Kampf dem Virus – die Schizophrenie der Hygienestringenz

Man helfe mir.
Ich weiss nicht weiter.

Wer wie ich die letzten 30 Jahre am zahnärztlichen Gesundheitswesen aktiv teilgenommen hat, dem ist der Trend zur resoluten Umsetzung eines alle Bereiche unseres Fachgebietes  umfassenden Qualitätsmanagements nicht verborgen geblieben. Vorsichtige Formulierung, man könnte es auch schärfer zu Blatte bringen.

Ich liebe QM. Lebe QM. So sehr, dass mir mitweilen sogar eine gewisse Zwanghaftigkeit in der Sache unterstellt wird. Ich schreibe dies, um ganz klar zu sagen, dass ich QM- Bestrebungen grundsätzlich und vorbehaltlos positiv gegenüberstehe.

Aber selbst unter diesen Voraussetzungen kann nicht verneint werden, dass – bei der Konzentration auf immer neue und feinere Details in der Sache – der Blick für das Ganze und Wesentliche in vielen Aspekten verloren gegangen ist.

Gestartet in eigener Praxis bin ich 1993. Mit einem (N) – Autoklaven (es gab damals noch nichts anderes) und dem Ansatz, alle Instrumente für die Patientenbehandlung zu sterilisieren. ALLE. Auch alle Bohrer und Diamanten. Und die Handstücke. Weshalb wir uns, sobald es im Markt erschienen war, zusätzlich eine Assistina und einen Schnellsterilisator zulegten. Der N – Steri, ein Melag, hielt gefühlt mehr als 15 Jahre, ohne Probleme, vom Schnellsteri kauften wir schon 3 oder 4 Stück, weil diese im Laufe der Zeit den Geist aufgaben.

Heute haben wir 2 B-Sterilisatoren, einen DAC und einen Thermodesinfektor. Und gerade im Hinblick auf letzteren die Feststellung gemacht, dass dieser unsere Instrumente bei genauer Betrachtung, welche mittels  OP – Mikroskop eine zwangsläufige ist, gegenüber der 20 Jahre lang durchgeführten manuellen Reinigung nicht besser, sondern schlechter aussehen lässt. Daran ändert auch die fortlaufende Wartung und Validierung nichts. Wir finden immer wieder Ablagerungen von Reinigungsmittelrückständen, die eine manuelle Nachbearbeitung erforderlich machen. Eine offensichtliche kognitive Dissonanz zu den Versprechungen der Gerätehersteller und der Befürworter des Einsatzes solcher Reinigungsketten in Sinne validierter Aufbereitung. Und viele andere Beispiele lassen sich nennen, die zwar formalargumentativ nicht negiert werden können, deren Wirksamkeitsnachweis oder konkreter Nutzen jedoch nirgends bewiesen ist. Wurde durch den Wechsel vom N -Steri zum B- Steri die Infektionsgefahr auch nur in wenigen Fällen besser abgewehrt ? Schützt ein validierbares Folienschweissgerät gegenüber seinem analogen und nicht netzwerkfähigen Pendant – einwandfreie Funktion beider vorausgesetzt –  auch nur in einem einzigen Fall besser vor Infektionen ?

Vollends bizarr entgleist dann die zu bewertende Situation, wenn im Rahmen einer Praxisbegehung die Lagerung von in Sterilisationsfolie eingeschweissten Gegenständen jeglicher Art in verschlossenen Schränken im gleichen Raum mit Sterilisatoren als NICHT ZULÄSSIG eingestuft wird, weil der Dampf der in 3 – 5 Metern Entfernung entfernt aufgestellten Sterilisatoren durch die Ritzen der sorgsam verschlossenen Tür des Vorratsschrankes hindurchdringen und danach die Sterilisationsfolie bereits aufbereiteter Instrumente penetrieren und damit eine Kontamination erzeugen könnte. Man beachte den Konjunktiv ! KÖNNTE ! Evidenz ? Wissenschaftlicher Nachweis des Ereignisses per se ? Wahrscheinlichkeit der Infektion auf dieser Kontamination basierend? Vollkommen irrelevant. Mehr noch. Es reicht schon die Abwesenheit eines Insektengitters vor dem Fenster des Aufbereitungsraumes, um mit der Schliessung der Praxis zu drohen.

