Veränderung als Chance ? Die Zukunft im Gesundheitswesen

von Thomas Weber

Christian Danzl berichtete im Februar über die Prognose eines Wirtschaftswissenschaftlers zum deutschen Gesundheitswesen, der ganz klar die weiteren zu erwartenden Veränderungen im Gesundheitswesen formulierte:  Es wird mehr und mehr zentrale Versorgungszentren (MVZ) geben, die Zahnheilkunde wird – zumindest teilweise – langsam aus dem System der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) ausgegliedert werden, der Beitragssatz der GKV wird, um kostendeckend zu sein, auf ca. 25% steigen müssen, die privaten Krankenversicherer (PKV) werden die Vergütung weiter senken und bei PKV und GKV wird der Trend zu Einzelverträgen gehen und dadurch der Verdrängungswettbewerb stärker werden

Die Analyse ist sehr treffend, denn wir erleben ja bereits das Meiste des Prognostizierten schon heute. Mir fehlt dabei eigentlich nur noch der zu erwartende weitere Anstieg der Mehrwertsteuer um bis zu 3 weiteren Prozentpunkten.

Was wäre dagegen zu tun?

Wie so oft lohnt sich für das Verstehen der Gegenwart der Blick in die Geschichte.
Von jeher war Heilbehandlung Vertrauenssache.
Zunächst vertraute der Patient zu allen Zeiten darauf, sein Arzt werde ihm die „bestmöglich machbare“ Diagnostik und Therapie gegen seine Krankheit bzw. für seine Gesundheit angedeihen lassen.
Das Behandeln nach bestem Wissen und Gewissen ist eine Kernthese des in diesem Kontext immer wieder gern zitierten „Hippokratischen Eides“. Nun klafft heute –2.500 Jahre nach den glücklichen Zeiten des Hippokrates von Kos – eine breite Kluft zwischen dem „Bestmöglichen“ und dem „Machbaren“.

Hippokrates kannte noch keine GKV, keine Chipkarte, keinen EBM, keine BEMA, keine GOÄ oder GOZ.
Er hielt sein Leben und seine Kunst „rein“ und „heilig“ und therapierte allein seiner Kunst und dem Patienten verpflichtet. Dass der Patient auch eine adäquate Gegenleistung zu erbringen hatte, war so selbstverständlich, dass man im berühmten Eid eben keine Silbe über „Gebührenordnung“, „Honorarverteilungsmaßstäbe“ oder Steigerungsfaktoren findet. Der Patient „honorierte“ den Arzt nach dessen Bemühungen. Denn Gesundheit (ein fürwahr hohes Gut, aber nach Meinung vieler Philosophen und Theologen damals und heute sicher nicht das „Wichtigste“) ist unbezahlbar, die Wiederherstellung von Gesundheit folglich auch nicht. Das lateinische Word „Honorar“ – die Bedeutung „Ehrensold“ finde ich treffend – umschreibt nämlich den Versuch etwas eigentlich nicht entlohnbares anerkennend zu würdigen. Das „Honorar“ ist dementsprechend nicht allein „Geld“ sondern vor allem auch „Ansehen“ und „Ruhm“.  So steht es im Eid. Bei Hippokrates honorierte der Patient oder sein Besitzer (wenn es sich um einen Sklaven handelte) die ärztlichen Bemühungen, mit Geld und auch „immateriell“, weshalb Hippokrates zumindest dem Namen nach einer der berühmtesten Ärzte aller Zeiten wurde. Der Patient durfte auf die „bestmögliche“ Behandlung vertrauen, wie der Arzt auf die adäquate Honorierung vertrauen durfte. Das war und ist heute noch die wahre Arzt-Patienten-Beziehung. Grundlage war letztlich der Glaube, Heilung sei göttlichen Ursprungs und so waren die Ärzte seinerzeit irgendwie auch Priester, manchmal beides, die „Krankenhäuser“ Tempel  und aus diesen Zeiten kommt wohl auch die Definition des ärztlichen „Standes“.

