Akutes Zahntrauma mit Pulpaeröffnung

von Tomas Lang

Der hier vorgestellte Fall ist nunmehr ca. 2,5 Jahre her. Ein Kollege, welcher damals kurz zuvor eine meiner Fortbildungen besucht hatte, rief mich an und bat mich, einen Fall für ihn zu übernehmen.

Der Patient lebt in Afrika mit seinen Eltern und hat sich beim Wasserrutschen auf dem Schulgelände einen Zahn ausgeschlagen. Die Eltern saßen zu der Zeit bereits im Flugzeug auf dem Weg nach Deutschland, da sowohl der lokale Zahnarzt als auch die nächstgelegene Zahnklinik sagten, dass sie nicht die richtigen Materialien zur Versorgung vorrätig hätten.

Und so schlug der damals 8jährige Junge ca. 24h nach dem Unfall in meiner Praxis auf. Zu meiner großen Verwunderung war das herausgeschlagene Zahnfragment in einer Zahnrettungsbox (Dentosafe). Diese hatte die Schule in Afrika vorrätig!

Da die Pulpa seit 24h exponiert war, imponierte bereits eine ödematöse Schwellung mit beginnender oberflächlicher Nekrose. Daher habe ich in diesem Fall eine partielle Pulpotomie durchgeführt.

Die Pulpa wurde anschließend mit MTA überkappt mit Zinkoxid-Phosphat-Zement überschichtet und das koronale Fragment adhäsiv wiederbefestigt. Wie man in dem unteren Video erkennen kann, ist der Junge bei der Behandlung eingeschlafen – war er doch in den letzten 24h in Dauerstress gewesen. Ein besonders erhebender Moment für mich war, als ich ihn nach der Behandlung aufweckte ,ihm den Spiegel gab und sein eigener Zahn wieder hergestellt war.

Mittlerweile ist der kleine Junge gewachsen und war bisher nach einem und zwei Jahren zur Kontrolle erschienen. Der betroffene Zahn ist wieder normal vital und die Apexifikation verläuft regelrecht.

Lediglich, wenn man genau hinschaut, erkennt man das MTA als leicht dunklen Schatten unter der Zahnoberfläche.

Hier würde ich, wenn ich den Fall noch einmal machen könnte, dass weisse MTA verwenden.

Die Versorgung von Traumata ist diffizil und nur erfolgreich, wenn man sofort die richtigen Entscheidungen trifft. Dazu kommt, dass solche Fälle recht selten in der Praxis aufschlagen.

Der Dänische Kollege Ove Andreasen hat daher eine exzellente Homepage zur Entscheidungsfindung aufgestellt, welche zu jedem Traumafall evidenzbasiert die richtige Entscheidungskette vorgibt. Ich kann nur jedem Kollegen empfehlen, vor Therapiebeginn einen Blick auf die Homepage zu werfen.

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Und hier ein Video von der Behandlung.

8 Gedanken zu „Akutes Zahntrauma mit Pulpaeröffnung

  1. Hallo Thomas,

    vielen Dank für den schönen Beitrag! Tolles Video, hilft mir für die Zukunft!

    Ich bin überrascht, wie tief das MTA lt. RöBi in die Pulpakammer gelangt ist; ich hatte den Eindruck, dass es nur sehr oberflächlich platziert worden ist.

    Ein Fragment, dass so gut passt wie in dem gezeigten Fall, hätte ich nur mit OptiBond FL festgesetzt und mir das Flow gespart (muss man auch weniger ausarbeiten -> Brownie, Greenie, Occlubrush, kein Diamant, kein HM-Finierer).

    Wofür hast Du den Faden in den Sulcus gelegt?

    Respekt auch vor dem Umstand, dass Patient und Eltern extra aus Afrika angeflogen kommen. Wenn ich da an die Diskussionen mit meinen Dorfpatienten bezügl. der Zuzahlung zu Kompositfllg. denke, frage ich mich ob wir auf dem gleichen Planeten oder in einem Paralleluniversum leben ;-) (ist nicht böse gemeint! Wenn’s mir passieren würde (Pat fliegt aus einem anderen Kontinent ein), dann würde ich mich sehr lange sehr freuen).

    Viele Grüße

    Kevin

    • Hallo Kevin,
      Danke für Deinen Kommentar!
      Ich war ehrlich gesagt auch sehr überrascht, wie tief dass MTA in die Pulpakammer eingedrungen ist. Ich kann es mir nur dadurch erklären, dass die Blutgefäßversorgung der Pulpa durch die Pulpotomie leicht kollabiert ist und dadurch das Gewebe weniger Gegendruck erzeugt hat. Laut Andreasen hat das nur geringen Einfluss auf den Erfolg (der Pat. hatte davon auch null Irritationen). Ich habe daraus gelernt, dass ich bei nächsten mal das MTA nur sehr sehr leicht mit der Papierspitze ankondensiere bevor ich überschichte.

      Das ein Pat. von einem anderen Kontinent anreist, ich für ich auch nicht alltäglich. Ganz besonders gefreut hat es mich, dass es sich in diesem Fall für den Pat. so gelohnt hat, weil alles sehr gut verlaufen ist! Sehr erstaunt war ich allerdings, dass Sich die Eltern auch an die Kontrollsitzungen gehalten haben!

  2. Hallo Tomas,
    gratuliere zu dem schön gelösten und exzellent dokumentierten Fall. Wie ich sehe, finden viele Leser dieses Blogs diesen Beitrag mindestens gut und bewerten ihn mit „Daumen hoch“. Ich frage mich aber auch, wie man drauf sein muss, um diesen Beitrag mit „Daumen runter“ zu bewerten? Anscheinend ist es so, dass es immer einen geben muss, der anders sein möchte… dennoch würde mich die Argumentation interessieren.

    Herzlcihe Grüße,

    Harald.

    • Hallo Harald,
      danke für den Kommentar. Ich glaube, dass man immer etwas noch besser machen kann und von konstruktiver Kritik profitieren alle die hier mitlesen. Als ich den Fall nach den Nachkontrollen aus dem Videoarchiv genommen habe um das Video zu schneiden, sind mir auch viele Dinge dabei aufgefallen, die ich gerne anders gemacht hätte. Das ist auch der Grund, warum ich gerne viel filme, weil man vom Schreibtisch aus eine andere Sicht auf die Dinge hat und leicht kritisieren kann.
      Z.b. würde ich im FZ Bereich immer nur noch weisses MTA nehmen.
      Als Adhäsivsystem verwende ich mittlerweile bei Vollkeramik Syntac Classic.
      Kofferdam wäre vielleicht doch möglich gewesen und hätte ein saubereres Arbeiten ermöglicht… etc.
      Ich bin für konstruktive Kritik sehr dankbar. Dafür dokumentiere ich und stelle die Fälle ein!

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