Und eine fehlende Masernschutzimpfung muss 2021 mit der Kündigung der Mitarbeiter quittiert werden.

Und dann ist es da.
Das Corona – Virus.

Plötzlich wäre das falsche Wort, wurde doch schon Ende Dezember 2019 über den Ausbruch dieser Seuche berichtet.
Und seit 2012 gibt es einen offiziellen Bericht der Bundesregierung, der sich mit den Folgen einer solchen Virus- Pandemie analog zum SARS-Virus beschäftigt und das nun ablaufende Szenario erschreckend genau vorhersagt.

Zusammenbruch der Gesundheitsversorgung (wegen fehlender Schutzmassnahmen, fehlender Kapazitäten und wegsterbender First Responder, Arzt und Assistenzpersonal.  Über 3 Jahre hinweg 7,5 Millionen Tote.

9 Jahre wäre Zeit gewesen, dem sich entgegenzustellen.
Nichts ist passiert.

Nichts, Herr Spahn. Wir sind nicht vorbereitet, haben keinerlei Schutzkleidung, keine Schutzmasken. Massnahmen, die sich in China als zwingend notwendig und hochwirksam erwiesen haben, wie Testung von Infektionsverdächtigen, Quarantäne der Infizierten und aller ihrer Kontaktpersonen finden bei uns nicht statt.

Stattdessen zeigt sich schon in  Woche 1 der offiziellen Deutschland-Epidemie von Covid -19 die de facto Bankrotterklärung des Spahnschen “Deutschland ist bestmöglich vorbereitet”  Krisenmanagements. Die bayrische Gesundheitsministern erklärt, Ärzte seien für die Stellung von Schutzausrüstung selbst verantwortlich.  Wir erfahren, dass unsere seit 30 Jahren verwendeten Mund- Nasen- Schütze nicht infektionsprophylatisch wirksam wären (wofür tragen wir diese denn dann seit 3 Dekaden), FFP 3- Masken seien notwendig. Diese sind nicht lieferbar, weshalb nach wenigen Tagen nun FFP – 2 Masken ausreichend seien. Die ebenfalls nicht lieferbar sind, weshalb von offizieller Seite verlautet wird, man versuche schnellstmöglich solche Masken aus dem Ausland zu bekommen.  Zwar “ohne CE Zeichen” aber angesichts der Situation verzichte man  auf die “Originalzitat “Deutsche Gründlichkeit”.

Anleitungen werden ausgegeben, wie diese Masken wiederaufbereitet werden sollen. Und das auch bei Fehlen adäquater Schutzkleidung die Behandlung von Patienten nicht verweigert werden dürfe und dies ich zitiere “Fast schon den Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung erfülle”.

Ich halte fest.
Während in Zeiten, in denen keinerlei infektiöse Bedrohung überhaupt vorhanden ist, selbst die kleinste auch nur theoretisch denkbar Möglichkeit einer Infektionschance mit den nur erdenklich schärfsten Sanktionen geahndet wird und jegliches  erdenkliche Infektionsrisiko ausgeschaltet werden muss…

(vor Sterilisation von Wurzelkanalinstrumenten müssen die Silikonstopper auf dem Schaft entfernt werden, weil sich darunter Keime verstecken könnten, die Mundspiegel müssen vor Sterilisation auseinandergeschraubt werden und getrennt vom Spiegelschaft sterilisiert werden, weil in den Schraubenwindungen in der Tiefe des Innern des Spiegelschaftes sonst Keime der Sterilisation entgehen könnten.)

…wird in Zeiten einer weltweiten Pandemie mit einer Letalitätsrate von zur Zeit 3,44 Prozent (Homepage John Hopkins University , Verhältnis Infizierte /Tote 95748:3286 Stand 05.03.2020) die Wiederaufbereitung von Mundschützen gestattet, die Quarantänerichtlinien für medizinisches Personal per Dekret Mufti gelockert und die Behandlung von Patienten ohne ausreichende Schutzkleidung entgegen aller Vorgaben des Arbeitsschutzes unserer Mitarbeiter als verpflichtend durchzuführende Massnahme angeordnet.