Denkwürdigerweise sind es heute nur mehr die Heilpraktiker, die sich nach meist sehr einfachen Grundregeln (z. B. 1 Sitzung = 50 €) im hippokratischen Zeitsinn „honorieren“ lassen und durch die „Gläubigkeit“ ihrer Patienten (und zuweilen gewissen „metaphysischen“  Zubehörs) tatsächliche, wahrhaft hippokratische Heilerfolge erzielen.

Ein großer Zeitsprung führt uns zum Beginn der heute viel beklagten „Merkantilisierung“ der Medizin. Es war die Politik (wahrscheinlich die preußische), die aus „Honoraren“ irgendwann „Gebühren“ formte, die in „Gebührenordnungen“ den Grundstein schufen für das Novum: „Gesundheitsmarkt“. Die Einführung der Krankenkassen durch Bismarck schuf den „Marktplatz“ für das Einkaufen definierter „Leistungen“ oder „Leistungserbringer“ ohne Bezug zu einem Individuum sondern für eine jeweilige Gruppe. Und dies natürlich zum günstigsten Preis. Dies ist bis heute so geblieben.

Dabei geht es eben prinzipiell nicht mehr um bestmögliche Versorgung des Einzelnen sondern um machbare Versorgung möglichst Vieler. Solange der zur Verfügung stehende finanzielle Rahmen groß genug ist, ist dies ja nicht zwangsweise ein Widerspruch. Hier vertraute der Patient auf die Finanzierung seiner bestmöglichen Versorgung durch seine Kasse, und der Arzt auf die adäquate Honorierung durch eigens geschaffene Körperschaften, den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV). Und viele tun das heute noch.

Aber längst befindet sich das bismarcksche System in der Schieflage: aus dem Arzt, dem Asklepiaden der hippokratischen Zeit („Halbgott in Weiß“ oder Priester, Mittler zwischen heilendem Gott und leidendem Mensch) ist ein „Dienst-Leistungserbringer“ geworden, noch besser vielleicht: ein Kaufmann im Gesundheitswesen, aus der „Heilkunst“, einer individuellen, freien Therapie eine Behandlung in BEMA-Schema, Richtlinienkorsett und „wirtschaftlich ausreichender“ Qualität, aus dem göttlichen Geschenk der Genesung oder Wiederherstellung der Gesundheit, jederzeit abrufbare, qualitätszertifizierte Dienstleistung, deren Erfolg bzw. Misserfolg justiziabel und einklagbar sind, aus dem „Honorar“, der Anerkennung ärztlicher Mühen, kalkulatorischer Arztlohn, Fallpauschale oder Budget mit floatendem Punktwert.

Politik und Gesellschaft hat uns seit den 80ern zu “Dienstleistungserbringern” degradiert, wir haben es in 20 Jahren nicht geschafft uns zu echten “Dienstleistern” zu entwickeln. Statt Qualität, Preis, Service steht oft immer noch Richtlinienkonformität, Abrechenbarkeit, Erstattungsfähigkeit im Vordergrund. Wir drohen letztlich zu „Dienstboten“ des Systems zu verkommen.

Natürlich bieten die prognostizierten Veränderungen Chancen, denen, die ihre ökologische Nische beizeiten besetzt haben, die so anpassungsfähig sind, dass sie die Veränderungen lebend überstehen oder die stark (intelligent, flexibel) genug sind, einen neuen Lebensraum für sich zu erobern. Die Reaktion auf Veränderungen, die ein Überleben sichert, ist Evolution im Ursinne. Aber es sind eben nicht zwangsläufig die stärksten, die intelligentesten oder die besten, die das Rennen machen: “It is not the strongest of the species that survives, nor the most intelligent that survives. It is the one that is the most adaptable to change.” stellte schon Charles Darwin fest.

Wollen wir das? Was könnte noch eine Antwort auf das prognostizierte Szenario sein?

