat, die den Vertrieb in D durchführen könnte. Weisst du was genaueres? Habe auf der Website gerade nichts gefunden
Hallo Christian,
auch Ronald hat hin und her überlegt.
Aussage von Prof. Hargreaves war definitiv Kollagenabdeckung . Der Ausdruck “Membran” ist irreführend gewesen. Ronald nimmt KollagenResorb und schneidet dies mit chirurgischer Schere zu. Für dieses Ergebnis waren 6 Anläufe notwendig.Also etwas delikat. ;) Hatte damals ihn im Auitorium persönlich nach der schichtstärke des Collacoates gefragt. Er sagte ca. 1 mm dick. Gestern Herr Prof Filippi in Berlin: “Aufsteigen der Blutung durch einbringen von Collacoate aufhalten”. Das Warten ist hier ein Problem gewesen. Das Koagulum war bereits gelförmig aber lateral kam immer noch ein wenig Serumflüssigkeit hoch, sodass die Gefahr besteht dass das MTA dort abrutscht.
Ob es eine deutsche Bezugsquelle gibt weiss ich leider nicht.
Herzliche Grüße
Jörg
Hallo Ronald
ich sehe, dass ich da was falsch verstanden habe…
Dann wünsche ich dem kleinen Mann und der Regenerationsfähigkeit seiner Pulpa viel Erfolg.
Carsten
war eher missverständlich geschrieben, denke ich.
Herzliche Grüße
Jörg
Ein kleiner Nachtrag. Komme gerade vom Berliner Zahnärztetag. Vortrag Prof. Filippi zum Thema Trauma. Folgende Bezugsquelle wurde für einen Triple.Mix ohne Minocyclin genannt: http://www.medcem.ch/cms/de/traumatologie
LG Jörg
Ein weiterer Nachtrag, der durch ein persönliches Gespräch des Autors Ronald Wecker mit einem hier mitlesenden Kollegen notwendig wurde:
Angesichts der vollständigen Ausformung des apikalen Wurzelanteils ist eine Beteiligung der Stammzellen der apikalen Papilla (SCAP) an einem Erfolg der hier durchgeführten regenerativen Therapie in den Augen des Autors eher unwahrscheinlich, da diese unter Umständen durch das Ausformen des apikalen Bruchfragmentes schon “verbraucht” sind.
Neben den Stammzellen aus der Hertwig’schen Epithelscheide (HERS) kommen noch solche aus dem parodontalen Ligament (PDLSC) in Frage. Dass es 3 Jahre nach dem Trauma noch überlebende Stammzellen der Pulpa gibt (DPSC) erscheint mehr als fraglich.
Ausserdem soll noch einmal betont werden, dass die von Prof. Hargreaves und auch anderen Autoren empfohlenen Verfahren zur Regenerationstherapie ausschliesslich für Zähne mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum und nicht für die hier vorgestellte Ausgangssituation beschrieben wurden.
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