von Hans – Willi Herrmann
Jedes Mal, wenn eine neue Technik in die Wissenschaft eingeführt wird, etwas, dass es in dieser Form vorher nicht gab und daher neu und unvergleichlich ist, steht zwangsläufig die Frage im Raum: Wofür brauchen wir das ? Brauchen wir so etwas unbedingt ? Oder ist es lediglich “nice to have”, aber entbehrlich ?
Vielleicht sogar gänzlich unnütz.
Eine nicht selten zu findende skeptische, von der Einstellung geprägte Auffassung: “Wir haben es ja bislang auch ohne hinbekommen und sind nicht schlecht damit gefahren”.
Richtig, ich erinnere mich.
Vor 20 Jahren.
Ohne Nickel Titan Instrumente, ohne Dentalmikroskop, ohne Apexlokatoren.
Damals.
In der guten alten Zeit.
Jetzt haben wir das DVT.
Und man kann lange und trefflich streiten. Zumal, wie jede neue Technik, auch das DVT in der Endodontie seine Pferdefüße und Widerhaken, seine Pros und Contras aufzuweisen hat.
Im Falle der digitalen Volumentomografie sind es die hohen Anschaffungskosten, die zunächst vorhandene zu geringe Auflösung und die erhöhte Strahlenbelastung gegenüber den bisherigen Verfahren.
Die entscheidene Frage ist: Kann ich mit DVT etwas, was ich ohne nicht kann ?
Das DVT verbessert die Diagnose, ist demnach hilfreich für die Indikationsstellung, für die Durchführung. Damit verbessert es die Prognose. Natürlich nur in den Fällen, in denen der adäquaten Entscheidungsfindung eine ebensolche Therapie folgt, dort jedoch wird es so sein.
Das Problem in der Wahrnehmung – In einem Endo – Fall, der mit dem DVT beurteilt und für erhaltungsfähig eingestuft wird, und dann, nach Durchführung der Behandlung zum Behandlungserfolg wird, wie bitte soll ich hier den Anteil des DVT´s am Erfolg messen ?
Ich hör schon die Kritiker, hinterher: “Hätt man auch ohne DVT hinbekommen.”
Umgekehrt, ein DVT, dass zur Nichtdurchführung des Falles führt, kann ebenfalls nicht (messbar) den Nutzen des DVT´s belegen.
Allerdings erlauben DVT ´s eine Nachkontrolle und damit eine Einschätzung der kurz- und langfristig erzielten Ergebnisqualität der durchgeführten Leistung in einem viel viel präziseren Maße als das bislang mit konventionellem Röntgen der Fall war.
Das setzt jedoch voraus, dass vor und nach der Behandlung DVT´s gemacht werden.
Wie rechtfertigt man die damit verbundene Strahlenbelastung ?
Und – das Vorhandenseins solcher DVT´s wird in einer Reihe von Fällen für den Behandler schmerzhaft sein. Analog dem Sichtbarmachen einer suboptimalen Präparation unter Dentalmikroskop – Kontrolle oder dem Realisieren einer Überinstrumentierung nach Rö – Bild Längenkontrolle und ihrer Verifiztierung mittels ELM zeigt das DVT die Mängel der bisherigen Behandlungsmöglichkeiten auf, führt aber im zweiten Schritt -zukünftig, (sofern man bereit ist, die dafür notwendigen Konsequenzen zu tragen, sein Behandlungsprotokoll kritisch zu hinterfragen und zielgerichtet umzustellen, zu einer Verbesserung der Arbeitstechnik), zu einem verbesserten Ergebnis.
Insofern stellt sich nicht mehr die Frage, ist ein DVT von Nutzen? Sondern lediglich die Frage, ist die Auflösung des DVT´s ausreichend für die notwendige Einschätzung der klinischen SItuationen und – welches DVT kaufe ich wann ?
Der Nutzen des DVTs in der Endo liegt in der gleichen Größenordnung wie NiTI, ELM, DM.
Er ist vergleichbar mit dem Dentalmikroskop. Zwar sichtbar, aber nicht in gleichem Maße messbar, erfassbar wie dies bei NiTi und ELM der Fall ist. Es wird also sehr sehr lange keine Studien geben können, die den Nutzen des DVT´s beweisen könnten.
Das wird die Durchsetzung anfangs erschweren, aber die Etablierung dieser diagnostischen Neuerung nicht verhindern können.
Wer sich den analytischen Aussagekraft eines (ausreichend auflösenden) DVT´s in der Endodontie verschließt im Sinne eines ignoranten “Braucht man nicht” , der leugnet die anatomischen und strukturellen Schwierigkeiten und Besonderheiten der Wurzelkanalbehandlung.
Das DVT wird kommen.
Lediglich die Entwicklung einer noch besseren, günstigeren und strahlungsärmeren Technologie (die praxisreif noch nicht am Horizont zu sehen ist) könnte es aufhalten oder verdrängen.
Hallo Ha-Wi,
danke für deine schöne Einschätzung.
Das DVT kommt sogar schneller als das Dentalmikroskop in die Zahnarztpraxen. Die Möglichkeiten, die damit bestehen für die Diagnostik und Therapie sind so umfassend, dass es Zeit brauchen wird, bis allein die Anwender der DVT-Technologie davon umfassend gebrauch machen werden.
Hier wird es einen enormen Lehrbedarf geben. Methodisch ist es aber einfach genial, da endlich der Zahn nicht mehr als flache Scheibe wahrgenommen wird sondern als dreidimensionales Objekt. Das betrifft natürlich alle abgebildeten und dargestellten Regionen auf dem DVT.
Herzliche Grüße
Micha
“Das DVT kommt sogar schneller als das Dentalmikroskop in die Zahnarztpraxen. ”
Klar, weil man es abrechnen kann. Genau darin liegt aber auch eine der Problematiken.
Ha-Wi,
exakt. Du bringst es wie immer auf den Punkt.
Bei der momentanen GKV-Verbands-Kampagne zur GOZ (” bei Privatleistungen führt die neue GOZ zu einer unmäßigen Zusatzbelastung der GKV-Patienten”) könnte diese Abrechenbarkeit allerdings bald zu Marginalie verkommen. Ohne Amortisation aber keine Investition. Dann bleibt das DVT, wie das Mikroskop, “Überzeugungstätern” vorbehalten.
GvL, Thomas