Transportieren wir hippokratische Tugenden in unsere Zeit, dann wären drei Punkte sicher hilfreich, um ein tatsächlich echtes Arzt-Patientenverhältnis aufzubauen:

Abschaffung (oder Zuständigkeitsreduktion) der  berufsständischen Körperschaften mit Fall vieler, meist bereits von der Realität überholter berufsrechtlicher Beschränkungen und Rückgabe des “Sicherstellungsauftrages” an die gesetzlichen Krankenkassen bzw. an die staatlichen Organe.

Möglichkeit des freien Agierens auf einem freien Markt (z. B. zeitlich unbeschränkte Tätigkeit in mehren Praxen, Bildung von Kapitalgesellschaften (AG), Bildung von Gesellschaften mit einer Rechtsform, die  Haftungsbegrenzung ermöglicht(GmbH, Ltd.), um gegenüber MVZentren “Waffengleichheit” in unternehmerischer Hinsicht zu erreichen, einfachere Bildung überörtlicher Berufsausübungsgemeinschaften oder kooperierender Netzwerke spezialisierter Kollegen).

Abschaffung amtlicher oder pseudo-amtlicher “Gebührenordnungen”  und damit einer „Erstattungsfähigkeitstherapie“, Einführung einer freien Honorarkalkulation, auch mit Möglichkeit zur Vereinbarung von Pauschal- oder Stundenhonoraren.

Ich würde selber noch einen Punkt hinzusetzen, um die so oft geforderte „Betriebswirtschaftlichkeit“ in der Praxis ankommen zu lassen:

Abschaffung des “Umsatzsteuerprivilegs”, damit Öffnung des Vorsteuerabzugs und Anerkennung der Praxis als Unternehmen.

Radikale Forderungen in unserem Land, die in vielen Ländern der Welt Normalität sind.

Aber in Deutschland geht es eben auch heute nicht ohne…

-gigantische Umverteilungsorganisationen, die von vornherein das eine oder andere Prozent des zur Verfügung stehenden Geldes für die eigene Verwaltung verbrauchen, und dies auf Seiten der Versicherten in Form von 169 gesetzlichen Krankenkassen und einem Gesundheitsfond, von dem keiner wirklich weiß, zu was er gut sein soll, auf Seiten der Ärzte und Zahnärzte durch Kassen(zahn)ärztliche Vereinigungen,

-exorbitante Bürokratie, die so essentielle Dinge wie die Größe eines Praxisschildes oder die rechtlich einwandfreie Form eines Kostenvoranschlages oder selbst einer „freien“ Vereinbarung zwischen Patient und Arzt festschreibt, und sich an die von der Realität überholten Fiktion immer gleich guter, gleich sorgfältiger, gleich kompetenter Kammermitglieder klammert, die sich natürlich alle in herzlicher Kollegialität verbunden sind,

-die unbeschränkte persönliche Haftung, die es zukünftig immer schwerer machen wird, ohne erhebliches Eigenkapital Investitionen zu tätigen oder gar Praxen neu zu gründen, mit der gleichzeitigen Verpflichtung der stetigen persönlichen Leistungserbringung, die verhindern soll, den Leistungsumfang einer Praxis durch Anstellung von Mitarbeitern zu steigern (und dadurch echtes unternehmerisches Handeln konterkarriert).

– “amtliche Gebührenordnung”, die mittlerweile versucht, den eigentlichen Grundgedanken der Einzelleistungsvergütung, nämlich das Kostenrisiko sowohl bezüglich der Häufigkeit wie auch dem Schweregrad einer Erkrankung beim Patienten bzw. der Versicherung anzusiedeln, durch Nichtanpassung an den medizinischen Fortschritt (bisherige GOZ) oder durch „Versozialrechtlichung“ – auch BEMAisierung genannt (GOZ-Referentenentwurf 2009)- zu pervertieren und  neue Wege vereinfachter Abrechnung zu verhindern. Und auch die von den zahnärztlichen Körperschaften selbst erarbeitete neue „Honorarordnung“ (HOZ)  basiert im Wesentlichen auf dem Prinzip der „Rechtfertigung eines Preises“ durch die zur Kostendeckung erforderlichen Arbeitszeit eines fiktiven „Durchschnittszahnarztes“.

