von Jörg Schröder
Mikado war in meiner frühen Jugend ein gern gespieltes Spiel. Holzstäbchen, die bei jedem neuen Spiel anders lagen. Und genau an dies Spiel musste ich beim Betrachten der Röntgenbilder denken. Leider.
Aber von Anfang an.
Die klinische Situation zeigte an diesem vor vielen Jahren endodontisch behandeltem 12 eine vestibuläre und palatinale Vorölbung der gingivalen Gewebe. Der im DVT zu erkennende durchgehende knöcherne Defekt erklärt dies mehr als deutlich.
Das apikal befindliche Instrumentenfragment befand sich präoperativ bereits in Teilen ausserhalb des Kanals, weshalb ich den Patienten, zum Glück, über die Möglichkeit einer Verlagerung des Fragmentes in den periapikalen Raum aufgeklärt hatte.
Und dieses Mal verwirklichte sich das Risiko. Leider.
Die Entfernung der Guttaperch erfolgte, wie immer in solchen Fällen, mit einer auf voller Kanallänge unter endometrischer Kontrolle eingebrachten Hedströmfeile. Was auch vorhersagbar gelang.
Unmittelbar danach entlud sich ein trübes gelbliches Exsudat in größere Menge. Ich spülte mit NaOCl und inspizierte den Kanal. Bis auf einen kleinen Rest von Guttapercha: Leer.
Wo war das Fragment geblieben? Die Antwort gab das Röntgenbild. Weit periapikal.
Ein orthograde Entfernung war in weite Ferne gerückt. Schlicht unmöglich. Nach kurzem Überlegen habe ich den Kanal apikal bis zu einer Weite von ISO 90 mit Handinstrumenten aufbereitet und sehr ausgiebig schall- und ultraschallunterstützt gespült.
Bei großen apikalen Prozessen mit weiten Foramina fertige ich immer ein Kontrollbild der medikamentösen Einlage an. Und war wieder “not amused”. CaOH2 extrudiert und das Fragment erneut verlagert.
Soweit der unerfreuliche Teil des Behandlungsberichtes.
Denn 4 Wochen später erschien ein sehr zufriedener Patient zur zweiten Behandlungssitzung. Die Schwellung war vollkommen abgeklungen und der Zahn 12 beschwerdefrei. Dass sich das Fragment bei der Messaufnahme erneut disloziert zeigte, hat mich ehrlich gesagt, nicht mehr aufgeregt.
Nun galt es, die Gutatpercha so zu individualisieren, dass eine korkenähnliche Passung entstand. Dazu habe ich Eukalyptol verwendet. Die Guttaperchaspitze sollte dazu etwas dicker sein, als der ermittelte Foramendurchmesser. Dann wird der Kanal mit NaOCl gefüllt und die zuvor in das Lösungsmittel “gedippte” Guttapercha bis auf Arbeitslänge eingebracht. Die so angepasste Guttapercha kann dann mit ausreichend Tug-Back im Kanal platziert und ein Überpressen der Guttapercha so wirksam verhindert werden.
Die Kontrolle ob Arbeitslänge und ermittelter Foramenquerschnitt zutreffen erfolgte wieder mit er hier schon einige Male erläuterten Papierspitzenmethode.
In sechs Monaten wird sich zeigen, ob das Fragment apikal belassen, oder am Ende dennoch chirurgisch entfernt werden muss.
Hallo Jörg,
vielen Dank für die interessante und bislang doch noch gut verlaufene Falldarstellung!
– Würdest Du im Nachhinein anders an das Fragment herangehen?
– Welchen Durchmesser hatte Deine Hedströmfeile (HS) – Iso 35 (vermutlich nicht 70)?
Der Zahn scheint 18 mm lang, die WF 12 mm, das Fragment 2,5 mm und glatt.
Welches Instrument, in welchem Behandlungsschritt und warum ist es dort abgebrochen?
— Ein Plugger bei WF mit Ermüdungsbruch – aber das Fragment ist zu dünn.
— Eine US-Feile wäre wohl rausgespült worden. WF vor wie vielen Jahren; ggf. unter Koda?
– Wieviel Guttapercha (GP, 5 mm?) wurde koronal entfernt bevor die HS (35?) auf AL kam?
– Hast Du vorher versucht, kleinere HS-Feilendruchmesser nach apical zu bringen?
