Pulpotomie

von Ronald Wecker

Auf der im vergangenen Jahr in Lissabon stattgefunden ESE-Tagung in Lissabon hatte ich die Gelegenheit mich mit Winfried Zeppenfeld aus Flensburg über seine in einem Poster veröffentlichen Behandlungsergebnisse nach Pulpotomie auszutauschen. Meine Erfahrungen mit dieser Art der endodontologischen Therapie beschränkten sich bis dahin auf eine Hand voll Fälle.

Ein Postgraduate-Student des Endo-Programms an der ACTA in Amsterdam erzählte mir vor kurzem, dass er derzeit ca. 100 Fälle mit einer Misserfolgsquote von ca. 10 % seit fast 5 Jahren im Recall nachverfolgt und gab den letzten Anstoss, diese Therapieform in Fällen einer Pulpaeröffnung vermehrt ins Kalkül zu ziehen.

Neben einer suboptimal ausgefallenen Wurzelfüllung des 16 fällt in nachfolgendem Röntgenbild der ausgedehnte kariöse Defekt an Zahn 14 auf. Akute Beschwerden lagen nicht vor. Nach absoluter Trockenlegung wurde der Defekt mit einem sterilen diamantierten Instrument unter Kühlung mit steriler Kochsalzlösung eröffnet und anschliessend versäubert. Die Blutung sistierte nach ungefähr 2 Minuten. Auf langsam rotierende Hartmetallinstrumente (Rosenbohrer) wurde bewusst verzichtet, da hier eine Gefahr des Verpressens von Dentinspänen in das Pulpagewebe gegeben ist.

Die Abdeckung der Pulpawunde erfolgte mit MTA Angelus in der weissen Darreichungsform. Anschliessend wurde die Kavität adhäsiv verschlossen.

Zwei Dinge bleiben zu hoffen: Beschwerdefreiheit für den Patienten und dass nicht eines Tages bei einer also loco durchgeführten Routinekontrolle die „zu kurze“ Wurzelfüllung moniert und eine „richtige“ Wurzelkanalbehandlung durchgeführt wird.

 

4 Gedanken zu „Pulpotomie

  1. Guten Morgen,
    sehr schöner, wichtiger Hinweis. Kannte das bereits von den Traumatologie-Tagungen, der interdisziplinäre Ansatz macht es möglich, dass auch primär chirurgisch interessierte Kollegen Einblicke in u.a. die Endodontie erhalten. Wobei man die vorgestellte Behandlung ja auch durchaus chirurgisch nennen kann… ;-)
    Prof. Ebeleseder weist immer darauf hin, auf blutstillende, adstringierende/koagulierende Substanzen zu verzichten und lediglich isotone Kochsalzlösung zu verwenden, dies wäre von größter Wichtigkeit für den Erfolg; daneben natürlich auch die Abwesenheit mikrobieller Infektion (u.a. bakteriendichte Füllungen).
    Es scheint hier auch lediglich isotone NaCl-Lösung verwendet worden zu sein, jedenfalls schließe ich aus der Beschreibung („sistierte die Blutung“) des Behandlungsablaufes, dass eine aktive Blutungsstillung nicht erfolgte. Können Sie die Empfehlung von Prof. Ebeleseder, auch aus Ihren Gesprächen heraus, bestätigen?

  2. Eben vergessen:
    Ich habe manchmal auch Fälle, die vom Üblichen abweichen und bei denen Gefahr besteht, dass ein Nachbehandler meint, unbedingt den Leitlinien/Kassenrichtlinien/… Genüge tun zu müssen. Ich kläre die Patienten dann so auf, dass sie oder der jeweilige Behandler mich möglichst vor einer eventuellen Behandlung kontaktieren.
    Nun ist das nicht immer möglich, meine Traumapatienten dürften mich fast alle überleben. Man könnte aber den Patienten eine schriftliche Mitteilung mitgeben, ggf. (auch) in Form eines Einlegeblattes für (und ggf. zum Anheften an) Röntgenpass/Bonusheft/Impfausweis/…
    Macht natürlich Zusatzaufwand. Gibt es hierzu Erfahrungen/Ideen?