Fides obligat fidem.
Vertrauen bewirkt Vertrauen.

Aber ein undurchsichtiges Gesundheitssystem, das den Patienten viel Geld in Beitragsform abverlangt, aber gleichzeitig keine Kenntnis über das dafür an den Arzt weitergeleitete Honorar gibt, ist nicht vertrauensbildend. Auch intransparente Richtlinien, Verordnungs-, Zuzahlungs- oder auch Zuschussregelungen im System sind nicht vertrauensbildend. Auch das Vertrauen der Zahnärzte  in die Anerkennung ihrer Leistungen durch Politik und Kostenträger, ja durch die Standesvertretung selbst,  ist nachhaltig erschüttert.  Es ist nicht vertrauensbildend, wenn der Zahnarzt bei jeder zweiten Behandlung (sei es Prophylaxe, PAR, Kons, Endo, Prothetik) ein Mehrkostenformular zücken muss, weil eben das Mögliche und Wünschenswerte, das Machbare und Bezahlbare meilenweit auseinander liegen, in der Öffentlichkeit aber das Stereotyp „die Kasse-bezahlt-ja-alles“ unwidersprochen hingenommen oder gar noch abgenickt wird.

Der Beitrag von Hans-Willi Hermann „Germany – the mystery country“ , der den  Health Consumer Powerhouse Euro Health Consumer Index 2009 Report zitiert, zeigt deutlich:

Wir haben in Deutschland bestimmte Sozialrechts-Prinzipien, “ethische Verpflichtungen” und den Glauben an den allvermögenden, es immer besser machenden Staat bereits so internalisiert, dass wir z. B. so unzureichende Dinge wie BEMA und GOZ tagtäglich zur Bewertung unserer Arbeit nutzen, sei es völlig unkritisch (“die Leistung A können sie aber neben Leistung B nicht abrechnen, auch wenn sie sie erbracht haben…”), sei es durch den Versuch des “Hinbiegens” über Zuzahlungsklauseln oder wildeste Analogzifferkonstruktionen oder gar der Verwendung bzw. der Kombination von 50 Gebührenziffern zur Abgeltung einer einzigen komplexen Leistung, damit es in der Abrechnung „einfach besser aussieht“. Aber wenn es sein muss, bringen deutsche Ärzte zur Behandlung eines Patienten sogar noch Geld mit:  denn in Deutschland hat der einzelne Vertragsarzt nach ständiger Rechtsprechung in der Tat keinen subjektiven Anspruch darauf, dass ihm jede vertragsärztliche Leistung kostendeckend und angemessen vergütet wird.

Darüber kann Europa nur süffisant grinsen. Ja, in der Tat, es ist schwer einen deutschen Zahnarzt vom Arbeiten abzuhalten, selbst wenn sein Budget verbraucht und seine Arbeit nicht mehr bezahlt wird.

„Wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, müssen wir zulassen, dass sich alles verändert.“

Dieses altbekannte Zitat des italinischen Schriftstellers Giuseppe Tomasi di Lampedusa (1896-1957), weist uns den Weg.
Die Veränderungen, die uns treffen, können nur durch Veränderungen aufgefangen werden, die wir selbst politisch anregen oder durchsetzen.

Denn die Systemfrage ist längst gestellt und das Bismarcksche Erfolgsmodell“ Sozialstaat“ schon lange auf dem Weg zum Pflegefall „Wohlfahrtsstaat“  unterwegs.

