Frontzahntrauma – die Auflösung

von Ronald Wecker

Die Abstimmung zeigt, dass offensichtlich mehrere Therapieoptionen möglich sind.

Das Abwarten der Revaskularisierung bei avulsierten und massiv intrudierten Zähnen mit abgeschlossenem Wurzelwachstum ist nicht zu favorisieren. Da es in beiden Fällen mit sehr großer Wahrscheinlichkeit zu einer Zerstörung des Nerv-Gefässbündels gekommen ist, sollte das in der Folge nekrotisch gewordene Pulpagewebe ca. 7-10 Tage nach Reposition/Trauma entfernt werden, um das Risiko eines resorptiven Geschehens zu minimieren.

Sowohl die chirurgische Reposition beider Zähne, als auch das Belassen von 11 in der elongierten Position bei gleichzeitiger chirurgischer Reposition von 12 oder die kieferorthopädische Reposition von 12 wäre denkbar gewesen.

Ursprünglich hatte ich aufgrund der Tatsache, dass sich 12 mit seiner mesialen Frakturkante mit 11 verkeilt hatte daran gedacht beide Zähne chirurgisch zu reponieren. Eine antiresorptive Therapie wäre sicher sinnvoll gewesen. Das Zahnunfallzentrum in Basel empfiehlt dazu den Einsatz von Emdogain und Dexamethason. Im vor einiger Zeit hier von Christoph Kaaden vorgestellten Dental Trauma Guide wird  dazu eine Lagerung in 2%-iger Natriumfluoridlösung für 20 Minuten empfohlen.

Nun zusammengefasst wie es wirklich ablief:

6 Tage nach Trauma und Reposition 11 wurde eine systemische Antibiose mit Doxycyclin eingeleitet. Nach Entfernung der rigiden Schienung wurde ein Titan-Trauma-Splint von 13 nach 21 eingeliedert.

10 Tage nach Trauma wurde zunächst 11 initial endodontisch therapiert. Das nekrotische Pulpagewebe wurde entfernt und der Kanal nach ultraschallunterstützter Irrigation mit CaOH2 gefüllt. Anschliessend wurde die semirigide Schiene entfernt um Zahn 12 chirurgisch zu reponieren. Zahn 11 zeigte maximal Beweglichkeit Grad 1.

Nach Auflösung der Verkeilung mit einem sehr feinem Finierdiamanten wurde versucht den Zahn mit einer diamantierten grazilen Zange zu reponieren. Aufgrund der tiefen Intrusion und dem Verlust eines Großteils der klinischen Krone misslang dies. Die Zange konnte nicht angesetzt werden, ohne dass sie abrutschte. Nach Entfernung eines distopalatinal von 11 gelegenen knöchernen Sequesters (1×3 mm) wurde unter dem Mikroskop und unter relativer Trockenlegung die Pulpakammer an 12 eröffnet und nach Aufbereitung CaOH2 eingelegt. Dank sehr guter Assistenz gelang dies gut.

Die nach Sequesterentfernung gelegten Einzelknopf- und Matratzennähte wurden 2 Tage später entfernt. Im Nahtentfernungstermin wurde ein Attachment zur kieferorthopädischen Extrusion geklebt. Diese begann weitere 5 Tage später.

In der Folge wird der Verlauf der Behandlung regelmässig klinisch und röntgenologisch überprüft. Klinische Kontrollen erfolgen wöchentlich in den ersten 4 Wochen nach Trauma. Die periapikale Situation wird 4, 12, 24 Wochen nach Trauma überwacht. Die weiteren Röntgenkontrollen erfolgen jährlich.

Nicht unerwähnt kann bleiben, dass die wertvollen Tips und Hinweise von Dr. Gabriel Krastl und Prof. Dr. Andreas Filippi, beide am Zahnunfallzentrum in Basel tätig, massgeblich zum bisher positiven Verhandlungsverlauf beigetragen haben. Ihnen gilt mein besonderer Dank.

Ein Gedanke zu „Frontzahntrauma – die Auflösung

  1. Dieser Beitrag ist zwar schon etwas älter, aber mit dem allerneuesten Beitrag verlinkt. So bin ich hierher gekommen – und muss wenigstens ein grundlegendes Missverständnis klären, da die unter Hinweis auf den DTG und das ZUZ Basel sich grundlegend unterscheiden.

    Die „antiresorptive“ Therapie mit Glucocorticoid und Schmelzmatrix-Proteinen ist verkürzt dargestellt. Sie heißt eigentlich antiinflammatorisch-antiresorptiv-regenerationsfördernde Therapie, „ART“. ART im engeren Sinne (Anwendung der Medikation) umfasst auch die lokale und systemische Applikation von Tetrazyklinen. ART im weiteren Sinne umfasst Spülen der Wurzeloberfläche vor Replantation (Reinigen und Ausschwemmen von Mikroorganismen und toxischen Zellzerfallsprodukten), Lagerung in optimalen Medien (Zahnrettungsbox; „Erholung“ der Zellen) für min. 30 Minuten, Einleiten von Funktionsreizen (nicht-rigide Schiene), detaillierter nachzulesen in meiner Habilschrift und diversen Artikeln, s. Researchgate: https://www.researchgate.net/profile/Yango_Pohl/contributions.
    Ziel ist, das (schwerer verletzte) Parodont so umfangreich zu erhalten, dass es nach Plantation zur funktionellen Heilung (=Freiheit von Komplikationen im Parodont) kommt und damit ein dauerhafter Erhalt des verletzten Zahnes möglich wird.

    Die Therapie mit Fluorid wurde bisher nicht „antiresorptiv“ genannt, sie verfolgt ein ganz anderes Ziel: unvermeidbare Komplikationen zu minimieren. Sie wird angewendet, wenn keine Aussichten auf funktionelle Heilung mehr bestehen – schließlich würde das Fluorid vitales Parodont schädigen. Außerdem umfasst diese Therapie auch das vorherige Entfernen des (nekrotischen) Restdesmodonts. Ziel dieser Therapie ist, die bei übermäßig starker Schädigung im Parodont unvermeidbaren, idR progredient verlaufenden (Ersatz-)Resorptionen zu minimieren und zu verlangsamen. Der Zahn wird jedoch immer ankylosieren (mit entsprechenden Folgekomlikationen v.a. im Wachstum), sofern er nicht der infektionsbedingten Resorption anheimfällt…
    In den aktuellen Guidelines der IADT wird diese Fluorid-Applikation nicht mehr als Therapie angeführt wegen angeblicher Wirkungslosigkeit. Das stimmt unter bestimmten Voraussetzungen, aber unter anderen nicht. Aber diese Guidelines sind viel eher ein Politikum als wissenschaftsbasiert…

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