Unfassbar.
Der Blick nach Südkorea zeigt, dass Politiker sehr wohl in der Lage sind, die richtigen Entscheidungen, sowohl weit vorausschauend wie auch kurzfristig zu treffen. Dort wurde als Reaktion auf die letzte Infektionsserie vor 5 Jahren eine umfassender Maßnahmenkatalog an Verbesserungen umgesetzt. Und frühzeitige Unterbrechung von Infektionsketten durch Schliessungen von Schulen, Kindergärten und Massenveranstaltungen veranlasst.

Wo bleibt der Aufschrei der Ärzte, der Zahnärzte ?
Sind wir  doch durch den ubiquitär vorhandenen Spraynebel besonders gefährdet.
In  Frankreich weigern sich die Mitarbeiter des Louvre und die französischen Busfahrer, ohne ausreichenden Schutz ihre Arbeit anzutreten.

Und wir.
Schnallen uns, ohne auch nur zu murren, unsere auf der Heizung getrockneten Masken des Vortages um und gehen wieder arbeiten.
Einer muss ja…

Man helfe mir.
Ich weiss nicht weiter.

Gehen wir demnächst auch wieder gefolgsam mit dem Gewehr in der Hand in den sicheren Tod, wenn es die Politik uns vorgibt ? Eine diesbezügliche Tradition und Verlass in der Sache ist uns Deutschen ja nicht abzusprechen.

Und dann lesen  wir das hier.
Transmission routes of 2019-nCoV and controls in dental practice.

Peng X1, Xu X1, Li Y1, Cheng L1, Zhou X2, Ren B3.
Author information
Abstract
A novel β-coronavirus (2019-nCoV) caused severe and even fetal pneumonia explored in a seafood market of Wuhan city, Hubei province, China, and rapidly spread to other provinces of China and other countries. The 2019-nCoV was different from SARS-CoV, but shared the same host receptor the human angiotensin-converting enzyme 2 (ACE2). The natural host of 2019-nCoV may be the bat Rhinolophus affinis as 2019-nCoV showed 96.2% of whole-genome identity to BatCoV RaTG13. The person-to-person transmission routes of 2019-nCoV included direct transmission, such as cough, sneeze, droplet inhalation transmission, and contact transmission, such as the contact with oral, nasal, and eye mucous membranes. 2019-nCoV can also be transmitted through the saliva, and the fetal-oral routes may also be a potential person-to-person transmission route. The participants in dental practice expose to tremendous risk of 2019-nCoV infection due to the face-to-face communication and the exposure to saliva, blood, and other body fluids, and the handling of sharp instruments. Dental professionals play great roles in preventing the transmission of 2019-nCoV. Here we recommend the infection control measures during dental practice to block the person-to-person transmission routes in dental clinics and hospitals.

 

 

 

4 Gedanken zu „Kampf dem Virus – die Schizophrenie der Hygienestringenz

  1. Lieber Ha-Wi,

    Vorerst stimme ich dir absolut zu. Deine Beiträge zum Thema verbesserter Umgang in der täglichen persönlichen Hygiene sind lobenswert. Ich persönlich behandle seit zwei Wochen mit FFP2 Maske+normaler MNS + chirurgischen Einmalkittel (2 mal täglicher Wechsel)+ Schutzbrille. Behandlungen mit starker Aerosolbildung finden vorerst nur sehr eingeschränkt statt – größere Präparationen wurden abgesagt. Des Weiteren finde ich die PZR-Behandlung aus aktuellen Anlass für unverantwortlich. Auch wenn die Sterblichkeitsrate wo deutlich unter 3 Prozent liegt, werden die Kollateralschäden weitaus größer sein. Ich empfehle hierzu den folgenden Podcast: https://youtu.be/KMWFPfufVSc
    Das RKI ist regierungsnah und wird wohl in absehbarer Zeit (aktuelle Infektionszahlen zeigen lediglich die Vergangenheit) die geltenden Richtlinien für ärztliches Personal deutlich absenken. Nur so kann eine zukünftige Versorgung der Bevölkerung noch gewährleistet werden. Ich lege dann meinen Kittel und die Atemschutzmaske – macht ja auch keinen Sinn mehr bei der hohen Infektionsrate. Nach dem Thema Glaube-Liebe-Hoffnung. Leider werden die alten Und schwachen Menschen dann nicht mehr in der allgemeinen Sterblichkeitsrate untergehen. Blöd aber auch!
    Beste Grüße und weiter so!

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