9 Gedanken zu „Veränderung als Chance ? Die Zukunft im Gesundheitswesen

  1. Hallo Thomas,

    danke für die schönen Denkanstösse. Glaubst Du wirklich, dass die Kollegenschaft auf die „wirkliche“ Marktwirtschaft geistig und finanziell vorbereitet sind? Ist es nicht eher so, dass sich der Grossteil der Kollegen die bestehende Ordnung als wohnliche Kuschelhöhle eingerichtet hat? So sehr ich Deine Gedanken teile, so wenig glaube ich an einen wirklichen Umbruch. Pfründesicherung und Umverteilung, das sind doch die gewohnten Realitäten.
    Das Mittelmass muss um jeden Preis geschützt werden!

    Herzliche Grüsse
    Oscar

    • Hallo Oscar,

      wenn die Kollegen das nicht lernen mit der Marktwirtschaft, werden sie nicht mehr lange existieren.

      Auf dem Lande haben wir die prognostizierten Veränderungen schon: schließende Zahnarztpraxen, die keinen Nachfolger mehr finden, mein langjähriger Techniker hat letzte Woche das Handtuch geschmissen, weil er ausser mir keine Kunden mehr hatte, denen seine Arbeit ihren Preis wert war, ein erster Kollege in der Nähe arbeitet bereits alleine, weil er Personal nicht mehr entlohnen kann (oder will) und die Zahl insolventer (oder nur unter Bankenkuratell) arbeitenden Praxen in Bayern hat sich in den letzten Jahren vervielfacht. Etliche Kollegen zahlen monatelang ihre Techniker nicht mehr oder lassen ihre Rechnungen von dentalenVersandhandeln einfach etwas liegen, bis der Kontokorrentkredit der Hausbank eine Zahlung wieder zulässt. Nur: darüber redet man nicht. Auch nicht darüber, dass das Cabrio vor der Tür oder das neue CEREC-Gerät nur (noch) geleast ist.

      Die Vielfalt der mittlerweile zu erfüllenden gesetzlichen bzw. verordnungrechtlichen Auflagen (QM, Hygiene, Arbeitssicherheit, MPG, Dokumentation) und die Mechanismen der körperschaftlichen Kontrollen und Restriktionen (Zufälligkeitsprüfungen, Regresse, Fortbildungsnachweise) bringen zumindest Einzelpraxen an den Rand des noch neben der Arbeit Erledigbaren, teilweise an den Rand ihrer Existenz. Sicher: alle Punkte sind wichtig. Aber sie haben in den letzten 17 Jahren seit meiner Niederlassung kontinuierlich zugenommen und führen teilweise zu abstrusen Forderungen oder Auflagen, wie zum Beispiel die Anschaffung eines DAC-Gerätes zur Reinigung und Desinfektion von Hand- und Winkelstücken. Cui bono? Das „System“ versucht seit der Ägide Seehofer im BMG die Zahl der Praxen zu reduzieren, weil es der Milchmädchenrechnung vertraut, weniger Praxen verursachten weniger Kosten. Dass es jetzt in Mecklenburg-Vorpommern keine Landärzte mehr gibt, ist die direkte Folge (und es ist ebenso klar dass dies in den Medien ganz anders dargestellt wird: junge Ärzte sind raffgierig und geldgeil und gehen deswegen in die reichen Großstädte…).

      Die „Kuschelhöhle des Systems“ wird aber auch in anderer Hinsicht immer schneller immer ungemütlicher:
      Honorare, die seit Jahren den realen Kaufkraftverlust nicht mehr ausgleichen, Mehrwertsteuererhöhungen, die von den „Leistungserbringern“ allein aufgefangen werden müssen, von der Politik und den Krankenkassen geschürte gesteigerte Erwartungshaltung und Anspruchsdenken von Patienten, die tatsächlich glauben, eine Zusatzversicherung von Karstadt-Quelle mit einer Prämie von 9,98 € im Monat müsse jetzt nicht nur Chefarzt Behandlung im Sanatorium sondern auch Implantatzahnersatz vom Feinsten zum Nulltarif ermöglichen.