  3. Interessanterweise scheint eine Pulpotomie bei Erwachsenen eine bessere Erfolgsquote zu haben als direkte Pulpaüberkappungen, wahrscheinlich weil bei der Direkten meistens nur minimal die Pulpa eröffnet ist und man den Entzündungszustand nicht „einsehen“ kann. Anderserseits wird immer wurde immer wieder postuliert – besonders in den USA (?)- bei einer Pulpeneröffnung doch gleich die Endo zu machen, der Zahn würde eh hochgehen. Als Argument wird auch aufgeführt das die Pulpa eventuell überlebt, aber die Kanäle mit hoher Wahrscheinlichkeit massiv obliterieren, und einer späteren vernünftigen (einfachen ?) Endo im Wege stehen. Bestehen hier im Forum oder speziell hier im Fall Bedenken, dass das Kanalsystem in Zukunft nicht optimal endodontisch behandelt werden kann falls es zu Problemen kommt? Verbaut man sich wegen kurzfristiger Erfolge vielleicht langfristig den Zahnerhalt?

    Eine Frage noch in die Runde: hat jemand schonmal das BC Putty Material oder Theracal bei einer direkten Pulpenüberkappung eingesetzt? Bei dem BC Putty wird ja zum Abbinden Feuchtigkeit gebraucht, die in diesem Falle in meinem Verständnis aus der vitalen Pulpa bezogen wird. Kann das ein Vorteil für angemischtes MTA sein? Wenn dieses aber nicht mit einem feuchten Wattepellet versorgt wird, zieht das MTA nicht auch Feuchtigkeit aus der Pulpa?

    Danke und Gruß,

    Gregor S.

  4. Pulpotomie versus Pulpaverband
    Pulpotomie versus Pulpaverband („direkte Überkappung“) – das mag tatsächlich etwas mit dem Belassen/Entfernen oberflächlicher Entzündungen/Infektionen zu tun haben. Gleiche Beobachtungen werden am traumatisierten Zahn auch bei Mikropulpotomie (Mikroamputation nach Cvek) berichtet. Ein weiterer wesentlicher Faktor ist die wesentlich bessere und sicherere Applikationsmöglichkeit von Medikament und Füllmaterial – und der damit verbundenen Dichtigkeit gegenüber Mikroorganismen.

    WK-Obliteration und prophylaktische WF
    Die endodontische Therapie bei WK-Obliteration ist sicher erheblicher aufwändiger/schwieriger und wahrscheinlich mit schlechterer Prognose behaftet – es verbleibt zwar wohl oft/meist ein zentraler Kanal, der auch auffindbar, instrumentierbar und füllbar ist; jedenfalls gibt es Fallberichte mit positivem Resultat. Wenn ich mir allerdings die histologischen Abbildungen mit diesem (zumindest nach Revaskularisation entstehenden) Mischmasch aus Dentin, Knochen und Zement anschaue, alles andere als eine homogene Masse, sondern durchsetzt von Weichgewebe enthaltenden Hohlräumen, dann kann ich mir nur schwer vorstellen, dass das WK-System auch bei bester WF des „Kanals“ bakteriendicht ist.
    Studien hierzu m.W. Fehlanzeige, Fallberichte mit Misserfolgen werden ja prinzipiell fast nie publiziert. Trotzdem Versuch endodontischer Therapie zu bedenken/abzuwägen. Im wachsenden Patienten sowieso, sofern nicht andere Komplikationen (zB. Ankylose=Wachstumshemmung) den dauerhaften Zahnerhalt unmöglich machen…