– Haben kleinere HS nicht genügend Grip gehabt?
Du warst ja sicher bemüht, die HS an der mesio-palatinalen Wand nach unten zu führen.
Die Guttapercha scheint nicht sehr spröde und brüchig gewesen zu sein.
– Ließ sie sich im Kanal etwas bewegen oder war sie gut adaptiert bzw. mit Sealer gut fixiert?
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Zur Diskussion – vielleicht hätte folgenes Vorgehen die Feile nicht verlagert:
GP mit leicht angewärmter aber nicht erhitzter HS 25 ggf. in mehreren Schritten zentral bis max. 6 mm vor Apex eindrehen
— wenn GP nicht versprödet!
— möglichst ohne die Guttapercha nach lateral zu kondensieren
— bis auf Zug an der HS guter Widerstand geleistet wird und wenn es gelingt:
A – GP an der HS in toto herausziehen; ggf. kommt das Fragment mit.
B – wenn GP an der HS in toto ohne Fragment entfernt werden konnte:
— Rö-Kontrolle der Lage des Fragments
— dünne US-Spülfeile (Art K-Irri-Feile) mp PASSIV auf AL oder AL+0,5
— auf niedriger Stufe immer wieder kurz aktivieren (2-3 Sek.),
— maximal minimale Hubbewegungen A/ B
— Rö-Kontrolle der Lage des Fragments
E-1) – HS (20) 25 mp auf AL + 2 mm eindrehen
— letzter Versuch Fragment herauszuziehen –> A/ B
E-2) Zur Diskussion: in diesem Fall ggf. alternativ: kleine Inzision, Fragment aus dem Kanal entfernen bevor es sich verlagert?
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F Zur Diskussion: kleine Inzision, verlagertes Fragment aus dem Gewebe entfernen und nicht zuwarten?
— Retrospektiv bewerten, wenn Rö-Heilungsverlauf in 6 und 12 Monaten beurteilt wird.
Hallo András,
das Vorgehen ist immer dasselbe. Hedström ISO 20, 25, 30, usw. bis die Guttapercha mitkommt. Die Hedström wird immer unter endometrischer Kontrolle bis auf 0,0 eingebracht. Die kleinen Durchmesser hatten nichts bewegt. Das nächste Mal werde ich nicht zuerst spülen, sondern zunächst absaugen. Das geht allerdings bei putridem Exsudat mit dem Capillary-Tip nur selten lange, da die Kanülen schnell verstopfen. Beim Fragment kann es entweder eine Ultraschall-Spülfeile oder ein Handinstrument sein.
Dein “A” war mein Plan. Die Feile wurde mit großer Sicherheit nach apikal gespült. Alle anderen Varianten hätten vermutlich zum selben Ergebnis geführt. Also in Zukunft nicht spülen, weil das locker im Kanal liegende Instrument bei großer apikaler Lyse dann nach periapikal verbracht werden kann. Die chirurgische Intervention läuft nicht weg. Ich hoffe, es kommt anders. ;)
Terauchi hat Fälle gezeigt, in denen die Fragmente nach oben gespült wurden – selbst auserhalb der Wurzelkanäle gelegene Feilen – wenn man den Platz lässt und bei gekrümmten Kanälen an der Innen- und nicht an der Aussenkurvatur (in Relation zum Fragment) die Spülfeile/ US-Spitze liegen hat. LG András
Wenn das Fragment locker liegt, das Formalen 20 mal größer als das Fragment und es einen seehehr großen Hohlraum apikal gibt, dann ist das Risiko des Spülens sehr groß. Das ist in 30 Jahren mein erstes nach apikal gespültes Fragment. Die herausgespülten zähle ich schon nicht mehr. LGJ
Warum wurde hier kein MTA oder anderer biokeramischer Zement verwendet?
MTA wird bei der gegebenen Foramenweite nur mit kollagenem Widerlager ohne massive Extrusion eingebracht werden können. Jedenfalls in meinen Händen. Der große periapikale Hohlraum hat viel Platz für viel Kollagen. Das kostet Zeit. Viel Zeit. Und wo liegt der Vorteil? Die individualisierte Guttaperchastange ist extrem vorhersagbar anzuwenden und bewirkt bei guter Passung eine geringe Extrusion des Sealers.