      Und beobachten wir nicht genau das auch im Bereich der PKV auch? Die zahlreichen Rechtsstreitigkeiten z.B. um die Berechenbarkeit der dentalmikroskopischen Behandlung, der Zahl abrechnbarer Wurzelkanalaufbereitungen bzw. -füllungen, der Erstattungsfähigkeit von Endo-Instrumenten u.u.u.u., zeigt doch, dass auch in der Privtabehandlung mit der geltenden Gebührenordnung eine adäquate Vergütung heute nur sehr schwer zu erreichen ist. Denn genau dazu dienen ja die „Gebührenordnungen“: dem „Schutz des Mittelmaßes“.

      Zahnärzte haben keine politische Lobby. Sie haben sber, wenn sie „gute Ärzte“ sind, das Vertrauen ihrer Patienten. Und wie sagt eine erfolgreiche deutsche Großbank: „Vertrauen ist der Anfang von Allem.“

      Das wir das wieder Lernen müssen, ist klar. Nehmen wir uns die Heilpraktiker zum Vorbild. Seit meiner Niederlassung haben in unserem Notdienstbezirk 4 Zahnarztkollegen mangels Nachfolger ihrer Praxis geschlossen. Im selben Zeitraum hat sich die Zahl der Heilpraktiker in diesem Bereich von 2 auf 12 gesteigert. Sie beschränken sich schon lange nicht mehr auf ihre Praxis, sie halten Vorträge, machen Kurse, bieten Kräuterführungen an, veranstalten Kneipp-Seminare. Sie leben nicht als Angestellte der Gesetzlichen Krankenversicherung und kümmern sich wenig um die Erstattungsfähigkeit ihrer Therapie oder ihrer Verordnungen. Und der Patient zahlt beim Verlassen der Praxis seinen „Obulus“ (und anders als bei der dentinadhäsiven Restauration sind da 50 € keineswegs zuviel, weil der Heilpraktiker ihnen 20 Minuten zugehört hat, was ihr Hausarzt schon lange nicht mehr tut) und gut ist es.

      Fangen wir an, umzudenken. Selbst eine Reise von tausend Meilen beginnt mit dem ersten Schritt.

      Viele Grüße, Thomas

  2. Hallo Thomas,
    Unvergleichliches wird unvergleichlich bleiben.
    Das ist ein Gesetz, das mir Hoffnung macht und daß als Prinzip auch Dich munter stimmen sollte. Es ist ein Überlebenskonzept. Das darf man getrost erwähnen, wenn es um die Entwicklung der nächsten jahre gehen wird. Das wissen auch die Patienten, die dann aus der DKV Sammelpraxis wieder zu dir Einzelqualitätskämpfer wechseln wollen.
    Was Dich nicht munter stimmen wird, ist meine Erkenntnis, daß die Art Zahnarztmensch in D sich nicht wie ein Schwarmfisch benimmt, um sich zu schützen, sondern wie ein dummer träger Einzelfisch, der nur darauf wartet, gefressen zu werden.
    Aus eigener Erfahrung ist es äußerst schwierig, Netzwerke unter Gleichgesinnten aufzustellen. Kleine Erfolge müssen als Maximum des Erreichbaren angesehen werden, wenn sich gleichgesinnte ZÄ organisieren. Eine straffe Front aufzustellen, die noch mehr Effizienz, Synergien und Stärke bringen würde, war in den von mir erlebten Bemühungen der letzten Jahre nicht möglich. Vielleicht wird Dein öffentliches Nachdenken ja doch mal wieder diesbezüglich ein wenig anstoßen.
    Herzliche Frühlingsgrüße Stefan

    • Hallo Stefan,

      momentan sind die Möglichkeiten betriebswirtschaftlich sinvoller Organisationsformen für Zahnärzte äußerst begrenzt und werden vor allem durch berufsrechtliche Regularien blockiert. Und selbst „gangbare“ Rechtsformen, die eine Haftungsbegrenzung bei gemeinschaftlicher Berufsausübung ermöglichen sollten (wie zum Beispiel die Partnerschaftsgesellschaft), wurden von der Rechtssprechung weitestgehend relativiert.