    Prophylaktische WKB hat auch ihre Tücken. Immerhin devitalisiert man vitales Gewebe, öffnet Wege für Mikroorganismen (coronal leakage) in das Körperinnere, schwächt die Integrität des Systems Zahn und unterbindet die innere Durchfeuchtung, verbunden mit erhöhter Frakturgefahr. Dazu kommen erhöhtes Kariesrisiko (Füllungsrand), Risiko von Verfärbungen (zB materialbedingt), und dadurch ausgelöste, nicht unbedingt risikoarme und/oder teure Folgebehandlungen (Bleaching, Kronen/Veneers). Da oft wurzelunreife Zähne betroffen sind, ist die prophylaktische WF auch schwieriger (Apexifikation).
    So strebt man ja aktuell bei (wurzelunreifen) Zähnen mit Pulpanekrose eine intentionelle Revaskularisation an statt eine Wurzelfüllung. Allerdings stehen auch hierzu (vergleichende und/oder Langzeit-) Studien aus – einmal abgesehen von der Problematik einer (lokalen) Anwendung von Antibiotika (teils aus der Reservegruppe) mitsamt möglicher Folgen wie Allergisierung und Resistenzentwicklung.

    Ist das Problem Obliteration im Zusammenhang mit Pulpotomie/Pulpaverband denn so relevant/häufig? Ich kann mich nur an Fälle mit partieller Einengung der Kronenpulpa durch induzierte oder spontane Hartgewewebsbildung („bridging“) erinnern, habe aber nie so sehr darauf geachtet.
    Am traumatisierten Zahn wird die Obliteration eigentlich mit Dislokationsverletzungen korreliert. Vor allem, wenn es primär zu einer (sterilen) Pulpanekrose gekommen war und dann eine erfolgreiche Revaskularisation erfolgte, ist die WK-Obliteration fast zwangsläufig zu beobachten. Früher galt dann tatsächlich die Forderung nach prophylaktischer WF. Das hat man heutzutage verlassen, oft wird die prophylaktische WF dann empfohlen, wenn der (initiale Obliteration zeigende) Zahn absehbar wird überkront werden müssen (zB im Rahmen einer Brückenprothetik).
    Ansonsten geht Andreasen von einer Nekroserate (ehemals traumatisierter) obliterierter Zähne von 1%/Jahr aus. Kieferorthopädische Therapie, vor allem Intrusion, erhöht das Risiko (Bauss), ebenso Karies und Präparation bis in das Dentin: das den ehemaligen WK ausfüllende Ersatz- oder Narbengewebe weist nicht mehr die typische Reaktionsfähigkeit einer gesunden Pulpa gegenüber solchen Noxen auf…

    Fazit: man weiß, dass man (fast) nix weiß.
    Persönlich bevorzuge ich die prophylaktische WF, wenn es sich um schwer traumatisierte Zähne mit ausgeprägtem parodontalen Schaden und hoher Wahrscheinlichkeit von Pulpanekrose/-infektion und letztlich infektionsbedingter Resorption handelt: das sind vor allem avulsierte und intrudierte Zähne. Auch beim unreifen Zahn: die Chance auf Revaskularisation ist mir zu gering (10-40%). Allerdings nutze ich für die WF den extraoralen, retrograden Zugang – das vermeidet eine Trepanation mitsamt ihren Nachteilen (coronal leakage, Schwächung der strukturellen Integrität, damit Frakturgefahr, Verfärbung, Karies) und vermeidet ebenso die Nachteile einer orthograden WKB (verzögerte Therapie mit der Notwendigkeit einer Desinfektion, unvollständige mechanische Präparation mit der Notwendigkeit, teils toxische Spüllösungen einsetzen zu müssen, unzureichende Durchmesser der GP-Wurzelfüllstifte, häufigere Röntgenaufnahmen, höhere Kosten/größerer Aufwand).
    Zähne auf dem Weg zur Obliteration überlasse ich sich selbst, kläre den Patienten aber über die Risiken auf und empfehle regelmäßige Kontrollen.
    Eine Obliteration von Zähnen mit („lediglich“) Pulpa aperta ist wohl nicht unbedingt zwangsläufig, aber da bin ich nicht sattelfest und lasse ich mich gerne aufklären.

    Beste Grüße
    Yango Pohl

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