      Der Zusammenschluss zu größeren Berufsausübungsgemeinschaften wird kommen, weil er aus vielerlei Gründen überlebensfähiger ist; es ist die Frage, ob man dies Konzept den Kassen oder Kapitalgesellschaften überlassen soll.

      Benehmen sich die „Zahnarztmenschen“ nicht eher wie Schwarmfische, die immer mit dem Strom schwimmen, sich um das im Schwarm herumdümpelnde Plankton balgen und sich am liebsten selber fressen würden, ohne den Hai zu bemerken, der hinter dem nächsten Riff lauert?

      Grüße vom Lande,
      Thomas

  3. Thomas,
    hier war der Schwarm als Schutz gemeint:
    der besagte Hai hat – so meine rudimentären Biokenntnisse – weit mehr Mühe aus einem gut strukutierten und im Ganzen agierenden Haufen einen Fisch herauszupicken.
    Der Schwarm (Gleichgesinnter) als Chance.
    Was Du meinst, sind die herden Schafe, die ruhig weitergrasen und nur ab und zu den Kopf heben, um grad das nächste Büschel noch weidbaren Grases zu finden…

    • Hallo Stefan,

      das habe ich schon so verstanden ( ;-)) )
      und Du hast natürlich absolut Recht:

      Der Schwarm ist (wäre) eine Chance.

      Im BQB Magazin No. 5 erschien am 9.02.2010 ein hochinteressanter Artikel zum Thema „Schwarmintelligenz“ vom Unternehmensberater
      Dr. Klaus-Stephan Otto (nachzulesen unter http://www.bqb-online.de/index.php?id=159&no_cache=1&tx_ttnews%5Btt_news%5D=179&tx_ttnews%5BbackPid%5D=154&cHash=4ade93bb62). Es geht um die Anpassung von Unternehmen und Unternehmensabläufe an Veränderungen am Markt. Deshalb passt es so gut….

      Wenn ich das wesentliche zu unserer Situation kurz zusammenfassen darf:

      „Ein Schwarm besteht aus einer Vielzahl von Individuen, die mittels direkter Kommunikation selbstorganisiert agieren. Als Einheit folgen Fischschwärme dabei keinem Anführer, sondern jeder in der Gruppe kann auf die Richtung des Schwarms Einfluss nehmen. Die ständige Interaktion zwischen den Individuen ist die Basis für ein koordiniertes Verhalten des Schwarms und folgt nur drei Regeln:

      Zusammenbleiben: Bewege dich in Richtung des Mittelpunktes derer, die du in deinem Umfeld siehst.
      Separieren: Bewege dich weg, sobald dir jemand zu nahe kommt.
      Ausrichten: Bewege dich in etwa dieselbe Richtung wie deine Nachbarn.“

      „Schwarmintelligenz“ wäre also eine hervorragende Idee, wenn es um flexible, sich selbst organisierende Strukturen zur Lösung der beschriebenen Probleme und Herausforderungen ginge.
      Allerdings:

      “ Schwarmintelligenz funktioniert nur, wenn die Mitglieder selbstverantwortlich handeln. Sie dürfen nicht einfach nur nachahmen oder auf Befehle warten. Dies machen uns Fische, Ameisen und Bienen vor, die nicht immer das Gleiche tun, sondern eigenständig im Rahmen der Regeln entscheiden, was zu tun ist. Sie sind damit sehr erfolgreich in ihren Lebensprozessen, obwohl sie nur ein sehr kleines Gehirn haben.“

      Wobei wir dann vielleicht doch wieder bei den Schafen wären….

      Herzliche Grüße vom Lande,
      Thomas

    • Thomas, Du Bruder im Geiste!
      Das ist ein modernes Glaubensbekenntnis.
      Wau, das ist DAS Gesellschaftsmodell.
      So meinte ich es.
      Das gibt so manch einem amorphen Haufen Form:-)))) und Schutz.
      Und meiner Ehe Stabilität:-)))))
      Herzliche Grüße Stefan

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